Bereits vor zehn Jahren war der US-amerikanische Tenor John Osborn an der Oper Frankfurt zu erleben. In der Titelrolle von Massenets Werther gab er sein Hausdebüt. Schon damals wurde auf dieser Webseite festgehalten: „seine starke Präsenz …seine warme, lyrische Tenorstimme verleiht der Figur großes Format… durchschlagskräftig und ausdauernd, feinfühlig und nuancenreich“…
Seine „betörenden Spitzentöne und tenoralen Schmelz“ führte er 2018 dann als Lord Arturo Talbo in Bellinis I puritani vor. Aktuell glänzt er als Éléazar in Fromental Halévys La Juive, die beiden letzten Vorstellungen in dieser Spielzeit sind am 11. und 14. Juli 24.
Bisher ist Osborn vor allem als großartiger Belcantosänger aufgefallen (auch an großen Häusern wie dem Royal Opera House Covent Garden in London und der Metropolitan Opera in New York). Dass er aber auch ein herausragender Liedinterpret ist, zeigte er jetzt bei einem Liederabend an der Oper Frankfurt.
Schon im Ankündigungs-Reel, dem „Sofa-Talk“ auf dem Instagram-Kanal der Oper Frankfurt, war seine Begeisterung für das Kunstlied zu spüren. Insbesondere für seine Favoriten aus dem deutschen Liedrepertoire, allen voran „Adelaide“ von Beethoven. Das kommt nicht von ungefähr. Denn er hat einen losen deutschen Bezug. Der Mädchenname seiner Mutter ist Görgen, der seiner Großmutter väterlicherseits Hinz.
Professionalität und Souveränität
Dass er sich seit langem mit dem Thema Liedgesang beschäftigt, unterstrich Osborn an diesem Abend mit hoher Professionalität und Souveränität. Er sang in vier Sprachen und sämtliche der insgesamt 21 Lieder frei von ausliegenden Noten. Dabei wirkte er glücklich, hier nun seine Freude über den Liedgesang mit dem zahlreich erschienenen Publikum, darunter auch Zuschauer von Außerhalb, teilen zu können.
Im ersten Programmteil widmete er sich dem deutschen Repertoire der Romantik. Hierfür wählte er populäre Lieder. Wie das eröffnende „Adelaide“ von Ludwig van Beethoven, gefolgt von vier Klassikern von Franz Schubert („Ständchen“, „Du bist die Ruh“, „Die Forelle“ und “Ganymed“). Hier gefiel besonders das geruhsame „Du bist die Ruh“, mit einem fast schon entrückten Ende.
Als Belcantosänger besticht Osborn natürlich mit der Strahlkraft seiner Stimme und schönen Spitzentönen. Gleichwohl zeigte er hier auch viele weitere Klangfarben und Nuancen auf, und wie stark er seine kräftige Opernstimme zurücknehmen kann. Ihm gelang ein imposantes Forte genauso wie ein inniges intensives Piano. Dabei wirkte er nicht angestrengt, stets sehr frei und natürlich.
Drei Lieder von Johannes Brahms beendeten den ersten Programmteil („O kühler Wald“, „O liebliche Wangen“ und „Botschaft“).
Spitzbübischer Charme
Tenöre mit ihren Spitzentönen sind nicht immer und überall beliebt. Oftmals müssen sie sich dem Vorwurf der Effekthascherei stellen. John Osborn bricht gewissermaßen eine Lanze für Tenöre. So liebenswürdig dezent und doch vor Hingabe brennend, nimmt er mit einem spitzbübischen Charme sehr für sich ein. Und überzeugt natürlich letztlich mit Leistung. Im zweiten Programmteil brachte er dezent sein schauspielerisches Können mit ein. Die Sieben spanische Volkslieder des Spaniers Manuel de Falla (dessen Sieben spanische Volkslieder) boten ihm dafür einen guten Rahmen. Hierbei zeigte er ariose Züge („Sequidill Murciana“), Coolness ( „Jota“), Sanftmut (Wiegenlied „Nana“) und Missmut („Canción“).
Den Liedern de Fallas folgte eine erlesene Auswahl des Franzosen Gabriel Fauré. Den offiziellen Abschluss bildeten drei Lieder des US-Amerikaners Ernest Charles. Der Schlusssong „Let My Song Fill Your Heart“ (Men Lied soll sein Herz erfüllen) fasst dann den Abend gewissermaßen zusammen: Mission geglückt!
Am Klavier stellte sich, hochkonzentriert, die italienische Pianistin Beatrice Benzi ganz in den Dienst von Osborn. Sie bot ihm einen dezenten Klangrahmen, der seiner Stimme großen Raum bot. Selbst bei expressiven Schlusstöne verzichtete sie auf Emphase.
Am Ende gab es nicht enden wollenden Applaus für beide und als Dankeschön vier Zugaben.
Markus Gründig, Juli 24
Den ersten Liederabend der Spielzeit 2024/25 wird die Mezzosopranistin Bianca Andrew am 10. September 24 gestalten (begleitet von Anne Larlee).
Die Zugaben:
- Gaetano Donizetti (1797-1848): Arie des Nemorino „Una furtiva lagrima“ aus L’elisir d’amore (1832)
- Victor Herbert (1859-1924): Arie des Captain Barry O’Day „Thine alone“ aus Eileen (1917)
- Giacomo Puccini (1858-1924): Arie des Rodolfo „Che gelida manina“ aus La Bohème (1896)
- Gaetano Donizetti (1797-1848): Arie des Tonio „Ah, mes amis“ aus La fille du régiment (1840)
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