Strahlende Pretty Yende beim Liederabend an der Oper Frankfurt

Liederabend Pretty Yende (Sopran) und Michele D’Elia (Klavier) ~ Oper Frankfurt, 29. Oktober 2019 ~ Pretty Yende ~ © Barbara Aumüller (szenenfoto.de)
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Jessye Norman war eine der größten Opernsängerinnen. Vor einem Monat starb die Opernlegende an den Folgen einer Rückenmarksverletzung. „Jessye Norman war individuell, stilbildend, eine Musikerin von unbestechlicher Ernsthaftigkeit und Vorbild für eine ganze Sänger*innen-Generation!“, so Alexander Kluge in seinem Nachruf. Ein auf Jessye Normans Spuren nachfolgender Nachwuchsstar ist die 1985 im südafrikanischen Piet Retief (Provinzstadt nah an der Grenze zu Swasiland), geborene Sopranistin Pretty Yende, deren Karriere in den letzten Jahren rasant an Fahrt aufgenommen hat. Verführt von einer British Airways-Werbung im Fernsehen, die mit Delibes‘ „Blumenduett“ (Oper Lakmé) unterlegt war, entschied sie sich, nicht Buchhalterin sondern Opernsängerin zu werden. Sie studierte zunächst am South African College of Music in Kapstadt bei Professor Virginia Davids, und trat als erste schwarze Frau während der Apartheidjahre in Südafrika auf Opernbühnen auf. Und dann ging die Karriere, schnell wie in einem Märchen, steil nach oben. Mittlerweile wird die vielfach ausgezeichnete Yende von den renommiertesten Opernhäusern weltweit engagiert. Sie ist Exklusivkünstlerin bei Sony Classical und veröffentlichte dort bislang die zwei Alben „A Journey“ und „Dreams“.


Liederabend Pretty Yende (Sopran) und Michele D’Elia (Klavier)
Oper Frankfurt, 29. Oktober 2019
Michele D’Elia, Pretty Yende
© Barbara Aumüller (szenenfoto.de)

Jetzt startete sie, vom italienischen Pianisten Michele D’Elia am Klavier begleitet, an der Oper Frankfurt eine Liederabendtour. Diese wird sie in den nächsten Wochen noch nach Zürich, Prag, London und New York führen, bevor sie dann ab Februar 2020 an der Pariser Opéra Bastille ihr Rollendebüt als Manon in Jules Massenets gleichnamiger Oper geben wird.

Bei Ihrem Liederabenddebüt an der Oper Frankfurt war diese überdurchschnittlich gut besucht. Yende ist sich ihrer Popularität durchaus bewusst, ihr Auftreten zeugt von einer starken Persönlichkeit. Mit ihrem strahlenden Lächeln nimmt sie sofort stark für sich ein und wirkt sehr authentisch. Sie präsentierte sich in zwei prachtvollen Abendkleidern und verzichtete auf jeglichen Schmuck.
Obwohl ihr Repertoire bisher stark vom italienischen Fach geprägt ist (Donizetti und Rossini) und sie auf Deutsch bisher nur als Pamina in Mozarts Zauberflöte gesungen hat, präsentierte die Ausnahmesängerin in Frankfurt zahlreiche Lieder von Schumann und Strauss, denen sie Lieder von Donizetti und Tosti gegenüberstellte.
Schon mit dem eröffnenden „Der Nussbaum“ zeigte sie den Reiz ihrer besonderen und warm klingenden Stimme und ihrer stupenden Technik. Bei ihr schweben Töne leicht durch den Raum. Im zarten Piano verliert sie nicht an Volumen. Und sie hat eine immens große Präsenz und kann mit minimalen Gesten und Blicken in Bann ziehen. Gleichwohl wirkte ihre Schumanninterpretation interpretatorisch und von der Verständlichkeit nicht ganz so perfekt. Nun ist jeder Anfang schwierig und der erste Schritt ist getan. Künftig wird sie, vor allem, wenn sie diese Lieder einmal frei von ausliegenden Noten singen wird, an Ausdruck und Tiefe gewinnen.
Bei Donizettis, etwas mehr arienhaften Liedern, ist Yende zuhause. Hier perlen die Töne nur so (wie bei „Le crépuscule“ ~ „Die Morgendämmerung“). Die Partie der Lucia Ashton aus Donizettis Lucia de Lammermoor hat Yende u. a. bereits an der New Yorker Metropolitan Opera verkörpert. Mit der daraus stammenden Kavertine „Que n’avons nous des ailes … “ stellte Yende ihre Koloraturbrillanz vor und beendete den ersten Teil ihres Programms.


Liederabend Pretty Yende (Sopran) und Michele D’Elia (Klavier)
Oper Frankfurt, 29. Oktober 2019
Michele D’Elia, Pretty Yende
© Barbara Aumüller (szenenfoto.de)

Nach der Pause verführte Pretty Yende mit leidenschaftlichen Liedern von Francesco Paolo Tosti , darunter herausragend: „Ideale“ („Idealbild“). Zum Ende wagte sie sich an fünf Lieder von Richard Strauss, von denen die Erinnerung an einst im Mai („Allerseelen“) besonders gut ankam. Dann blühte sie richtig auf, wurde von Zugabe zu Zugabe immer gelöster und virtuoser. Für den intensiven und lang anhaltenden und starken Applaus (inklusive Standing Ovations) bedankten sich Pretty Yende und Michele D’Elia beim Frankfurter Publikum mit fünf Zugaben (womit sie an den Rekord von Edita Gruberova und Peter Valentovic vom April 2015 anknüpften, die damals auch fünf Zugaben gaben).

Markus Gründig, Oktober 19


Die Zugaben:

Johann Strauß, Sohn (1825-1899): Csárdás der Rosalinde („Klänge der Heimat“) aus dem II. Akt der Operette Die Fledermaus (1874)

Gaetano Donizetti (1797-1848): „Me voglio fa ’na casa“ (Lied, um 1838)

Gioachino Rossini (1792-1868): Cavatine der Rosina („Una voce poco fa”) aus dem I. Akt der Oper Il barbiere di Siviglia (1816)

Victor Herbert (1859-1924): Lied der Prinzessin Stellina („Art is calling me“ / „I want to be a Prima Donna“) aus dem II. Akt der Operette The Enchantress (1911)

Giacomo Puccini (1858-1924): Arie der Lauretta („O mio babbino caro”) aus dem Operneinakter Gianni Schicchi (1918)