Autor und Regisseur Alexander Eisenach thematisiert in seinem uraufgeführten Der große Kunstraub (DGKR) die Themen Raubkunst und kulturelle Aneignung. In einer für ihn typischen Einbindung von solistischer Live-Musik (Musik und Liva-Musik: Sven Michelson) und anspruchsvollem Live-Video (Video und Live-Video: Oliver Rossol) verpackt er den Diskurs über die gesellschaftliche wie individuelle Verantwortung darüber in eine turbulente Geschichte. Trotz der ernsten Thematik gibt es deshalb auch viel zu lachen.
Der ausgeklügelste und perfekte Raub
Die Verbindung seiner Stücke mit verschiedenen Genres ist gewissermaßen Eisenachs Markenzeichen. Wie bei Der Kalte Hauch des Geldes mit dem Western-Genre oder bei Eternal Peace mit dem Science Fiction-Genre. Beide wurden in den Kammerspielen des Schauspiels Frankfurt uraufgeführt. Seine neueste Arbeit zeigt Eisenach, einst Mitglied des Regiestudios am Schauspiel Frankfurt, jetzt in der Spielstätte Bockenheimer Depot (nur in diesem Monat!). Darin greift er auf das Heist Genre zu, also auf den ausgeklügelsten und perfekten Raub. Dabei geht er der Frage nach, welche Verbindungen es zwischen Kunst, Verbrechen und Kapital gibt.
Eine Gaunergruppe plant im Berliner Schloss („die umstrittenste Immobilie der Republik“) das „Weiße Kruzifix“ aus dem „Bernsteinzimmer“ zu stehlen. Parallel dazu wird es von einem Sonderkommando der Hessischen Polizei (Taskforce „Kunstraub – Sonderermittlung Kunst und Bedeutung“) gejagt.
Schichtung von Themen und Zeiten
Die im Bockenheimer Depot zur Verfügung stehende weite Spielfläche wird von Eisenach gut genutzt. Eingesäumt von Säulen mit Zeichnungen im Stil von Max Beckmann, werden die verschiedenen Bereiche wie Sitzgelegenheiten, ein Planungstisch und zum Ende hin der Clou der Diebesbande, ein riesiges trojanisches Pferd, eingeschoben (Bühne: Daniel Wollenzin). Spektakulär seilen sich Neumitglieder der Bande oder auch die auf Symiotik spezialisierte Sonderermittlerin von weit oben herab.
Eine Schichtung von Themen und Zeiten prägen diesen nicht linear verlaufenen Abend. Viele Fragen werden aufgeworfen. Was erzählt Kunst, was Theater? Was hat Raubkunst mit der eigenen Geschichte, der eigenen kolonialen Vergangenheit zu tun? Was bringt man ein? Gespielt wird stets mit sehr viel Elan und Leidenschaft. Das trägt die pausenlose 135-minütige Aufführung.
Christoph Pütthoff strahlt als langhaariger Bandenchef Deleuze (aka Lady Harnsworth), Caroline Dietrich gibt eine coole Gangsterin Foucault (aka Waynman Dixon aka Sofia Schliemann). Annie Nowak, die zuletzt Ende 2021 als schlaue Wicki im Schauspielhaus zu sehen war, glänzt als Derrida (aka Gottlieb Schumacher) mit viel Wissen und durchdachten Fragen. Die Decknamen der Gangster beziehen sich auf bekannte Philosophen bzw. Schriftsteller. Wie der Hemingway des Holger Stockhaus (aka für viel Lacher im Publikum sorgender Helmut Kohl, der die Eröffnungsrede für das Berliner Schloss hält; aka Otto Abetz aka Heinrich Schliemann). Sebastian Reiß schwitzt als gewiefter Hauptkommissar R. (aka Frances »Rio« Cortelli) an der Seite der gradlinigen Hauptkommissarin V. der Luana Velis (aka Luigi Grabar).
Was bringen wir ein? Was ist der Grund unseres Daseins? Wann ist der Schluss der Schluss? Viele Fragen, die einem nach diesem bewegenden Abend in die Nacht begleiten.
Viel freundlicher Applaus.
Markus Gründig, Februar 22
Der große Kunstraub (DGKR)
Von: Alexander Eisenach
Auftragswerk des Schauspiel Frankfurt
Premiere/Uraufführung am Schauspiel Frankfurt: 17. Februar 22 (Bockenheimer Depot)
Regie: Alexander Eisenach
Bühne: Daniel Wollenzin
Kostüme: Julia Wassner
Video: Oliver Rossol
Musik: Sven Michelson
Dramaturgie: Katrin Spira
Besetzung:
Deleuze aka Lady Harnsworth: Christoph Pütthoff
Foucault aka Waynman Dixon aka Sofia Schliemann: Caroline Dietrich
Derrida aka Gottlieb Schumacher: Annie Nowak
Hemingway aka Helmut Kohl: aka Otto Abetz aka Heinrich Schlieman: Holger Stockhaus
Hauptkommissar R. aka Frances »Rio« Cortelli: Sebastian Reiß
Hauptkommissarin V. aka Luigi Grabar: Luana Velis
Liva-Musik: Sven Michelson
Live-Video: Oliver Rossol
Statisterie/Tonangel: Emil Engelhardt
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