Neben der Großproduktion von Faust 1 & 2 zur Spielzeiteröffnung des Schauspiel Frankfurt, hatte schon drei Tage später ein weiteres Stück Premiere im Schauspielhaus: Ingmar Bergmanns Szenen einer Ehe. Die Inszenierung von Sebastian Schug setzt ganz auf die Kraft des Paars Sarah Grunert und Isaak Dentler und gewinnt damit klar. Regisseur Sebastian Schug inszenierte im Januar 2022 die Uraufführung von Anja Hillings Liberté oh no no no in den Kammerspielen und nun erstmals im Schauspielhaus.
Szenen einer Ehe erschien 1973 als kleine Fernsehserie in Schweden (mit Liv Ullmann und Erland Josephson). Ihr folgte schon bald eine Kinoversion. Sie wurde ein weltweiter Erfolg. 1981 inszenierte Bergman dann am Münchner Theater im Marstall/Residenztheater eine Theaterfassung (mit Gaby Dohm und Erich Hallhuber). Das Schauspiel Frankfurt zeigt nun diesen Klassiker unter den Beziehungsdramen als Erzählung unter Mangaaugen.
Bühne vor der Bühne
Die Bühne befindet sich vor der Bühne. Von den Handlungsorten Wohnzimmer, Ferienhaus und Büro ist nichts zu sehen. Vor dem herabgelassenen Eisernen Vorhang befindet sich eine schlichte Vorbühne. Vor einem Großdruck von William Turners (1775–1851) Sturmbild „Fishermen at Sea“ befindet sich ein Portal mit Rüschenvorhang, Neonröhre, Kühlschrank/Bar, Garderobenständer, Belüftungsschlauch und eine kleine Showtreppe. Die Szenerie wirkt wie ein Mix zwischen Vorder- und Rückansicht einer Bühne (Bühne: Jan Freese). Um dafür Platz zu haben, fehlen im Saal mittig vier Stuhlreihen. Die fünfte bleibt frei, weil sie auch als Spielfläche genutzt wird. Seitlich stehen zwei Scheinwerfer, die die Atmosphäre eines Filmsets andeuten (bilden quasi eine Brücke zwischen Film- und Bühnenversion).
Publikum fiebert gepackt mit
Am Bühnenportal hängt oben ein großes Augenpaar im Manga-Stil mit Blick zum Publikum. Sehen und gesehen werden wird hier als ein offenes Spiel praktiziert. Das Licht im Zuschauerraum ist die ganze Aufführung über nur ganz leicht gedämmt. So gibt es nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Publikum schöne kleine Szenen zu beobachten. Dieses folgt gebannt dem Spiel des Paares. Bei einzelnen Sätzen erkennen einige im Saal Parallelen zu ihren eigenen Beziehungen. Paare schauen sich mit verständnisvollem Blick verliebt an oder drücken sich sanft die Hände. Berührend, wenn Theater so unmittelbar ankommt.
Die Liebe hört nie auf
Als Inhaltsangabe des gut 100-Minuten umfassenden Abends (ohne Pause) reicht im Prinzip der Stücktitel. Das Akademikerpaar Marlene (vielseitig: Sarah Grunert) und Johan (markant: Isaak Dentler) ist seit 10 Jahren glücklich verheiratet. Scheinbar, denn peu à peu treten dann doch „Unstimmigkeiten“ hervor, die über Geständnisse des Fremdgehens bis zur Scheidung und neuen Liebschaften führen. Es fallen auch böse Worte und sie kämpfen berührungsfrei miteinander, bis Blut fließt (offensichtlich aufgetragenes Kunstblut). Die beiden kommen aber nie wirklich voneinander los. Und das ist das Schöne. Auch nach 20 Jahren empfinden sie noch füreinander. Die Liebe, wenn auch unterschiedlich formuliert und erlebt, hört niemals auf.
Ergänzend zu dem Paar sitzt am linken Bühnenrand der Musiker Thorsten Drücker und spielt mit nahezu stoischer Gelassenheit die ganze Zeit über dezent auf einer Gitarre. Erst in der finalen sechsten Szene wechselt er zu einer Klarinette. Jetzt spielt er mit großer Zurückhaltung nur einzelne Töne, keine Melodien mehr, ein schlichter musikalischer Kommentar zum Geschehen. Ein farbiges Hemd im Printdesign und Strass-besetze Slipper (Kostüme: Nico Zielke) tragend, fügt er sich äußerlich gut in das heterogene Bühnenbild ein.
Am Ende ist Marianne vieles klar geworden, sie ist gereift und selbstbewusster. Johan hingegen ist nicht mehr der kopfgesteuerte Kraftprotz. Er kann sich nun auch von seiner weichen, emphatischen Seite zeigen. Intensiver Beifall für diese stilvolle und hinreißende Darbietung.
Markus Gründig, September 24
Szenen einer Ehe
(Scener ur ett äktenskap)
Filmdrama von: Ingmar Bergman (1918 – 2007)
Deutsche Erstaufführung: 30. April 1981 (München, Residenztheater/Theater im Marstall
Deutsche Fassung (Standard-Mehrpersonenfassung): Renate Bleibtreu
Deutsche Fassung (Gekürzte Fassung für zwei Personen): Hans-Joachim Maass
Premiere: 22. September 24 (Schauspielhaus)
Besuchte Vorstellung: 25. September 25
Regie: Sebastian Schug
Bühne: Jan Freese
Kostüme: Nico Zielke
Musik: Thorsten Drücker
Dramaturgie: Lukas Schmelmer
Licht: Ellen Jaeger
Besetzung:
Johan: Isaak Dentler
Marianne: Sarah Grunert
Live-Musik: Thorsten Drücker