Als Highlight zu den diesjährigen Osterfeiertagen ist die Dresden Frankfurt Dance Company mit ihrem Programm Dance2Narration zu Gast am Schauspiel Frankfurt (zwischen Gründonnerstag und Ostermontag). Bei dem zweistündigen Doppelabend (inklusive einer Pause) werden die zwei Stücke Bis.N.S. (as usual) und Lisa gegeben.
Sie verbinden Tanz mit Narration. Dabei geben sie viel Freiraum für individuelle Interpretationen und dem Entdecken von Verbindungen in vielen Miniaturen.
Bis.N.S. (as usual) mit Songs von Nina Simone
Zu Beginn des Abends erstürmt das DFDC Ensemble die Bühne und gibt sich absolut begeistert. Es applaudiert kräftig und langanhaltend. Dabei schauen die Einzelnen überaus beglückt. Sie halten einen besonderen Moment fest und feiern eine große Künstlerin: Die US-amerikanische Jazz- und Bluessängerin Nina Simone (1933 – 2003) bei ihrem Konzert im Jahr 1976 beim schweizerischen Montreux Jazz Festival.
Auf der schmucklosen und offenen Bühne befindet sich als Bild für die Künstlerin lediglich ein Klavier. Die Stimme Simones, die auch Pianistin, Songschreiberin und Bürgerrechtsaktivistin war, wird zugespielt. Nicht nur mit drei Songs, die sie damals sehr individuell interpretiert hat, sondern auch mit an das Publikum gerichteten Worten. Diese werden zum Teil szenisch umgesetzt, wie die Suche nach David Bowie im Publikum.
Ioannis Mandafounis´ Bis.N.S., 2021 als Koproduktion von ++1 und der Opéra National de Lyon entstanden, würdigt Nina Simone. Gleichsam bietet deren Gefühlstiefe eine ideale Basis für den Tanz. Es lotet die innere und äußere Welt von Künstler:innen aus, die diese energetisch in Bewegungen umsetzen.
Bei den ersten beiden Songs wird solistisch, dann in der Gruppe getanzt. Zunächst zu Simones „Isn’t it a pity“ (Originalsong von George Harris). Sodann folgt das überaus melancholisch dargebotene „Stars“ (Originalsong von Ian Janis). Hierbei geht es um das Streben nach Ruhm und Erfolg und den einsamen und schmerzhaften Weg dahin. Aber auch, dass letztlich alles nur eitles Haschen nach Wind ist (wunderschön unterstützt mit live gespielter Trompete).
„Feelings“ (ein Song von Albert Morris und Louis Gasté) zeigt schließlich Momente auf und hinter der Bühne aus der Perspektive des Backstagebereichs. Hierzu werden nah zum Publikum vier schmale Trennwände seitlich aufgestellt, die Fläche dahinter wird seitlich ausgeleuchtet. Erzählt wird von alltäglichen Situationen vor und nach Auftritten. Eine verletzte Tänzerin wird fürsorglich betreut.
Lisa mit Nocturne von Gabriel Fauré
Zeigte sich das Ensemble bei Bis.N.S. in einem heutigen Freizeitlook, fallen bei Lisa zunächst die Kostüme im 1930er Stil auf (wozu allerdings heutige Turnschuhe getragen werden; Kostüme: Dorothee Merg). Sie stellen eine Brücke zu dem hellhörigen russischen Dichter Ossip Mandelstam (1891 – 1938) dar. Zugleich mahnen sie, dass sich Bewegungen von damals heute nicht wiederholen mögen.
Von Mandelstam wird gleich zu Beginn ein Gedicht auf russisch vorgetragen (später auch auf deutsch und englisch). Am Klavier sitzt nun der Pianist Gabriele Carcano und spielt live u. a. drei Nocturne von Gabriel Fauré.
Lisa besteht aus einem Konglomerat von kurzen Sequenzen des Aufeinandertreffens und des Verlassens. Es führt die Widersprüche der menschlichen Beziehungen vor und bietet dabei keine Orientierung. Unter Anwendung von Mandafounis „Live-Choreografie“-Methode können die Tänzer:innnen selbst entscheiden, wann sie die Bühne betreten und wieder verlassen. Einzig eine breite Rampe steht im rechten Bühnenhintergrund als Fixpunkt (Bühne, Licht: Ioannis Mandafounis).
Zum Ende entsteht durch herabfallenden Kunstschnee eine zauberhaft wirkende Szenerie. Der Pianist hat die Bühne inzwischen verlassen. Dafür ertönt ein eigenwilliger Elektrosound (eine Sequenz aus ARCAs „Entraña“), der immer ohrenbetäubender und brutaler wird. Damit schließt sich der Bogen zu Ossip Mandelstam. Er wurde 1934 wegen eines Spottgedichts über Stalin verhaftet und für drei Jahre verbannt, 1938 dann zu fünf Jahren Zwangsarbeit verurteilt, die er nicht überlebte. Beim lang anhaltenden Schlussapplaus war es vor allem die Tänzerin Nastia Ivanova, die ob der Intensität dieses Programms, noch sichtbar emotional betroffen war.
Ab dem 3. April ist die DFDC im Senckenberg Museum mit IF YOU DON’T GET LOST IN THE WOODS, YOU HAVEN’T BEEN TO THE WOODS zu Gast, ab dem 26. April im Bockenheimer Depot mit WELCOME.
Markus Gründig, März 24
Dance2Narration: Bis.N.S. (as usual) | Lisa
Die Dresden Frankfurt Dance Company zu Gast im Schauspielhaus
Der Abend »Dance2Narration« umfasst die Tanzstücke »Bis.N.S. (As Usual)« und »Lisa«
Premiere/Uraufführung: Donnerstag, 28. März 24 (Schauspielhaus)
Bis.N.S. (as usual)
Konzept und Choreografie: Ioannis Mandafounis
Künstlerische Mitarbeit und Dialoge: Anna Lemonaki
Choreografische Assistenz: Pauline Huguet
Licht: David Kretonic
Lisa
Konzept und Choreografie: Ioannis Mandafounis
Kostüm: Dorothee Merg
Klavier: Gabriele Carcano
Dramaturgie: Philipp Scholtysik
Choreografische Assistenz: Pauline Huguet
Bühne, Licht: Ioannis Mandafounis
Mit: Todd Baker, Thomas Bradley, Sarah Bucher, Audrey Dionis, Louella May Hogan, Nastia Ivanova, Marina Kladi, Noémie Larcheveque, Ugnė Irena Laurinavičiūtė, Yan Leiva, Emanuele Piras, Solène Schnüriger, Ichiro Sugae, Ido Toledano, Ashley Alexandra Wright, Samuel Young-Wright