Cabaret
Burgfestspiele Bad Vilbel
Besuchte Vorstellung: 10. Juni 09 (Premiere)
Silvester1929/1930 in Berlin: Der 1. Weltkrieg ist halbwegs überwunden, doch steckt ganz Deutschland mitten in der ersten Weltwirtschaftskrise. Erste Anzeichen für große politische Veränderungen sind zunehmend erkennbar. Doch von der sich ankündigenden braunen Bedrohung ist im heißesten Berliner Amüsierbetrieb, dem „Kit-Kat-Club“, nichts zu spüren. Hier ist die Welt in Ordnung, lassen sich Alltagssorgen und Nöte, zumindest für die Dauer des Besuchs, vergessen.
Erwachender Nationalsozialismus, zwei Liebesbeziehungen und nur leicht bekleidete Tänzerinnen (nebst bissig bösem Conférencier): das Musical „Cabaret“ vereint diese Themen zu einem hochexplosivem Unterhaltungspotpourri. Hatte es nach seiner deutschsprachigen Erstaufführung (Wien, 1970) noch mit Ressentiments zu kämpfen, begann spätestens mit der erfolgreichen (und leicht abgewandelten) Filmversion von Bob Fosse (1972), mit Liza Minnelli in der Rolle der Sally Bowles, der Triumphzug von „Cabaret“. Seitdem ist es ein überaus beliebtes Stück, gerade auch bei Freilicht-Theatern.
Bei den 23. Burgfestspielen Bad Vilbel inszeniert Egon Baumgarten diesen Klassiker voller Esprit und leidenschaftlichen Darstellern, in deren Mittelpunkt die großartige Britta Balzer als Sally Bowles steht. Aus dem übergroßen Schatten der Liza Minelli spielt und tanzt sie sich schnell heraus und bezaubert mit einem gekonnten Mix aus heißblütigem Charme und Frivolität. Dazu passt das leicht tiefe Timbre ihrer Stimme bestens. Der bekannte Hauptsong „Cabaret“ gerät ihr zum absoluten Höhepunkt: feurig und voller Leidenschaft. Das es auf der Bühne ordentlich knistert ist auch Verdienst der vier Kit-Kat Girls (Natalya Bogdanis, Nicole Gütling, Mareike Hüsing, Manja Kloss), für die Mecki Fiedler ausgefallene Choreografien entworfen hat.
Alen Hodzovic gefällt als Sallys zurückhaltender Freund Cliff. Für berührende Augenblicke sorgen immer wieder Marina Edelhagen (als besorgte Fräulein Schneider) und Michael Hiller (als fideler Obsthändler Herr Schulz), insbesondere bei dem Ananas-Song („Nichts wäre mir so lieb“). Sissy Staudinger fegt gut aufgelegt als dem Vaterland dienende und liebessüchtige Fräulein Kost über die Bühne (demnächst ist sie zudem mit Ihrem Zarah Leander Solo im Spätprogramm der Burgfestspiele zu erleben). Sebastian Coors und Tim Ludwig geben unter anderem Fräulein Kosts Vergnügungspartner. Thomas Schweins` Ernst Ludwig ist voller Begeisterung und Lebendigkeit, verkörpert aber auch die dunklen Seiten dieser Rolle intensiv. Eingerahmt und erzählend unterstützt wird die Geschichte von einem eigensinnigen Conférencier. Hier besticht Matthias Pagani, der als Conférencier mit einem lahmen Bein zu kämpfen hat, seine Anzüglichkeiten und Biss jedoch noch lange nicht verloren hat.
Zwischen der Welt des Kit-Kat-Clubs und der Welt der Pension Schneider wird mittels zweier kleiner Drehbühnen an den Seiten gewechselt (Ausstattung: Thomas Pekny), auf denen mit wenigen Requisiten die Szenerie angedeutet wird. Die Mitte bleibt stets frei. Im hinteren Bereich ist erhöht immer wieder die Band zu sehen, die unter der Leitung von Thomas Lorey den Sound der Zeit mit viel Verve spielt, inklusive den das Stück prägenden bedrohlichen Klängen.
