Alexander Eisenachs »Eternal Peace« am Schauspiel Frankfurt

Eternal Peace ~ Schauspiel Frankfurt ~ Heidi Ecks, Caroline Dietrich ~ Foto: Jessica Schäfer

Verheerende Unwetter in NRW und Rheinland-Pfalz, extreme Sommerhitze in Skandinavien und im Westen der USA…, die Folgen des Klimawandels sind täglich in den Nachrichten zu hören und zu sehen. Zum Glück ist im Jahr 2114 in Grönland die Welt wieder (fast) in Ordnung. Nach den Klimakriegen (2074-2091) steht der Mensch nicht mehr über der Natur und beutet sie schonungslos zur Gewinnmaximierung aus. Vielmehr bilden Natur und Mensch eine harmonische Einheit in dieser posthumanistischen Ära. Erstaunt und bekümmert lässt es sich im Jahr 2114 auf unser heute im Jahr 2021 blicken. Davon handelt Alexander Eisenachs Stückentwicklung Eternal Peace. Sie ist ein Auftragswerk des Schauspiel Frankfurt und wurde dort, von ihm selbst inszeniert, in den Kammerspielen uraufgeführt. 2016 zeigte er dort im Wild West Genre Der kalte Hauch des Geldes.

Ursprünglich sollte Eternal Peace bereits Ende November 2020 erfolgen, doch der 2. Lockdown verhinderte dies. Im Januar 2021 wurde eine komprimierte Fassung als sechsteilige Video-Reihe veröffentlicht (die Teile dauern zwischen 4,5 – 8 Minuten). Die Videos sind weiterhin auf der Webseite vom Schauspiel Frankfurt und auf YouTube abrufbar. Anfang Juli 2021 konnte dann endlich die szenische Uraufführung in den Kammerspielen gefeiert werden. Natürlich noch mit reduziertem Publikum, aber immerhin ein Neuanfang.

Eternal Peace
Schauspiel Frankfurt
Heidi Ecks, Sebastian Kuschmann
Foto: Jessica Schäfer

Utopie und Dystopie

Eisenachs Stück ist Utopie und Dystopie in einem. Anders als es sonst üblicherweise behandelt wird, beschäftigt er sich nicht damit, wie ein Klimawandel verhindert oder zumindest abgemildert werden kann. Er setzt zu einem Zeitpunkt an, wo der Klimawandel bereits erfolgt ist. Bei ihm sind die Pole bereits geschmolzen, Grönland ist das neue Zentrum der Welt, der Kapitalismus überwunden. Hochburgen Mitteleuropas gelten nur noch als „Wasteland“ (Ödland), die touristisch als exotische Orte besichtigt werden können. Die thematische Setzung auf Science-Fiction ermöglicht ihm eine bestimmte Form von Humor und Offenheit bei der Offenlegung heutiger Absurditäten und zur Hinterfragung des Fortschrittglaubens durch ständige Expansion.

Eternal Peace
Schauspiel Frankfurt
Sebastian Kuschmann, Anna Kubin
Foto: Jessica Schäfer

Coole Szenerie

Die Bühne von Daniel Wollenzin besteht aus einer coolen Szenerie: Eine Forschungsanlage für Getreidepflanzen in Grönland, umgeben von dicken Betonmauern und mit langen Eisenstangen gesichert. Im Hintergrund erstrahlt ein Ausblick durch einen Eistunnel, der ins helle Licht, in die Wahrheit und die Vollkommenheit zu weisen scheint. Daneben geht es „in den Gürtel“: Katakomben, gefüllt mit Reliquien vergangener Zeiten, die auf die Bedeutung von anspruchsvoller Unterhaltung, also das Theater, verweisen. Und von den mit Grünpflanzen überwuchernden Frankfurter Hochhäusern führt eine Bootsfahrt über Offenbach und Darmstadt weit in den Süden.

Eternal Peace ~ Schauspiel Frankfurt ~ Christopf Pütthoff, Caroline Dietrich ~ Foto: Jessica Schäfer

Kostüme mit Sinn für Humor und runde Ensembleleistung

Julia Wassners Kostüme greifen Eisenachs Sinn für Humor auf. Mondän wie eine Weltraumstewardess ist die wissenschaftliche Assistentin (forsch: Caroline Dietrich) gekleidet. Der kranke, weil träumende, Forscher Brandt (nachdenklich: Sebastian Kuschmann) trägt Fell und lange Haarpracht. Apropos Haare: die auffallendste und stylischste Frisur hat zweifelsohne die Wissenschaftlerin Dr. Kane (mit trockenem Humor und sarkastischen Unterton: Heidi Ecks): eine filmreife, elegante und geschwungene Doppewelle. Einen chicen Schutzanzug trägt die etwas undurchsichtige Wissenschaftlerin Zehr (kämpferisch: Anna Kubin), Hut und Leder der Outlaw der Wastelands: Hogan Dundee (gewitzt: Christoph Pütthoff). Die Komplizin von Zehr begibt sich in einem schulterfreien Top aus Lack und Wolle auf die Suche (vom Studiojahr Schauspiel, wachsam: Fenna Benetz).
Zusätzlich werden auf einen Gazevorhang, vor dem auch die Eröffnungsszene stattfindet, live Portraits und futuristische Landschaftsbilder projiziert (Video: Oliver Rossol).

Eisenachs Setzung, dass der Klimawandel erfolgt ist, kann keine Lösungen bieten, dafür aber allerhand neue Fragen. Zum Nachdenken ist es schließlich nie zu spät…

Die nächsten Vorstellungen gibt es im September, denn mit der besuchten Vorstellung verabschiedete sich das Schauspiel Frankfurt in die Sommerpause.

Markus Gründig, Juli 21


Eternal Peace

Stückentwicklung von Alexander Eisenach
Auftragswerk des Schauspiel Frankfurt

Premiere/Uraufführung am Schauspiel Frankfurt: 3. Juli 21 (Kammerspiele)
Besuchte Vorstellung: 15 Juli 21

Regie: Alexander Eisenach
Bühne: Daniel Wollenzin
Kostüme: Julia Wassner
Video: Oliver Rossol
Musik: Sven Michelson
Dramaturgie: Katrin Spira

Mit: Fenna Benetz, Caroline Dietrich, Heidi Ecks, Anna Kubin, Sebastian Kuschmann, Christoph Pütthoff und Benjamin Lüdtke (Live-Kamera)

schauspielfrankfurt.de