Radikal entschlackte »Madame Butterfly« an der Oper Frankfurt mit großartiger Heather Engebretson in der Titelrolle

Madama Butterfly ~ Oper Frankfurt ~ Pinkerton (Vincenzo Costanzo), Butterfly (Heather Engebretson) und Ensemble ~ © Barbara Auzmüller ~ szenenfoto.de
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Länger hat das Frankfurter Publikum auf eine Neuinszenierung von Puccinis Oper Madama Butterfly warten müssen. Die letzte Neuinszenierung gab es im Oktober 2001 (Regie: Christof Nel, Musikalische Leitung: Yoram David). Für die aktuelle Neuinszenierung verpflichtete die Oper Frankfurt den Regisseur R.B. Schlather (inszenierte in Frankfurt/M bereits Tamerlano und L’italiana in Londra). Gemeinsam mit dem Musikalischen Leiter dieser Produktion, dem Dirigenten Antonello Manacorda, war ihnen klar, dass die japanische Tragödie, so die Werkbezeichnung Puccinis, von jeglicher Japanoiserie befreit sein muss.

Herausgekommen ist eine formal karge Inszenierung. Für die entfallene Japanoiserie gibt es keinen Ersatz. Dennoch geht der Verzicht darauf auf. Denn die Musik und das Drama von Butterfly, ihre maßlose Übersteigerung in eine Illusion, ist stark genug. Regisseur R.B. Schlather zeigt mit wenigen stilistischen Mitteln weniger ein Liebesdrama, als vielmehr das Scheitern einer jungen Frau in einer gefühlskalten, vernunftorientierten Welt.

Madama Butterfly
Oper Frankfurt
v.l.n.r. Pinkerton (Vincenzo Costanzo), Kate Pinkerton (Karolina Makuła), Sharpless (Domen Križaj) und Suzuki (Kelsey Lauritano)
© Barbara Auzmüller ~ szenenfoto.de

Die Bühne von Johannes Leiacker zeigt lediglich zwei größere Schiebewände mit jeweils einem fensterähnlichen Ausschnitt. Vage lassen diese Schiebewände Assoziationen zu den typischen japanischen Raumteilern, den Shōjis, zu. Durch das Verschieben der Wände entstehen unterschiedliche Spielbereiche, untermauert sind sie von dezenten Variationen des Lichts (Licht: Olaf Winter). Die Einbindung der fensterähnlichen Ausschnitte akzentuiert einzelne Figuren. Dies trifft auch auf die Kostüme von Doey Lüthi zu. Cio-Cio-San, genannt Butterfly, trägt zunächst ein elegantes Abendkleid im kräftigen Rot, später ein mit Pailletten besetztes. Ihren leichtfertigen Charakter unterstreichend tragen Leutnant B.F. Pinkerton und der kaiserliche Kommissar ganz salopp lediglich Shorts (Pinkterton bei seiner Wiederkehr dann eine rote Stoffhose).

Madama Butterfly
Oper Frankfurt
v.l.n.r. Sharpless (Domen Križaj), Butterfly (Heather Engebretson) und Suzuki (Kelsey Lauritano)
© Barbara Auzmüller ~ szenenfoto.de

Sängerisch steht die Titelfigur im Mittelpunkt. Sie wird von der US-amerikanischen Sopranistin Heather Engebretson mit vollem Körpereinsatz verkörpert. Zu Beginn steht sie selbstbewusst und voller Grazie auf einem kleinen Podest. Wenn sie am Ende nicht nur ihre große Liebe, sondern auch ihren Sohn aufgeben muss, rast sie wild vor Eifer herum und sackt benommen zu Boden (Bewegungschoreografie: Sonoko Kamimura). Bei alledem vermittelt sie die Titelfigur mit sehr viel Herz und bewegt mit vokal-emotionaler Stärke.
Der kurzfristig eingesprungene italienische Tenor Vincenzo Costanzo gibt den treulosen Leutnant B.F. Pinkerton mit großer Natürlichkeit und schönen Klangfarben (bei den expressiven Stellen darf er gerne mehr geben). In den Vorstellungen ab dem 4. Juni wird Evan LeRoy Johnson, wie ursprünglich geplant, die Partie übernehmen.
Die japanisch-amerikanische Mezzosopranistin Kelsey Lauritano rührt als treue Dienerin Suzuki. Autorität, auch in stimmlicher Hinsicht, zeigt der amerikanische Konsul Sharpless des Bariton Domen Križaj. Die Sopranistin Karolina Makuła vom Opernstudio gefällt als elegante und mitleidfühlende Kate Pinkerton. Sehr präsent ist auch der Heiratsvermittler Goro des Hans-Jürgen Lazar.
Bei ihren kurzen Auftritten überzeugen zudem Michael McCown (Fürst Yamadori), Kihwan Sim (strenger Onkel Bonzo), Iain MacNeil (kaiserlicher Kommissar), Nicolai Klawa (Standesbeamte) und Alexey Egorov (verschmähter Liebhaber Yakusidé). Als illustre Hochzeitsgesellschaft gibt sich der von Álvaro Corral Matute einstudierte Chor der Oper Frankfurt (später wird aus dem Off gesungen). Das Opern- und Museumsorchester spielt unter Antonello Manacorda einen leidenschaftlichen und nie überbordenden Puccini-Ton.

Am Ende der zeitlosen und intensiv wirkenden Darbietung verdientermaßen der stärkste Applaus für Heather Engebretson.

Markus Gründig, Mai 22


Madama Butterfly

Japanische Tragödie in zwei Akten
Von: Giacomo Puccini
Uraufführung: 17. Februar 1904 (Mailand, Teatro alla Scala)

Premiere an der Oper Frankfurt: Sonntag, 22. Mai 22
Besuchte Vorstellung: 26. Mai 22

Musikalische Leitung: Antonello Manacorda
Inszenierung: R.B. Schlather
Bühnenbild: Johannes Leiacker
Kostüme: Doey Lüthi
Licht: Olaf Winter
Bewegungschoreographie: Sonoko Kamimura
Chor: Álvaro Corral Matute
Dramaturgie: Konrad Kuhn

Besetzung:

Cio-Cio-San, genannt Butterfly: Heather Engebretson / Marjukka Tepponen ( 30.6., 3.7.)
Leutnant B.F. Pinkerton: Vincenzo Costanzo (22. und 26, 05., 03.06.) / Evan LeRoy Johnson
Konsul Sharpless: Domen Križaj (Mai / Juni) / Željko Lučić (Juli)
Suzuki: Kelsey Lauritano / Zanda Švēde (Juli)
Goro, Heiratsvermittler: Hans-Jürgen Lazar / Peter Marsh (30.6., 9.7.)
Kate Pinkerton: Karolina Makuła°
Fürst Yamadori: Michael McCown
Onkel Bonzo: Kihwan Sim (22., 26.5., 4., 6.6.) / Alfred Reiter
Der kaiserliche Kommissar: Iain MacNeil
Der Standesbeamte: Nicolai Klawa
Yakusidé: Alexey Egorov
Die Mutter: Julia Bell
Die Tante: Michaela Schaudel
Die Kusine: Alketa Hoxha
Das Kind: Jakob Fritschi / Lotta Herzog

° Mitglied des Opernstudios

Chor der Oper Frankfurt
Frankfurter Opern- und Museumsorchester

oper-frankurt.de