Altersrevue »Ewig jung« bei den Burgfestspielen Bad Vilbel

Ewig jung ~ Burgfestspiele Bad Vilbel ~ Ensembe ~ © Eugen Sommer

Hair, Saturday Night Fever oder Flashdance, meist sind es junge Menschen, die im Zentrum von Musicals stehen. Da ist es geradezu verständlich, auch einmal ältere Menschen in den Fokus zu rücken. Genau das hat der schwedisch-schweizerische Autor, Regisseur und Komponist Erik Gedeon mit seiner Revue Ewig jung getan. Diese erblickte im Januar 2001 im Hamburger Thalia Theater unter dem Titel Thalia Vista Social Club das Licht der Welt. Mittlerweile wird das Stück landauf, landab regelmäßig inszeniert. Der Inhalt ist schnell erzählt: Sechs stark gealterte und in einem Altersheim lebende Schauspieler:innen verbringen einen gemeinsamen Abend. Mit bekannten Hits aus Folk, Pop und Rock werden bei Ihnen Erinnerungen an vergangene Tage wach.

Ewig jung
Burgfestspiele Bad Vilbel
Ensembe
© Eugen Sommer

Bevormundung, Gewalt und unflätige Witze

Das Leben im Alter, und erst recht im Altersheim, ist nicht einfach. Neben körperlichen Gebrechen kommen Bevormundung, Gewalt, platte und unflätige Witze dazu. Zumindest bei den sechs Schauspieler:innen auf der Bühne der Bad Vilbeler Festspiele. Nachdem sie unter dem Festmarsch aus Richard Wagners Oper Tannhäuser nacheinander in den auf der Bühne angedeuteten Theatersaal (Ausstattung: Claus Stump) gekommen sind, harren sie sitzend der Dinge, die da kommen. Was bedeutet, bis die unsensible, auf High Heels laufende Krankenschwester Vera (Vera Lorenz) singend („Wir klatschen in die Hände“, aber auch „Sterben, dahinsiechen und verrecken“) ihre makabren Runde gedreht hat und sie endlich wieder unter sich sind. Dann kommen die Eigenheiten der Einzelnen hervor. Mit der Kraft der Musik erinnern sie sich an vergangene, bessere Tage. Dazwischen sticheln sie sich gegenseitig verbal und körperlich. Die Krankenschwester wird kurzerhand abgeknallt. Da sie nach dem ersten Schuss noch lebt, folgt ein zweiter. Aber die Gang hat die Rechnung ohne Schwester Vera gemacht, die steht dann doch einfach wieder auf.

„..-Fotze“ ist das an diesem Abend meist gesprochene Wort. Im hohen Alter ist man scheinbar auch nicht vor dem Tourette-Syndrom gefeit. Unter der Regie von Katrin Herchenröther sorgt die Alterstruppe mit grotesk anmutenden Szenen für viele Lacher im Publikum, je platter die Witze, umso besser. Wie beispielsweise bei Frau Luboschs Rückblick auf die wilde Zeit ihrer Jugend: Die damaligen Piercings an Eichel und Klitoris sorgen heute bei den Betroffenen für Probleme mit dem Katheder. Bilder, die sich nicht unbedingt alle im Publikum vorstellen wollen.

Ewig jung
Burgfestspiele Bad Vilbel
Ensembe
© Eugen Sommer

Fundament sind die sehr feinfühlig und leidenschaftlich vorgetragenen Songs

Alle auf alt getrimmte sechs Schauspieler:innen und die Krankenschwester Vera sind mit großen Eifer dabei und singen ihre Songs sehr feinfühlig und leidenschaftlich. Im Stück heißen sie wie im realen Leben. Jochen Kilian begleitet als musikalischer Leiter alle Lieder am Klavier. Bei „Buona sera signorina“ tritt noch Felix Freund am Saxofon dazu. Annette Lubosch gibt eine erhabene und scheinbar wohlhabende alte Dame, deren Blicke reichen, um zu töten. Sie wird ein wenig (erfolglos) umgarnt von Theodor Reichardt, dessen Goldfisch ein Opfer Freunds wird. Ein Paar bilden die dank blonder Haarperücke jünger wirkende Ruth Fuchs und Harald Schröpfer mit gelähmtem rechten Bein.

Des Rezensenten Meinung zum Trotz: Bei großen Teilen des Publikums kommt diese handlungsarme und anarchistisch angehauchte Altersrevue sehr gut an. Bei der besuchten Vorstellung sang es begeistert mit (nahezu ekstatisch bei Tom Jones´ „Sex Bomb“), klatschte zu einzelnen Songs und auch am Ende gab es große Beifallsbekundungen, gefolgt vom Protestlied „We Shall Overcome“ als Zugabe.

Markus Gründig, Juni 22


Ewig jung

Musikalische Komödie
Von: Erik Gedeon

Uraufführung: 10. Januar 2001 (Hamburg, Thalia Theater; unter dem Titel Thalia Vista Social Club)
Überarbeite Fassung (nunmehr unter dem Titel Ewig jung): 2. November 2007 (Dresden, Staatsschauspiel Dresden)

Premiere bei den Burgfestspielen Bad Vilbel: 18. Juni 22
Besuchte Vorstellung: 28. Juni 22

Regie: Katrin Herchenröther
Musikalische Leitung: Jochen Kilian
Choreografie: Kerstin Ried
Ausstattung: Claus Stump
Dramaturgie: Angelika Zwack
Regieassistenz: Joscha Zmarzlik

Besetzung:

Schwester Vera: Vera Lorenz
Herr Kilian: Jochen Kilian
Frau Lubosch: Annette Lubosch
Herr Reichardt: Theodor Reichardt
Herr Freund: Felix Freund
Herr Schröpfer: Harald Schröpfer
Frau Fuchs: Ruth Fuchs

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