Markus Gründig, Juni 09
SPAMALOT
Musical Dome Köln
Besuchte Vorstellung: 25. Januar 09 (Premiere)
Auf, auf nach Köln
Mit einem Feuerwerk an Witzen wartet die erste große neue Musicalproduktion des Jahres 2009 auf: Monty Pythons SPAMALOT – Das schrägste Musical der Welt. Die „liebevoll geklaute“ Handlung stammt vom Monty Python Filmklassiker „Die Ritter der Kokosnuss“ (im Original: „Monty Python and the Holy Grail“). Der an „Camelot“ (King Arthurs sagenhafter Ritterfestung) angelehnte Titel kann durchaus doppelsinnig verstanden werden. Schon im Film heißt es „Wir essen ham, und jam und Spam a lot“, wo auf die amerikanische Dosenfleischmarke „Spam“ Bezug genommen wird. Im Zeitalter des Internets steht Spam freilich auch für unerwünschte Werbe-E-Mails. Bei SPAMALOT wird „a lot of spam“ zum Synonym für zwei Stunden musikalische und spaßige, pythoneske Unterhaltung, ohne größere Fragen nach einem tieferen Sinn.
Das Musical wartet mit knallig bunten Bühnenbilder und ebensolchen Kostümen auf und beweist, dass es keiner großen Technikgigantomie bedarf, um beim Publikum anzukommen. Das frühe Mittelalter lebt hier in 3D-Optik auf, mit sich bewegenden Burgen, Stadttoren und einer Camelot-Festung im besten Las Vegas Stil. Ein geheimnisvoller Wald und ein tiefblauer See sorgen für mystische Atmosphäre, überdimensionale Füße und eine große Hand schweben vom Bühnenhimmel herab, an dem viele Wölkchen dahin schweben. Stimmungsvoll und plakativ ist die Beleuchtung, die Broadwaybühne glänzt mit umsäumten Lampen, die Bäume im Wald funkeln grün schimmernd auf, die finale Hochzeitsburg Camelot ist mit rosa Herzchen zur „drive up love chapel verwandelt, über die vier Engelchen wachen (Bühnenbild und Kostümdesign: Tim Hatley). Dezent (und nur auf kleinen Flächen) werden Videosequenzen eingesetzt und machen so die Inszenierung zu einem Sammelsurium unterschiedlicher Stile, wiederum ganz dem Film entsprechend (Videoprojektionen: Elaine J. McCarthy).
Als Erzähler konnte Prof. Dr. Alfred Biolek gewonnen werden, der vom Bühnenrand her die Geschichte erläutert. Als Stimme Gottes ist eine Imitation des Literaturkritikers und Fernsehpreisverweigerers Marcel Reich-Ranicki zu hören (Jörg Knör). Wie Reich-Ranickis Urteil über diese Blödeleien wohl ausfallen würde?
Zu einem Klassiker wurde der Song “Always Look on the Bright Side of Life” bereits durch den Pyton-Film “Das Leben des Brian”. Kurzerhand wurde dieser Song in SPAMALOT integriert. Doch auch die anderen SPAMALOT-Songs haben absolute Ohrwurmqualitäten. Dabei klingen die unterschiedlichsten Stile an, von mittelalterlichen Flöten- und Lautenklängen, über Gospel und bayrischer Volksmusik bis hin zum brasilianischen Samba.
Und wie es sich für Monty Pyton gehört, wird beim eigenem Musical das Genre selber auch auf die Schippe genommen. So finden sich Anspielungen auf Anatevka, Wicked, Phantom der Oper, WestSide Story u.v.m. im Musical wieder. Die Unverzichtbarkeit jüdischer Produzenten am Broadway wird mit einem eigenem Song gewürdigt (dem Jinks-Song), der für die deutsche Produktion gering „entschärft“ wurde.
