Vor neun Jahren feierte Harry Kupfers Neuinszenierung von Hector Berlioz Légende dramatique La damnation de Faust (Fausts Verdammnis) Premiere an der Oper Frankfurt. Die opulent ausgestattete Umsetzung wurde jetzt zum zweiten und letzten Mal wiederaufgenommen. Ein Besuch lohnt sich unbedingt: Das Werk wird nur sehr selten aufgeführt, bietet eine fantastische Musik mit einer außerordentlichen Vielfalt an Orchesterfarben, die Inszenierung von Regiealtmeister Harry Kupfer (* 1935) bietet ein Feuerwerk an spannenden Bildern und Chor und Solisten singen auf hohem Niveau.
Eine Vorbereitung auf einen Vorstellungsbesuch ist nicht zwingend nötig, die Geschichte basiert auf dem bekannten Faust-Stoff. Kupfer erzählt die Geschichte des unerfüllten Dr. Faust als dessen Lebensrückblende. Die Handlung spielt in einem ehemaligen Theater (Bühnenbild: Hans Schavernoch). Dabei zeigt Kupfer mitunter deftige Optiken, für die insbesondere der niederländische Kostümbildner Yan Tax ganze Arbeit geleistet hat. Viel Lack und Leder und ausgefallene Partykleider mit Ausblicken auf überdimensionierte Geschlechtsteile bieten die großen Volksszenen, bei denen sich der von Tilman Michael einstudierte Chor der Oper Frankfurt als Soldaten, Heilige, Besoffene und Verschlafende, klangstark und spielfreudig zur Geltung bringt. Auch die Statisterie und die Pyrotechnik der Oper Frankfurt ist umfangreich beteiligt (Videoprojektionen im Hintergrund: Peer Engelbracht / impulskontrolle).
Doch nicht nur für die Augen, auch für die Ohren wird viel geboten. Dabei sind alle vier Solisten erstmals in ihren jeweiligen Rollen zu erleben. Für den italienischen Tenor Giorgio Berrugi ist die Faust-Partie nicht nur ein Rollendebüt, er ist erstmals an der Oper Frankfurt zu Gast (und wird Anfang 2020 hierher als Don José in Bizets Carmen zurückkehren). Er überzeugt mit starkem Ausdruck, angenehmen Timbre und kräftiger Stimme (wie bei „Nature immense, impénétrable et fière“ im vierten Teil). Die drei weiteren Partien verkörpern Ensemblemitglieder. Bassbariton und Lokalmatador Kihwan Sim ist ein diabolisch raffinierter Verführer Méphistophélès, wie man ihn sich kaum besser vorstellen kann. Die Mezzosopranistin Cecilia Hall gab vor kurzem einen großartigen Liederabend im Holzfoyer, als Marguerite wandelt sie sich überzeugend von einer unbekümmert verliebten jungen Frau zur hoffnungslos Verzweifelten und sorgt mit der melodischen romantischen Trauerarie „D’amour l’ardente flamme“, der große Hit des Dramas, für herzbewegende Momente. Demgegenüber steht der lustige Geselle Brander (in Auerbachs Keller) des Bass-Baritons Brandon Cedel für die komische Seite.
Am Pult des Frankfurter Opern- und Museumsorchester sorgt Roland Böer für einen spannenden und verführerischen Klangeindruck. Der ehemalige Kapellmeister der Oper Frankfurt ist seit 2015 Künstlerischer Leiter des Cantiere Internazionale d’Arte Montepulciano und seit dieser Spielzeit für drei Jahre erster Gastdirigent am Mikhailowski-Theater in St. Petersburg. Zudem ist er regelmäßig mit Gastengagements an den führenden Häusern Europas tätig.
Zwischenapplaus gab es keinen, dafür einen besonders intensiven Schlussapplaus.
Markus Gründig, Juni 19
Bis zum 30. Juni 2019 gibt es noch drei weitere Vorstellungen.
La damnation de Faust (Fauts Verdammnis)
Légende dramatique in vier Teilen
Von: Hector Berlioz
Text: Hector Berlioz und Almire Gandonnière nach Goethes Faust
Uraufführung: 6. Dezember 1846 (Paris, Opéra-Comique; konzertant)
Szenische Uraufführung (Bearbeitung von R. Gunsbourg): 18. Februar 1893 (Monte Carlo, Opéra Monte Carlo)
Premiere an der Oper Frankfurt: 13. Juni 10
2. und letzte Wiederaufnahme an der Oper Frankfurt: 16. Juni 19
Musikalische Leitung: Roland Böer
Regie: Harry Kupfer
Szenische Leitung der Wiederaufnahme: Nina Brazier
Bühnenbild: Hans Schavernoch
Kostüme: Yan Tax
Licht: Joachim Klein
Video: Peer Engelbracht / impulskontrolle
Chor: Tilman Michael
Choreografische Einstudierung: Irene Klein
Dramaturgie: Norbert Abels
Besetzung:
Marguerite: Cecelia Hall
Faust: Giorgio Berrugi
Méphistophélès: Kihwan Sim
Brander: Brandon Cedel
Chor der Oper Frankfurt
Frankfurter Opern- und Museumsorchester
oper-frankfurt.de