K.D. Schmidt zeigt Horváths » Geschichten aus dem Wiener Wald« am Staatstheater Mainz stark stilisiert

Geschichten aus dem Wiener Wald ~ Staatstheater Mainz ~ Ensemble ~ © Andreas Etter

Walzerklänge und Zithermusik umgeben die Geschichten aus dem Wiener Wald, die der leitende Regisseur K.D. Schmidt im Kleinen Haus des Staatstheater Mainz inszeniert hat und mit der die neue Spielzeit der Schauspielsparte eröffnet wurde (im Kleinen Haus). Doch die Musik täuscht nur ein Gefühl von Harmonie und Glück vor, das Leben selbst ist hart und tragisch. Ödön von Horváths 1931 uraufgeführtes Volksstück ist eine bitterböse Gesellschaftssatire. Am Ende findet zwar ein Paar zusammen, von einem wirklichen Happy End kann aber nicht gesprochen werden.

Für seine Inszenierung entschied sich K.D. Schmidt für eine stark stilisierte Umsetzung. Die Figuren sind hierbei eindimensionale Typen, keine Charaktere die sich entwicklen. Hinter dem Verzicht von Naturalismus und Realismus steht der Gedanke, „den Kampf des Bewusstseins gegen das Unterbewusstsein zu zeigen“, wie hierzu im Programmheft Horváth selbst zitiert wird („Gebrauchsanweisung für meine Stücke“). Die Folge ist ein Abend, der trotz einiger schöner Bilder, kühl und auf Distanz bleibt.


Geschichten aus dem Wiener Wald
Staatstheater Mainz
Alfred (Daniel Mutlu), Oskar (Sebastian Brandes), Valerie (Anna Steffens)
© Andreas Etter

Die Bühne von Maren Greinke ist äußerst schlicht, dabei dennoch gefällig. Vom Grundaufbau ist sie alle drei Teile über leer. Bilder der „stillen Straße“ im 8. Bezirk von Wien, vom Wiener Wald und der Wachau werden großflächig auf die gesamte Bühnenbreite projiziert. Vom Schnürboden kommen, einem Mobile gleich und in Anlehnung an Fahrgeschäfte des Wiener Praters und die Zeit der Uraufführung, an langen Stangen Sehnsuchtsobjekte wie ein Zeppelin, ein Haus, ein Pferdchen und Engelsputten herab. Unterschiedliche Orte werden zusätzlich durch Einsatz der Hubpodien dargestellt. An die Zeit der Uraufführung angelehnt sind die Kostüme von Maren Geers.


Geschichten aus dem Wiener Wald
Staatstheater Mainz
Marianne (Kruna Savić), Conférencier (Denis-Larisch)
© Andreas Etter

Zahlreiche Nebenfiguren wurden gestrichen, dafür gibt es einen Conférencier, der die Regieanweisungen des Dramas spricht (sehr präsent, mit roten geglätteten Haaren und in einem einfachen Rock: Denis Larisch). Er übernimmt auch einige der kleineren Rollen.
Die junge Frau Marianne, um die sich alles dreht, gibt Kruna Savić. Sie wirkt weniger jugendlich als bereits verhärmt. Wenn sie spricht, denkt man, eine reife Frau zu hören. Den Teil vor der Pause beendet sie mit einer lautstarken Deklamation von „Lieber Gott, was hast du mit mir vor?“. Nachdem sie sich einmal falsch entschieden hat, scheint sie, was weitere Entscheidungen anbelangt, recht passiv.
Der Alfred des Daniel Mutlu ist zwar kein Karrieremensch, vielmehr ein windiger Betrüger und ein Rüpel gegenüber seiner Großmutter. Dass alle Frauen auf ihn abfahren, nun, dafür kann er ja wirklich nichts. Die bösartige Großmutter gibt, mit stark gekrümmtem Körper auf zwei Stöcken fast wie eine Spinne laufend, Martin Herrmann. Murat Yeginers Zauberkönig zeigt sich seiner Tochter gegenüber unerbittlich, der mit guter Menschenkenntnis ausgestatteten Trafikantin Valerie (vielseitig: Anna Steffens) gegenüber als Lüstling. Teils in Badehose, teils in Uniform, lässt sich der angehende Jurist und Jungnazi Erich des Simon Braunboeck auf ein Verhältnis mit Valerie ein. Johannes Schmidt tritt als machohafter Rittmeister auf, Lorenz Klee als fast schon als rein protokollierender Havlitschek. Ähnlich auch der Oskar des Sebastian Brandes, dem schon mit seiner Sturmfrisur und den hochgezogenen Schultern die Groteske eines Ahnungslosen ins Gesicht geschrieben ist (er ist alles anderes als ein brutaler Fleischhauer). Seine fortdauernde Liebe gegenüber Marieanne, „Du wirst meiner Liebe nicht entgehen“, kann auch als Bedrohung gedeutet werden.

Am Ende viel Applaus für diese aparte Umsetzung, ein einziger Buhruf.

Markus Gründig, September 19


Geschichten aus dem Wiener Wald

Von: Ödön von Horváth (1931)

Premiere am Staatstheater Mainz: 8. September 19 (Kleines Haus)

Inszenierung: K.D. Schmidt
Bühne: Maren Greinke
Kostüme: Maren Geers
Musik: Christoph Iacono
Dramaturgie: Boris C. Motzki
Licht: Frederik Wollek

Besetzung:

Marianne: Kruna Savić
Alfred: Daniel Mutlu
Oskar: Sebastian Brandes
Zauberkönig: Murat Yeginer
Rittmeister: Johannes Schmidt
Valerie: Anna Steffens
Erich: Simon Braunboeck
Havlitschek: Lorenz Klee
Großmutter: Martin Herrmann
Conférencier u.a.: Denis Larisch

staatstheater-mainz.de