Bei den Darstellern ragt Michael Flöth als King Arthur famos hervor, Marco A. Bilep gibt, kräftig die Kokosnüsse klappernd, seinen treuen Diener Patsy. Dominik Schulz beweist als Sir Lancelot sein begnadetes Talent als Copacabana-Tänzer. In der Rolle des rosaroten Prinz Herbert singt sich Michael Kargus in das Herz des Publikums. Im Kreis der Ritter der Tafelrunde ist wenig Platz für Frauen und so gibt es nur eine weibliche Hauptrolle: Die Schöne aus dem Schilf. Die Rolle wird von der gebürtigen Niederländerin Amber Schoop grandios gegeben und gesungen. Für optische Leckerbissen sorgen zusätzlich scharfe Tänzerinnen in knappen Dessous.
Am Ende ist der Gral gefunden worden, doch nicht nur er, auch vier Herzen haben sich gefunden und so gibt es ein großes Finale. Das Publikum wird sich sicher nicht nur bei der Premiere mit Standing Ovations bei den Darstellern bedanken.
Wer mehr über King Arthur, Patsy, Sir Lancelot – der Tapfere, Sir Robin – der nicht so tapfer ist wie Sir Lancelot, die Schöne aus dem Schilf, dem Minnesänger Herbert, Noch-Nicht-Hin-Fred, Mrs.Galahad, Dennis und Sir Galahad sowie Killer Kaninchen und fliegenden Kühen erfahren will, sei ein Besuch des neuen Kölner Musical-Hits dringend empfohlen!
Markus Gründig, Januar 09
Hair
English Theatre Frankfurt
Besuchte Vorstellung: 22. November 08 (Premiere)
Mit Blick aus der Distanz
“Welcome Flower Power“ heißt es ab sofort im English Theatre Frankfurt. Schon im Treppenhaus trifft der Besucher auf in Kartons sitzende, nackte Darsteller. Schließlich war sexuelle Freizügigkeit ein wichtiges Ausdrucksmittel der 68er Generation. Doch keinen Schreck, die Darsteller sind nicht physisch da, es handelt sich nur um ein Foto der Cast aus der Münchener Produktion von 1968.
Regisseur Rayn McBryde hat im Vorfeld der Premiere im English Theatre Frankfurt bereits angekündigt, ein neues Licht auf „Hair“ zu werfen, nicht der „make love not war“- Folklore zu folgen, sondern mit einem kritischen Blick Bezüge zu der Zeit der Entstehung (1968) herzustellen. Und in der Tat zeigt er das Musical, das einst Geschichte geschrieben hat, auf den ersten Blick mit einer gewissen klinischen Kühle und Distanz.
Die persönliche (Liebes-) Geschichte von Berger, Claude und Sheila lässt er nur kurz aufleuchten, der Generationskonflikt mit den Eltern und der Protest gegen althergebrachte Hierarchien wird ebenso nur kurz angedeutet, wie auch die Sehnsucht nach einem neuen Lebensgefühl (mit Hilfe von Drogen) und nach neuen Lebensgemeinschaften (inklusive freien Sexleben). Innerhalb der letzten vierzig Jahren hat sich schon viel verändert. Im digitalen Zeitalter ersetzt virtuelles Leben die LSD-Erfahrungstrips von damals. So interessiert McBryde viel mehr, was hinter allem steckt. Den Schwerpunkt bildet ein politischer Blick, der zeitnah mit George W. Bush und Ajatollah Ruhollah Chomeini beginnt und schnell auf das Jahr 1968 in den USA übergeht, wo Martin Luther King, Robert F. Kennedy und vor allem der Vietnamkrieg beherrschende Themen waren.
