Trotz internationaler Anerkennung: Defizit am Schauspielhaus Zürich

Ödipus Tyrann ~ Schauspielhaus Zürich ~ Patrycia Ziólkowska / Alicia Aumüller ~ Foto © Philip-Frowein

Zahlreiche Erfolge auf der Bühne, internationale Einladungen, Auszeichnungen und eine lebendige Jugendarbeit prägten das Geschäftsjahr 2022/23 am Schauspielhaus Zürich. Dennoch führten der deutliche Rückgang der Zuschauer*innenzahlen und der Sponsoring-Erträge sowie die steigenden Energiekosten zu einem Verlust von 1.39 Millionen Franken. Es wurden bereits in der ersten Hälfte der Spielzeit Sparmaßnahmen eingeleitet.

Die Schauspielhaus Zürich AG veröffentlicht anlässlich der Generalversammlung vom 23. Januar 2024 ihren Geschäftsbericht der Spielzeit 2022/23. Zu den Erfolgen der Spielzeit 2022/23 gehörten unter anderem die Verleihung des renommierten Gertrud-Eysoldt-Ring 2022 an Alicia Aumüller und Patrycia Ziólkowska für ihr berührendes Zusammenspiel in Ödipus Tyrann von Nicolas Stemann. Dieselbe Inszenierung wurde auch an das 10. Schweizer Theatertreffen und an die Lessingtage Thalia am Theater Hamburg eingeladen.

Wiebke Mollenhauer wurde für ihre Darstellung in Gier zur Schauspielerin des Jahres 2023 gewählt. Darüber hinaus war das Schauspielhaus Zürich international überaus präsent, wozu auch das im Januar 2023 gegründete Schauspielhaus Zürich Dance Ensemble von Trajal Harrell beitrug. Gastspiele und Koproduktionen führten unter anderem in den Papstpalast am Festival d’Avignon (The Romeo von Trajal Harrell), zu den Wiener Festwochen (Pinocchio von Wu Tsang), zu den Salzburger Festspielen (Reigen von Yana Ross), nach Berlin, Brügge, Lausanne, Milano, Oslo, Paris, Rotterdam, Madrid.

Mit der Inszenierung Antigone in Butscha in der Regie des ukrainischen Regisseurs Stas Zhyrkov knüpfte das Schauspielhaus Zürich zudem an seine Tradition des Exil-Theaters an.

Zuschauer*innen-Zahlen

In Zürich besuchten 94’577 Zuschauer*innen eine der 477 Vorstellungen. Die Zahlen lagen damit deutlich unter Budget respektive den durchschnittlichen Werten vor der Pandemie. Besonders die beiden großen Spielstätten Pfauen und Schiffbau-Halle waren mit 48% und 54% ungenügend ausgelastet. Mit Abstand am meisten Eintritte verzeichnete mit 12’048 Tickets das Familienstück Pinocchio, inszeniert von Wu Tsang.

Ebenfalls erfolgreich waren die Inszenierungen von Nicolas Stemann, Ödipus Tyrann und Sonne, los jetzt mit 6’406 und 5’444 Besucher*innen sowie Ich chan es Zündhölzli azünde von Suna Gürler mit 5’193 Eintritten. Mehrmals ausverkauft waren die Vorstellungen von Riesenhaft in Mittelerde (Nicolas Stemann) mit gesamthaft 4’633 Zuschauer*innen. Die begehbare Inszenierung, welche zusammen mit dem Theater Hora und den Helmis entstand, wird vom 3. bis zum 10. Februar 2024 noch einmal zu sehen sein.

Ausserhalb Zürichs sahen 42’665 Zuschauer*innen eine Vorstellung des Schauspielhauses, was einen Rekord in der Geschichte des Schauspielhauses darstellt.

Theaterpädagogik/Nachwuchsförderung

Das Schauspielhaus pflegt eine fruchtbare Partnerschaft mit dem städtischen Schulamt und der kantonalen Bildungsdirektion. 446 Schulklassen besuchten eine Vorstellung am Schauspielhaus Zürich. Weiter wurden mit 98 Klassen Workshops durchgeführt, die sich mit den laufenden Inszenierungen auseinandersetzen. Gemeinsam mit der Organisation «Welcome to school» bietet das Schauspielhaus Zürich weiterhin einen wöchentlichen Theaterkurs für Schüler*innen mit Migrations- oder Fluchthintergrund an. Die fünf jungen Menschen im Theaterjahr unterstützten etliche Produktionen durch ihre Mitarbeit, organisierten Veranstaltungen und brachten ein eigenes Projekt zum Abschluss. In den vier Jugendclubs erarbeiteten spielbegeisterte Jugendliche unter professioneller Anleitung Theaterproduktionen, die mehrmals erfolgreich aufgeführt wurden.

Nachhaltigkeit und Klimabilanz

Auf Initiative der Intendanz von Benjamin von Blomberg und Nicolas Stemann wurde 2019 die Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit gegründet. Der erste Nachhaltigkeitsbericht des Schauspielhaus Zürich weist Maßnahmen in den Bereichen Dekarbonisierung, Diversität, Gleichstellung, Inklusion und Zugehörigkeit, nachhaltiger Zusammenarbeit und Nachwuchsförderung aus. Die erstmals erstellte Klimabilanz der Spielzeit 2022/23 zeigt, dass in den ermittelten Energiekategorien rund 1’045 Tonnen CO2-Äquivalente emittiert wurden. Dies liegt in der Größenordnung vergleichbarer Kulturbetriebe. Mobilität und Heizen sind die größten Emissions-Treiber. Aktuell entwickelt das Schauspielhaus Zürich eine Nachhaltigkeitsstrategie, die das Klimaziel der Stadt Zürich (Netto Null 2040) und die Ziele des städtischen Kulturleitbilds 2024-27 verfolgt und mithelfen soll, die Nachhaltigkeit zukünftig institutionell im Betrieb zu verankern.

Finanzen und Sparmaßnahmen

Das Publikumsaufkommen entsprach über die ganze Spielzeit hinweg nicht den Erwartungen. Mit rund 3 Millionen Einnahmen aus dem Ticketverkauf wurde das Budgetziel um mehr als 2 Millionen deutlich verfehlt. Sponsoring und Fundraising konnten das hohe Niveau der Vorjahre nicht halten und lagen mit Einnahmen von rund 1.45 Millionen unter den Erwartungen. Um den sich abzeichnenden Verlust zu mindern, wurden bereits in der ersten Hälfte der Spielzeit Sparmaßnahmen, u.a. einen Einstellungsstopp, ergriffen. So liegen die Personalkosten inflationsbereinigt rund eine halbe Million unter dem Vorjahr. Weiter wurden verschiedene künstlerische Projekte gestrichen und nicht zwingend notwendige Investitionen verschoben. Mittelfristig müssen wieder deutlich mehr zahlende Zuschauer*innen den Weg ins Schauspielhaus finden, um den Betrieb finanziell zu stabilisieren.

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