Probleme am Staatstheater Wiesbaden halten an

Hessisches Staatstheater Wiesbaden ~ Großes Haus ~ Foto: Sven-Helge Czichy

Mitteilung des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 9. Januar 24
Mitteilung des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden vom 10. Januar 24


Mitteilung des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 9. Januar 24:

Bühnenleitung des Staatstheaters Wiesbaden hat Proben- und Spielbetrieb sicherzustellen
Land und Stadt weisen Drohungen der künstlerischen Leitung zurück


Das Land Hessen und die Landeshauptstadt Wiesbaden als Träger des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden erwarten von der Leitung des Hauses, dass sie den Betrieb des Theaters sicherstellt. Eine Drohung der künstlerischen Leitung, sie wolle „den Spiel- und Probenbetrieb komplett einstellen“, weisen sie auf das Schärfste zurück. Weder für eine temporäre Schließung des Hauses noch für die bereits vorgenommenen Absagen einzelner Proben und Aufführungen gibt es irgendeinen Grund. Der Intendant des Theaters, Uwe-Eric Laufenberg, und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem künstlerischen Bereich haben eine Einstellung des Betriebs in einem Schreiben an die Träger des Theaters angekündigt mit der Begründung, es sei aufgrund einer Erkrankung des Geschäftsführenden Direktors „handlungsunfähig“. Das entspricht in keiner Weise der Wahrheit. Sollte durch das Handeln der künstlerischen Leitung dem Theater Schaden entstehen, werden die Träger arbeitsrechtliche Konsequenzen und Regressforderungen prüfen.

Theater ist voll handlungsfähig

„Auch die künstlerische Leitungsebene eines Theaters hat sich an Recht und Gesetz zu halten – diese Selbstverständlichkeit scheint nicht allen am Theater klar zu sein. Das Theater ist voll handlungsfähig, die Vertretungsregeln für den Geschäftsführenden Direktor greifen“, erklären Staatssekretärin Ayse Asar und Kulturdezernent Dr. Hendrik Schmehl. „Wir können die künstlerische Leitung nur davor warnen, dem Theater weiteren Schaden zuzufügen. Die Verantwortung für die Wirtschaftsführung des Theaters tragen Intendant und Geschäftsführender Direktor gemeinsam; sie sind unter anderem verpflichtet, mit den bereitgestellten Mitteln auskömmlich zu wirtschaften und die Vorgaben der Landeshaushaltsordnung einzuhalten. Künstlerische Gestaltungsfreiheiten rechtfertigen nicht die Überschreitung des Haushaltsplans. Wenn dies der Bühnenleitung nicht in gemeinsamer Verantwortung gelingt, muss der Geschäftsführende Direktor in seiner Funktion als Beauftragter für den Haushalt nötigenfalls ohne Zustimmung des Intendanten handeln. Dies hat er mit einer Dienstlichen Anweisung vom Oktober 2023 getan, die unter anderem die Streichung von acht Produktionen für 2024 enthält, um das Defizit des Staatstheaters Wiesbaden zu reduzieren. Der Intendant hat erklärt, dass er diese Anweisung für ungeeignet hält, aber dazu bis heute weder ein formales Dissensverfahren angestrengt, noch trotz zahlreicher Gespräche und Ermahnungen durch die Träger ausreichend substantiierte Alternativen vorgelegt. Die gestrichenen Produktionen hat er weiter vorangetrieben und dadurch sowohl weiter zur Arbeitsüberlastung der Beschäftigten beigetragen als auch in Kauf genommen, dass durch den Ausfall der Vorstellungen jetzt höhere Kosten entstehen, als es zum Zeitpunkt der Anweisung des Geschäftsführenden Direktors der Fall gewesen wäre. Aus Sicht der Träger ist die Dienstliche Anweisung geeignet, das Defizit und die Arbeitsüberlastung am Theater zu senken, sie ist verhältnismäßig, hat Bestand und ist durch die künstlerische Leitung umzusetzen. “

Künstlerische Leitung trägt alleinige Verantwortung für Schaden

Der Personalrat des Theaters hatte aufgrund der Arbeitsüberlastung am Theater die Zustimmung zu den Probenplänen verweigert und ein Stufenverfahren angestoßen. Der Hauptpersonalrat hat daraufhin entschieden, dass zu den in der Anweisung des Geschäftsführenden Direktors gestrichenen Produktionen keine Proben stattfinden dürfen. Alle anderen Proben können jedoch stattfinden, da sie nicht von der Anweisung betroffen sind. Auch Verträge zu den nicht gestrichenen Produktionen können selbstverständlich geschlossen werden. „Das Theater ist voll handlungsfähig. Wenn die künstlerische Leitung nicht von der dienstlichen Anweisung betroffene Proben und sogar Vorstellungen absagt, entbehrt dies jeglicher Grundlage“, so Asar und Schmehl. „Für den Schaden, der durch ihr Verhalten dem Theater entsteht – sowohl im Ansehen als auch finanziell – trägt die künstlerische Leitung die volle und alleinige Verantwortung.“ [Quelle: Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst]


Mitteilung des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden vom 10. Januar 24:

Entgegnung zur PM von Kulturstaatssekretärin Ayse Asar und Kulturdezernent Dr. Hendrik Schmehl vom 9. Januar 2024

Man kann es leider nur als komplettes politisches Versagen ansehen, wenn die Staatssekretärin Asar und der Kulturdezernent Schmehl statt mit den betroffenen Leitungsmitgliedern und Künstler:innen des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden, die sich in ihrer Not an sie gewandt haben, zu reden und sich die Situation im Theater wirklich vor Augen zu führen, eine öffentliche Erklärung abgeben, die in keiner Weise den Tatsachen entspricht.