Anders als im Original beginnt die Aufführung in einem New Yorker Krankenhaus, wo der inzwischen 61-jährige Berger im Sterben liegt. Seine Freunde besuchen ihn und singen ihm ein Lied aus seiner Jugend („Aquarius“). Hierdurch setzt bei ihm die Erinnerung an die damaligen Geschehnisse ein, die nun noch einmal Revue passieren. Im blauen Krankenhauskittel begleitet dieser Old Berger (mit modulationsreicher, kräftiger Stimme: Matt Harrop) barfüssig die Geschehnisse, die keiner stringenten Handlung folgen, sondern ein buntes Kaleidoskop widerspiegeln. Hier gilt es einfach jede Szene und jeden der zahlreichen Songs für sich zu genießen, große Dialoge gibt es ohnehin nicht. Die ausgefallenen Choreografien von Lizzi Gee setzt das Allroundensemble perfekt um. Wie sich insgesamt die junge britische Cast mit außerordentlichem Engagement und durchweg tollen Stimmen präsentiert. Peter Saul überzeugt als junger Berger, Josh Canfield gefällt als fabelhafter Claude (großartig sein „Manchester England“ und „I Got Life“), Alan Pearson gibt den etwas schrägen Woof mit einer herzlichen Note, Ellie Boswell eine selbstbewusste Sheila und Matthew J Henry einen soliden Hud. In kleineren Rollen und als Tribe Member sind dabei: Rosalind James, Carly Mercedes Dyer, Grant Murphy, Jacqui Sanchez, Stephan Sinclaire und Rebecca Wicking (bravourös als Margaret Mead mit „My Conviction“).
Gespielt wird überwiegend auf leerer Bühne (die für Projektionen viel helle Flächen/Streifenvorhänge beinhaltet), manchmal mit zwei Treppenpodesten, schwarzen Gefängnistürrahmen mit flexiblen Gitterstangen („Hair“) und natürlich dem Krankenbett von Old Berger. Für atmosphärische Stimmung und Ortsbezüge sorgt eine aufwendige Videotechnik, die über bloßes Projizieren weit hinausreicht. Matthias Michel hat aufwendig viel cineastisches und historisches Material aufbereitet und mit Technik von heute auf die Bühne „gestellt“ (so ziehen die Bilder mitunter sog-artig über die Rückwand). Das Bühnenbild wie auch die zahlreichen Kostümentwürfe stammen von Bob Bailey.
Erfrischend modern ist auch der musikalische Ansatz des Musical Supervisor/Arranger Andrew Hilton, den der musikalische Leiter Thomas Lorey mit einem kleinen Liveorchester brillant zu Gehör bringt.
Nacktszenen sorgten 1968 am Broadway für große Aufregung, dies heute zu zeigen, hätte nicht mehr eine solche Sprengkraft. Optische Leckerbissen gibt es aber dennoch einige, wenn auch nur immer für kurze Augenblicke (z.B. bei „Be-In/Hare Krishna“ und „Black Boys“).
Am Ende schließt sich der Bogen. Old Berger ist durch Raum und Zeit geflogen und kann nun mit Claude in eine neue Welt übertreten (mit Gänsehautfaktor: “Let the sunshine in“).
Beim ersten Zugabenmedley war das Premierenpublikum kaum noch zu halten (Gäste waren, neben vielen Sponsoren, u.a. Regisseur Wolfgang Kaus, Produktions-Patron Rainer Langhans, Opern Intendant Bernd Loebe, Moderatorin Sibylle Nicolai, US Generalkonsulin Jo Ellen Powell und Moderator Holger Weinert). Diese furiose Stimmung wird in Kürze schon bald auch während jeder Vorstellung im English Theatre das Publikum ergreifen, denn eins ist sicher: das Hair-Fieber wird schnell die Region ergreifen.
