Emotionale Achterbahnfahrt bei Mahlers »9.« mit dem Bamberger Symphonikern unter Herbert Blomstedt

Herbert Blomstedt und Bamberger Symphoniker: Mahler IX (Accentus Music/BR-Klassik, Foto Andreas Herzau)

1927 wurde der schwedische Ausnahmedirigent Herbert Blomstedt in Springfield (USA) geboren. Am 11 Juli wird er seinen 92. Geburtstag feiern können. Er ist Mitglied der Königlich-Schwedischen Musikakademie, von 1975 bis 1985 war er Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden und von 1998 bis 2005 Chefdirigent des Gewandhausorchester Leipzig (mit dem er im Rahmen des Mahler Festival in Leipzig am 15 und 16. Juni 2019 ein großes Konzert in der Leipziger Kongresshalle am Zoo gab). Dazu arbeitet er mit vielen großen internationalen Orchestern. Seit 35 Jahren ist er mit den Bamberger Symphoniker verbunden, mit denen er bereits fast 200 Konzerte gegeben hat und deren Ehrendirigent er ist. Doch erst im vergangenen Sommer haben Blomstedt und die Bamberger Symphoniker erstmals gemeinsam eine CD aufgenommen: Mahlers 9. Sinfonie D-Dur. Accentus Music hat diese Lücke deutscher Orchestergeschichte geschlossen. Die Liveaufzeichnung entstand in der Konzerthalle Bamberg (Joseph-Keilberth-Saal) und ist eine Koproduktion mit BR-Klassik. Sie ist seit Anfang Juni 2019 im Handel erhältlich.

Die vier Sätze der etwas über 1 Stunde 20 Minuten gehenden 9. Symphonie bieten eine große Bandbreite an Emotionen, die Blomstedt und die Bamberger Symphoniker mit großer Finesse und frei von übertriebenem Pathos eindringlich erklingen lassen.
Mahler (1860 – 1911) komponierte sie im Sommer 1909 im Südtiroler Toblach (Pustertal, bis 1919 Teil Österreich-Ungarns). Sie wurde erst ein Jahr nach seinem Tod in Wien uraufgeführt. Sie folgte nicht unmittelbar der 8. Sinfonie, denn nach dieser komponierte er zunächst Das Lied von der Erde, der „geheimen 9.“. Mahlers 9. ist nahezu ein einziger langer Abschied. Es ist ein meisterhaft verwobenes Stück, eine emotionale Achterbahnfahrt mit vielen berührenden, entschleunigten Passagen tiefer Melancholie und heftigen Ausbrüchen.

Zu Beginn steht im ersten Satz eine Art Seufzermotiv als Verlustausdruck, bei dem biografische Lebensmomente Mahlers nicht ausgeschlossen werden können. Impulsive Steigerungen werden klangstark aufgebaut und oftmals abrupt aufgelöst. Sanfter ist der zweite Satz mit seinen verschiedenen Tanztypen. Der dritte Satz in a-Moll beeindruckt mit seiner konzentrierten Polyfonie. Der abschließende 4. Satz in Des-Dur chargiert zwischen leidendem Melos und sanfter Ruhe.
Alban Berg soll die 9. als „das Herrlichste, das Mahler geschrieben hat“ empfunden haben. Herbert Blomstedt und die Bamberger Symphonikern gehen auf dieser Doppel-CD Mahlers zerrissenen Klanglandschaften prägnant und subtil nach. Eine Aufnahme, für die sich Zeit genommen werden sollte.

Markus Gründig, Juni 19


Herbert Blomstedt / Bamberger Symphoniker: Gustav Mahler ~ 9. Sinfonie D-Dur

I – Andante comodo
ll – lm Tempo eines gemächlichen Ländlers„ Etwas täppisch und sehr derb
III – Rondo – Burleske. Allegro assai. Sehr trotzig
IV – Adagio

Veröffentlichungsdatum: 07.06.2019
Katalognummer: ACC30477
Booklet in Deutsch, Englisch und Französisch
Dauer: 83:29 (2 CD)
Accentus Music (accentus.com)