Fesselnde »Hexenjagd« am Staatstheater Mainz

Hexenjagd ~ Staatstheater Mainz ~ Betty Parris (Charlotte Wollrad), John Proctor (Daniel Mutlu), Reverend John Hale (Julian von Hansemann) ~ © Andreas Etter

Arthur Miller gilt als einer der bedeutendsten US-amerikanischen Dramatiker. Mit seinen gesellschaftskritischen Stücken strebte er moralisch-ethische Veränderungen an. Nach Der Tod des Handlungsreisenden ist das vieraktige Drama Hexenjagd sein am zweithäufigsten gespieltes Werk. Das es jetzt auf dem Spielplan des Staatstheater Mainz steht, ist angesichts der Wahlerfolge der Rechtspopulisten kein Wunder. Entstanden ist es als Reaktion auf die Kampagne der US-amerikanischen McCarthy-Bewegung, die in der Zeit des Kalten Krieges manipulativ gegen linke Bewegungen vorging. Zudem nahm Miller Bezug auf die im 17. Jahrhundert in der Ortschaft Salem („The Witch City“; nördlich von Boston/Massachusetts gelegen) stattgefundenen Hexenprozesse. Ein von Machthunger, Angst und Habgier geschürter Massenwahn und eine Kollektivhysterie sorgen für Intoleranz und Unterdrückung Andersdenkender, wodurch das Drama auch ohne tagespolitische Bezüge nach wie vor aktuell ist.


Hexenjagd
Staatstheater Mainz
Abigail Williams (Lisa Eder), Betty Parris(Charlotte Wollrad), Mercy Lewis (Larissa Fichtner), John Proctor (Daniel Mutlu), Mary Warren (Elena Berthold)
© Andreas Etter

Die Mainzer Neuinszenierung von Regisseur Alexander Nerlich überrascht durch ihre Raumlösung und ihre traditionelle Umsetzung, der dennoch ein moderner Habitus anhaftet. Ähnlich wie bei der Romeo und Julia-Inszenierung von Marius von Mayenburg (Bochum/Frankfurt), befinden sich auch bei dieser Hexenjagd die Hälfte der Zuschauerplätze auf der Bühne (wofür dort eine große Tribüne errichtet wurde). Allerdings sind die Zuschauerblöcke in Mainz nicht von einer Mauer voneinander getrennt.
Umrahmt von dunklen Holzlatten und je zwei Spiegeln nebst Waschbecken an den Seiten, ist die Spielfläche lediglich ein Podest mit vorgelagerten Stufen an jeder Seite. Die anfangs darauf stehende vierseitige Holzfassade eines einfachen Hauses (mit leuchtenden Kreuzen an den Giebeln auch als Kirche zu deuten) kann in den Schnürboden hochgezogen werden, um dann mit einem Bett das Pfarrhaus oder mit Tisch und zwei Stühlen die Behausung der Familie Procter darzustellen. Ein seitlich positionierter einfacher Hochsitz verwandelt die schlichte Szenerie ab dem 3. Akt in einen Gerichtssaal.
Aus der Unterbühne fährt immer wieder ein „Mystery Raum“ hoch, ein Ort in dem die Bewohner alptraumhaft ihre Spiegelbilder erkennen und der später das Gefängnis für die Eheleute Procter ist (Bühne: Wolfgang Menardi). Klassisch sind auch die strengen puritanischen Kostüme, vor allem die schwarzen, hoch geschlossenen Kleider der jungen Mädchen und der Frauen. Lediglich die reine Seele, die elffache Mutter Rebecca Nurse (autark und einfühlsam: Andrea Quirbach) trägt ein weißes Kleid (Kostüme: Zana Bosnjak).
In den seitlichen Spiegeln erscheinen geisterhafte Spiegelbilder. Gemeinsam mit dezenten Klangzuspielungen (Musik: Malte Preuss) zaubern sie eine zwielichtige Atmosphäre hervor.