Es wird behauptet: »Weder für eine temporäre Schließung des Hauses noch für die bereits vorgenommenen Absagen einzelner Proben und Aufführungen gibt es irgendeinen Grund.« Das ist falsch. Die Geschäftsleitung des Hessischen Staatstheaters stellt weder Künstlerverträge aus noch besetzt sie für den Spielbetrieb notwendige Stellen. Dazu fordert das Ministerium, völlig grundlos Produktionen zu streichen. So wird die szenisch fertig probierte und sehr gut verkaufte Wiederaufnahme »Otello« völlig unnötig gestrichen und wird vorerst ausfallen. Der finanzielle, künstlerische und menschliche Schaden ist beträchtlich. Dies wird vom Ministerium nicht nur billigend hingenommen, sondern geradezu herbeigeführt. Damit schafft das Ministerium auch die künstlerische Freiheit endgültig ab und greift in Kompetenzen ein, die der Politik nicht zustehen.

Das ist ein markanter Rechtsbruch in unserer freiheitlichen Demokratie.

Dass das Staatstheater Wiesbaden zurzeit vollständig handlungsunfähig ist, ist offenbar und von den Trägern willkürlich herbeigeführt, vor allem, indem die seit mehreren Monaten durch Krankheit vakante Position des Geschäftsführenden Direktors nicht besetzt wird, was aber in dem Statement der Träger geleugnet wird. Stattdessen greift eine auf zwei Personen verteilte, dysfunktionale Vertretungsregelung, die in einen völligen Stillstand geführt hat.

Der Schaden, der dem Theater zugefügt wird, entsteht nicht durch die künstlerische Leitung, die den Spielbetrieb bisher mit größtem Engagement unter den widrigsten Bedingungen aufrechterhalten hat, sondern durch die Führung des HMWK, die den Spielplan, wie es die Pressemitteilung durchaus auch erkennen lässt, sinnlos zerstören will. In einem so noch nicht dagewesenen Ausmaß sollen Produktionen gestrichen werden, die bereits im Verkauf sind und für die mit allen Künstler:innen verbindliche Absprachen getroffen wurden. Es wird so nicht ein Euro gespart, sondern im Gegenteil, schon gezahlte Eintrittsgelder müssen zurückgezahlt werden, Publikum wird völlig unnötig verärgert, Abonnements werden zerstört, Gruppenreiseveranstalter, die wichtige Vertragspartner des Hauses sind, werden verprellt, Künstler völlig unverantwortlich im Nichts hängen gelassen. In einem Theater, das Kosten produziert, aber nicht spielen darf, werden Steuergelder sinnlos vernichtet.

Ayse Asar und Dr. Hendrik Schmehl fordern ein, »sich an Recht und Gesetz zu halten« und treten es gleichzeitig mit Füßen.

Auch die Behauptung, der Rechtsträger oder die Geschäftsleitung könnte »nötigenfalls ohne Zustimmung des Intendanten handeln«, ist falsch und rechtswidrig. Dienstanweisungen, die den künstlerischen Betrieb betreffen, müssen zwingend von beiden Teilen der Bühnenleitung gezeichnet sein, also auch vom Intendanten. Darüber hinaus hat die künstlerische Leitung den Trägern vielfach stichhaltig dargelegt, dass die Streichung dieser Produktionen nicht geeignet ist, Geld einzusparen. Auf diese Argumentation haben die Träger jedoch wiederholt nicht reagiert.

An der völlig sinnfreien, unrechtmäßigen Dienstanweisung eines sich im Krankheitsstand befindlichen Geschäftsführers festhalten zu wollen, ist somit komplett absurd. Das Ministerium und der Hauptpersonalrat haben den Spielbetrieb nun komplett lahmgelegt und dieses alleine zu verantworten. Dass »alle anderen Proben jedoch stattfinden (können), da sie nicht von der Anweisung betroffen sind, auch Verträge zu den nicht gestrichenen Produktionen selbstverständlich geschlossen werden (können)«, entspricht nicht der Realität. Es werden auch für viele weitere Proben und Aufführungen keine Verträge ausgestellt. Dafür gibt es eine erhebliche Anzahl an Zeugen, der Dirigent Michael Güttler hat sich dahingehend auch schon öffentlich geäußert.

»Für den Schaden, der durch ihr Verhalten dem Theater entsteht – sowohl im Ansehen als auch finanziell« – sind die Träger aus Land und Stadt, vor allem das HMWK, durch ihre Handlungsweise, die am zerstörerischen Kurs des Geschäftsführenden Direktors festhält, voll und alleinig verantwortlich. [Quelle: Staatstheater Wiesbaden]

staatstheater-wiesbaden.de