English Theatre Frankfurt: The Lion in Winter

English Theatre Frankfurt: The Lion in Winter (© Martin Kaufhold)
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Britannien im Mittelalter. König Henry II gilt als der größte König dieser Zeit. Schon durch seine Eltern kam er in Besitz von großen Ländereien, wie den ehemaligen französischen Provinzen Anjou, Maine und Touraine, sowie zur Normandie mit der Lehnshoheit über die Bretagne. Durch die Ehe mit Eleonora, der geschiedenen Gattin von Ludwig VII. von Frankreich, kamen weitere Länder dazu, nach dem Tod Stephan von Blois´ dann England. Es entstand das Angevinische Reich, das neben staufischen Reich als zweite Vormacht des Abendlandes galt.

Um diesen großen Staatsmann des Mittelalters hat der britische Dramatiker James Goldman ein illustres Schauspiel geschrieben: The Lion in Winter. Bei diesem Familientreffen an Weihnachten des Jahres 1183 und anlässlich der Krönung des französischen Königs Philipp II, geht es zwar auch um Ländereien (Henry verbannte seine Frau vor 10 Jahren nach Salisbury und hofft, an das ihr gehörende Aquitanien zu gelangen), hauptsächlich aber um Intrigen, Machtspiele und um sehr Zwischenmenschliches (so spannt Henry II. unverhohlen seinem Sohn Richard die Frau aus). Schon 1968 erfolgte eine hochkarätig besetzte Verfilmung dieses Familiendramas, mit Peter O’Toole als Henry II., Katharine Hepburn als Eleonora, Anthony Hopkins als Richard und Timothy Dalton als französischer König Philipp II.

Im English Theatre Frankfurt hat der Regisseur Derek Anderson (Hand to God) das Stück mit kammerspielartiger Intensität umgesetzt und dabei einen ganz besonders intensiven Blick auf Eleonora (warmherzig wirkend, doch stets ihre Chancen und Möglichkeiten auslotend: Carmen Rodriquez) gerichtet. Schließlich steht die jetzt begonnene Spielzeit des English Theatre Frankfurt unter dem Motto „All About Women“. Und wie sie ihre Söhne gegeneinander ausspielt, manipuliert und als Mittel gegen ihren Mann einsetzt, ist ob ihrer Kühnheit bemerkenswert, zumal sie sich stets mit viel Charme und mütterlicher Wärme einbringt. Ein wahres Unikum als König und Vater ist Tom Butcher als Henry II.
Diplomatie ist hier bei keinem angesagt, dafür wird klar ausgesprochen, was gedacht wird, insbesondere von ihm. Die drei Söhne sind sehr unterschiedlich, nur dass jeder von ihnen den Königstitel für sich beansprucht. .Der jüngste, John, ist der Lieblingssohn des Vaters (verspielt: Stanton Wright), der mittlere, Geoffrey der klügste (weltmännisch auftretend: Ludovic Hughes) und der älteste, Richard Lionheart, der Favorit der Mutter (kämpferisch: Oliver Towse).
Nicht leicht zu durchschauen ist der französische König Philipp II. des Daniel Abbott. Die Alais Capet der Eva Solange Bortalis zeigt zum Schluss hin Weitsicht und zeigt damit, das oftmals die Frauen die Grundlagen für die Entscheidungen der Männer bilden.

Beherrschendes Bühnenelement ist eine Tapisserie. Sie zeigt, einem Triptychon gleich, verschiedene mittelalterlich wirkende Szenen. Eine höfische Dame trifft auf einen höfischen Reiter auf einem Pferd, auf den Turmspitzen einer Burgmauer lauern die Köpfe von Theresa May und ihrem Brexit-Kabinett und in der Mitte diskutieren jeweils mehrköpfige Fabelwesen aus Drache und Löwe miteinander. Sie sind an die berühmten apokalyptischen Wandteppiche des Chateau D’Angers angelehnt und spannen einen Bogen von den damaligen zu den heutigen politischen Querelen. Auch die Kostüme spielen mit mittelalterlichen Bezügen, gleichwohl sind sie inspiriert vom englischen Modedesigner Alexander McQueen (Bühne und Kostüme: Alyson Cummins).

Am Ende lang anhaltender Applaus für einen faszinierenden Abend, der mit vielen komischen Momenten und viel trockenem Humor aufwartet.

Markus Gründig, September 18

www.english-theatre.de