Hexenjagd
Staatstheater Mainz
Danforth (Anna Steffens)
© Andreas Etter

Die von Miller prägnant charakterisierten Figuren werden vom Ensemble des Staatstheater Mainz eindringlich gespielt. Den bigotten und fanatischen Reverend Parris gibt mit unnachgiebiger Härte Alexander Finkenwirth, den um Gerechtigkeit kämpfenden aber sich mehr und mehr fügenden Reverend John Hale mit starker Präsenz Julian von Hansemann. Lisa Eder verleiht der grundbösen und verdorbenen Abigail Williams eine fast schon gespenstische Aura. Intensiv gibt Elena Berthold das Dienstmädchen Mary Warren. Im Verlauf des Stücks rücken ihre Dienstherren immer stärker in den Mittelpunkt: Das standhafte Ehepaar John und Elisabeth Procter (facettenreich: Daniel Mutlu und besonnen: Kruna Savić). Den Oberrichter Danforth gibt hier als Stellvertreterin des Gouverneurs mit Anna Steffens eine Frau. Das passt zwar nicht zur Historie, aber Steffens macht das mit großer Intuition für Situationen, mit viel Empathie und rigoroser Härte grandios. Als Nebenschauplatz ist zwischen ihrer Danforth und Mr. Procter ein dezentes Knistern zu erleben.
Dazu fügen sich stimmig ein: Larissa Fichtner (Mercy Lewis), Orlando Klaus (Ezekiel Cheever), Klaus Köhler (Thomas Putnam) und Leoni Schulz (Mrs. Ann Putnam). Bei einer Bühnenprobe verletzte sich die Darstellerin der Betty Parris (der Tochter des Reverend), sodass bei der Generalprobe und bei der Premiere die für die Choreografie zuständige Cecilia Wretemark die Rolle übernahm. Ein Glücksfall, denn die Rolle der Betty hat weniger Text als vor allem viel Bewegung. Ab der zweiten Vorstellung (17. Dez.) wird dann Charlotte Wollrad wieder in die Produktion einsteigen.

Die dreistündige Aufführung, mit einer Pause, ist durchweg fesselnd, zu keiner Zeit langatmig. Die Premierenvorstellung dauert wegen eines medizinischen Notfalls im Publikum sogar 10 Minuten länger. Am Ende intensiver und langer Applaus.

Markus Gründig, Dezember 19


Hexenjagd (The Crucible)

Drama in vier Akten

Von: Arthur Miller
Deutsch von: Hannelene Limpach, Dietrich Hilsdorf
Uraufführung: 22. Januar 1953 (New York, Martin Beck Theatre)
Deutsche Erstaufführung: 10. Februar 1954 (Berlin, Schiller-Theater)

Premiere am Staatstheater Mainz: 7. Dezember 19 (Kleines Haus)

Inszenierung: Alexander Nerlich
Bühne: Wolfgang Menardi
Kostüme: Zana Bosnjak
Musik: Malte Preuss
Choreografie: Cecilia Wretemark
Dramaturgie: Jörg Vorhaben
Licht: Frederik Wollek

Besetzung:

Reverend Parris: Alexander Finkenwirth
Betty Parris: Charlotte Wollrad / Cecilia Wretemark (07.12.19)
Abigail Williams: Lisa Eder
Mrs. Ann Putnam: Leoni Schulz
Thomas Putnam: Klaus Köhler
Mercy Lewis: Larissa Fichtner
Mary Warren: Elena Berthold
John Proctor: Daniel Mutlu
Rebecca Nurse: Andrea Quirbach
Giles Corey: Armin Dillenberger
Reverend John Hale: Julian von Hansemann
Elizabeth Proctor: Kruna Savić
Ezekiel Cheever: Orlando Klaus
Danforth, Stellvertreterin des Gouverneurs: Anna Steffens

staatstheater-mainz.de