

Er gehört zu den großen amerikanischen Schriftstellern: Arthur Miller (1915 – 2005). Vor allem seine frühen Werke zählen zu den modernen Klassikern im Theaterbetrieb. Darunter auch das nicht ganz so häufig gespielte Ein Blick von der Brücke. Für das Schauspiel Frankfurt inszenierte es zuletzt Florian Fiedler im Mai 2011 in den Kammerspielen (Besprechung). Die aktuelle Neuinszenierung ist im Schauspielhaus zu sehen. Damit gibt der niederländische Regisseur Eric de Vroedt sein Debüt am Haus. Erzählt wird die Geschichte vom sizilianischen Einwanderer Eddie Carbone und seiner Frau Beatrice (nebst der fast erwachsenen Ziehtochter Catherine). Deren Leben gerät durch die illegale Einreise von zwei Cousins Beatrices aus dem Ruder.
De szenische Setzung ist mit ihrem Arena-Charakter spektakulär. Teile des Publikums sitzen auf zwei schräg positionierten Tribünen auf der Bühne. In der Mitte ein in hoffnungsvollem Grün getauchte große viergliedrige Sitzlandschaft, in der um das Leben gerungen wird. Sie kann vielfältig interpretiert werden und wird im Laufe der pausenlosen 2-stündigen Aufführung mehrfach neu arrangiert (ohne das dies eine wirkliche Veränderung mit sich bringt), wie als Wohnblöcke im New Yorker Red Hook Viertel (Brooklyn) oder als Zimmer im Haus der Carbones.

Schauspiel Frankfurt
Ensemble
Foto: Birgit Hupfeld
Zu Beginn fühlen sich Zuschauer:innen an Jan Bosses Inszenierung von Shakespeares Richard III. erinnert (bei der es auf der Bühne drei Tribünen um einen zentralen Aschenberg gab). Oder auch an Alexander Becks Inszenierung von Ein Blick von der Brücke im Theater Alte Brücke vom März 2017, bei der das Publikum auch um die Spielfläche herum saß (Besprechung). Alle Darsteller sind die ganze Aufführung über im Bühnenraum anwesend. Wenn nicht aktiv spielend, stehen sie am Rand oder sitzen vor der Rückwand. Von dort sind sie zusätzliche Betrachter des Geschehens. Ihr Porträt wird von dort auf zwei Bildschirme übertragen (was allerdings keinen besonderen Mehrwert bringt; Bühne: Dennis Vanderbroeck).

Schauspiel Frankfurt
Catherine (Nina Wolf), Marco (Omar El-Saeidi)
Foto: Birgit Hupfeld
André Meyer gibt den gutmütigen, aber auch zunehmend jähzornigen matriarchalischen Hausherrn Eddie Carbone, der sich mehr in seine Ziehtochter verliebt hat, als ihm das selbst bewusst ist. Mrs Alfieris Schlussplädoyer weist darauf hin, dass er trotz alledem eine reine Seele hatte. Denn er gab sich so, wie er war (ganz im Gegensatz zu den „normalen“ Menschen).
Christina Geiße als seiner Frau Beatrice, ohne eigenem Einkommen, spürt das sehr wohl, zumal ihr gemeinsames Liebesleben seit längerem ruht. Nina Wolf ist eine kecke Catherine, die sich vom Mädchen zur jungen Frau wandelt. Ein Sizilianer mit blonden Haaren ist schon für sich gesehen kurios, und dann tanzt, musiziert und kocht er auch noch, der arg unbekümmerte Marco des Omar El-Saeidi. Wesentlich bodenständiger ist da der sich für seine Familie in der Heimat abrackernde Rodolpho des Arash Nayebbandi. Die Figur der Anwältin Mrs Alfieri, überlegen: Heidi Ecks) fungiert mit ihren Kommentaren als eine Arte griechischer Chor (und hat schon zu Beginn das finale Tatmesser als Beweismittel in einem Kunststoffbeutel bei sich).
Zum Schluss weist sie darauf hin, dass Kompromisse zwar nicht ideal, aber unvermeidbar sind, will man Schlimmeres verhindern. Das kann auch als ein loser Wink auf die anstehende Bundestagswahl verstanden werden. Bevor das Bühnenlicht erlischt wacht Eddie auf und kuschelt sich an Beatrice. War alles nur ein Traum?
Markus Gründig, Januar 25
Ein Blick von der Brücke
(A View from the Bridge)
Drama in zwei Akten
Von: Arthur Miller (1915 – 2005)
Uraufführung: 29. September 1955 (New York, Coronet Theatre, heute: Eugene O’Neill Theatre)
Neuübersetzung von: Alexander F. Hoffmann / Hannelene Limpach
Premiere am Schauspiel Frankfurt: 18. Januar 25 (Schauspielhaus)
Regie: Eric de Vroedt
Bühne: Dennis Vanderbroeck
Kostüm: Lotte Goos
Mitarbeit Kostüm: Katharina Kraaz
Musik: Remco de Jong, Florentijn Boddendijk
Dramaturgie: Alexander Leiffheidt
Licht: Marcel Heyde
Besetzung:
Eddie Carbone: André Meyer
Beatrice Carbone: Christina Geiße
Catherine: Nina Wolf
Marco: Omar El-Saeidi
Rodolpho: Arash Nayebbandi
Mrs Alfieri, Anwältin: Heidi Ecks
Zwei Beamte der Einwanderungsbehörde: Konstantinos Bikakis / Cosmo Hahn / Daniel Hartlaub (Statisterie)