Mit einem Star eröffnete die Oper Frankfurt jetzt die neue Spielzeit 2022/23. Die litauische Sopranistin Asmik Grigorian gastierte für einen Liederabend im sehr gut besuchten Opernhaus.
Die Rolle der Salome in Richard Strauss‘ gleichnamiger Oper bei den Salzburger Festspielen 2018 brachten ihr den großen Durchbruch. Inzwischen ist sie regelmäßig an den führenden Opernhäusern der Welt überaus gefragt (beispielsweise gastierte sie drei Tage vor dem Frankfurter Liederabend an der Mailänder Scala).
Dass sie nun einen Liederabend an der Oper Frankfurt gab, ist dem Intendanten Bernd Loebe zu verdanken, der früh auf sie aufmerksam wurde. 2018 war sie hier als Iolanta und 2019 als Manon Lescaut zu erleben (diese Rolle wird sie ab 10. Dezember 22 erneut an der Oper Frankfurt zu sehen sein, zusätzlich als Nastasja in Tschaikowskis Die Zauberin (ab 4. Dezember 22).
Schon wenn Asmik Grigorian die Bühne betritt, ist sie eine Erscheinung und nimmt stark für sich ein. Zu ihrem Liederabend trug sie ein gelbes Kleid mit Blumenmustern und Puffärmeln (der linke dabei lässig herabgelassen, sodass die Schulter frei war) und hohe Schuhe. Ihre Haare hatte sie streng zu einem Dutt geformt. Schon äußerlich wirkte sie groß, erhaben und sinnlich. Nach der Pause trug sie als äußerliche Variation und als moderner Verweis zur litauischen Traditionskleidung, zusätzlich eine passgenaue magentafarbene Schürze.
Neben ihrer starken Präsenz verfügt Grigorian über die Fähigkeit, mit wenigen mimischen Variationen die unterschiedlichsten Gefühle zu vermitteln und das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Im Mittelpunkt steht freilich ihre ausdrucksstarke und farbenreiche Stimme. Leise Pianotöne fließen sanft über ihre Lippen, bei expressiven Tönen bringt sie das Haus fast zum Beben.
Im ersten Programmteil standen ausgewählte Lieder von Peter I. Tschaikowski. Zu Beginn das sehr verinnerlicht dargebotene „Inmitten des Balles (op. 38/3), gefolgt vom melancholischen und vehement aufblühenden „Weil´ich, wie einstmals, allein“ (op. 37/6). Goethes Gedicht „Nur wer die Sehnsucht kennt“ ist vor allem in der Vertonung durch Franz Schubert bekannt. Die hier vorgetragene Vertonung durch Tschaikowski ist eine hörenswerte Alernative.
Nach jeweils zwei Liedern legte Asmik Grigorian eine Pause ein und der Pianist Lukas Geniušas (* 1990) nutzte die Gelegenheit, seine ausgeprägten Fingerfertigkeiten zu zeigen und zu Gehör zu bringen. Es war eindrucksvoll wie er, ohne ausliegende Noten und total in sich gekehrt, anspruchsvolle Stücke wie das kniffelige „Scherzo humoristique in D-Dur“ (op. 19/2) virtuos darbot.
Nach der Pause folgte eine Auswahl von Liedern Sergei W. Rachmaninows (jetzt ohne Intermezzi). Diese, und acht weitere, finden sich auf ihrer im Frühjahr beim Label Alpha Classics erschienenen Aufnahme „Dissonance“ (ebenfalls mit Lukas Geniušas am Klavier).
Rachmaninows Lieder sind, anders als die meisten deutschen Kunstlieder, kleine Opern. Zumindest in der Interpretation von Grigorian und Geniušas. Jedes der überwiegend kurzen Lieder füllten sie mit vielen Emotionen. Ihre große Ausdruckskraft zeigte Grigorian vor allem bei „Sing, du Schöne, sing mit nicht“ und „Frühlingswasser“. Das fast sechseinhalb Minuten lange Lied „Dissonanz“ steht zu Beginn des Albums. Beim Liederabend präsentierten sie es als finales Stück und boten damit einen wunderbaren Abschluss.
Auch wenn hier die deutschen Titel genannt werden, Grigorian sang alle Lieder in der russischen Originalsprache.
Nach zahlreichem Zwischenapplaus (auch während der Liedgruppen) gab es für diese herausragende Spielzeiteröffnung am Ende kräftigen Beifall für beide und als Dankeschön zwei weitere Lieder Rachmaninows als Zugaben.
Markus Gründig, September 22
Die Zugaben:
Sergei W. Rachmaninow (1873-1943): „Vse otnjal u menja“ („He took all from me“) op. 26 No. 2
Sergei W. Rachmaninow (1873-1943: „Ne ver’mne, drug!“ („Believe me not, friend!“) op. 14 No. 7