Markus Gründig, November 08
Little Shop of Horrors
English Theatre Frankfurt
Besuchte Vorstellung: 16. August 08 (Premiere)
Killerpflanzen erobern die Welt
Mit der Premiere von „Little Shop of Horrors“ eröffnete das English Theatre Frankfurt jetzt nicht nur seine neue Spielzeit 2008/09, sondern gleichzeitig die für die ganze Region (die anderen Häuser in Frankfurt, Darmstadt, Mainz und Wiesbaden eröffnen erst Ende August oder Anfang September die neue Theatersaison).
Als Auftaktstück wählte es einen Musicalklassiker, der mit seiner eingängigen Story (Howard Ashman) und fetziger Musik (Alan Menken, „Die Schöne und das Biest“) gewissermaßen ein Selbstläufer ist. Erarbeitet wurde diese Produktion vom Drama Club des Hauses unter der Leitung von Michael Gonszar, in Zusammenarbeit mit dem Gymnasium Oberursel (Schule mit musikalischem Schwerpunkt, Bilingualer Zweig Deutsch-Englisch).
Trotz seines Titels ist dieses Musical kein Grusical, keine finstere Tragödie noch bietet es puren Horror. Die Parodie auf den Horrorfilm der 1960er Jahre erzählt die Geschichte von Mushnik´s heruntergekommenen Blumenladen in der Skid Row (New Yorker East Side) und der sonderbaren Wandlung, die der Laden durch eine noch sonderbarere Pflanze erfährt.
Bühnenbildner Michael Neitzert hat New Yorker Atmosphäre auf die Bühne des English Theatre gestellt: Häuserkulissen mit großen Balkon und kleinen Fenstern, sowie dem obligatorischen Laden in naturalistischer Ausbildung und angedeuteter Zahnarztpraxis. Graffitischmierereien an den Wänden verdeutlichen, das die Glanzzeiten des Viertels lange vorbei sind. Auf den Gassen lungern Urchins (Gassenjungs) rum. Aus den eigentlich auf drei Charakteren beschränkten Schulmädchen Ronette, Chrystal und Chiffron wurde hier ein ganzes Ensemble renitenter Schulmädchen. Um die Trostlosigkeit der Szenerie auch gefühlsmäßig vermitteln zu können, platzierte Regisseur Michael Gonszar eine fast fünfzehnminütige Trommelszene der Urchins vor die Ouvertüre. Die Eröffnungsnummer „Little Shop of Horrors“ kommt noch zurückhaltend daher, mit schwachen Stimmen im Chor (nicht alle tragen Mikroports) und teilweise unsynchronen Bewegungen. Doch von Song zu Song wird die Leistung der von André Koschyk einstudierten Choreographien perfekter und auch die vokale Zurückhaltung verschwindet.
Die sängerische und darstellerische Leistung der vier Hauptdarsteller ist dagegen durchweg famos. Drei von Ihnen sind ehemalige Schüler des Gymnasiums Oberursel und zwei studieren heute an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Frankfurt und der Bayerischen Theaterakademie August Everding. Anna Müllerleile verleiht der blond getrimmten Audrey I all die nötige Einfalt und Herzenswärme, die die Rolle erfordert (besonders innig ihr „Somewhere That’s Green“, zu der die Mädchen Buchsbaumkugeln, Kochtöpfe und Bügeleisen auftragen). Robin Rohrmann ähnelt optisch mit seiner Hornbrille, Weste und Cordhose ein wenig Harry Potter, er vermittelt die Rolle des verklemmten Seymour großartig und beweist zudem tänzerisches Geschick bei seiner Tanzeinlage mit Vater Mushnik (souverän: James Morgan). Sebastian Polag sorgt als herrlich schmieriger und vor allem neurotischer Zahnarzt Orin für große Sympathie beim Publikum. Am Ende großer Applaus für alle an dieser Produktion beteiligten Personen auf und hinter der Bühne und, nicht zuletzt an den bei der Premiere anwesenden Hessischen Kultursminister Jürgen Banzer gerichtet, der Hinweis von Michael Gonszar, das Schule und Theater funktioniert, sich Bildung nicht nur an aktuellen Studien messen lässt, sondern auch Kooperation und Vertrauen bewirken kann. Vorstellungen im English Theatre Frankfurt laufen nur noch bis zum 29. August 08.
Markus Gründig, August 08
Jekyll & Hyde
Burgfestspiele Bad Vilbel
Besuchte Vorstellung: 11. Juni 08 (Premiere)
Im vergangenen Jahr startete das Musical „Jekyll & Hyde“ seinen bundesweiten Triumphzug mit Produktionen in Chemnitz, Tecklenburg, Bielefeld, und Saarbrücken. Die Inszenierungsbegeisterung der Stadt-, Landes- und Staatstheater setzt sich dieses Jahr mit Produktionen in Dresden, Bad Hersfeld und Bad Vilbel fort (weitere werden folgen). Leslie Bricusse hat um die bekannte Figur des Dr. Jekyll eine für jedermann verständliche Geschichte geschrieben, Frank Wildhorn („The Scarlet Pimpernel“, „Dracula“ ) komponierte dazu Songs voller Leidenschaft und tiefer Gefühle, die konträr zur schauerlichen Handlung stehen. Kein Wunder also, dass sich die Häuser um die Aufführungsrechte reißen, auch wenn manche die Musik als „weichgespülten Horror“ (Thomas Siedhoff) bezeichnen. Beim Publikum kommt das Musical an und auch die Inszenierung der Burgfestspiele Bad Vilbel wird dafür sorgen, dass der Fankreis dieses Musicals weiter anwachsen wird.
Eine große Ausstattung weist die Bühne von Thomas Pekny dabei noch nicht einmal aus. Sie ist schlichtweg sehr reduziert und nüchtern gehalten. Eine Vielzahl an Türen auf den Seiten und der Mittelbühne sind die beherrschenden Elemente. Je nach Frontansicht stehen sie mal für das noble Zuhause des Doktor Jekyll oder für die dunkle Welt des Edward Hyde. Hinter diesen Türen lauert die Versuchung und das Böse, in Form von leichten Mädchen, zwielichtigen Unterweltgestalten und scheinheiligen Wohlstandsbürgern.
Regisseur Egon Baumgarten hat die Geschichte optimal für die Burgfestspiele umgesetzt. Mit intelligenter Personenführung gibt er den Protagonisten genug Raum, sich in ihrer Gefühlsnot zu präsentieren und großes Format zu entwickeln. Hervorragend gelöst sind ebenso die groß angelegten, begeisternden Ensemblenummern (Choreografie: Angela Hercules-Joseph). Als musikalischer Leiter ist dieses Jahr erneut Thomas Lorey tätig. Mit spürbarer Begeisterung sorgt er mit dem (für die Verhältnisse) großen Festspielorchester für prächtige Klänge, einen satten Sound und feinfühlige solistische Einlagen.
Ein starkes Ensemble, mit einem bravourösen Alexander Di Capri im Mittelpunkt, führt die Zuschauer für knapp drei Stunden (inklusiv Pause) in eine andere Welt. Eine Welt, die den Alltag vergessen lässt, wo bislang zurückgehaltene Sehnsüchte eine Stimme bekommen und Leidenschaft erglüht. Womanizer Alexander Di Capri gibt die Doppelfigur des Jekyll/Hyde authentisch, mit viel Charisma, schier unbändiger Energie und nicht zuletzt mit großer Stimme. Für bewegende Momente sorgt auch die junge Anne Hoth als Lucy und Eva Aasgaard in der Rolle der Verlobten (Lisa).
Einen Aufführungsbesuch in der romantischen Atmosphäre der Bad Vilbeler Wasserburg sollte sich kein Musicalfan entgehen lassen.
Markus Gründig, Juni 08