Musicalhit »The Prom« zum 30. Jubiläum der Mainzer Musical Inc.

© Musical Inc. Mainz

Im Jahr 1993 gründeten kulturbegeisterte Studierende der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität die Hochschulgruppe Musical Inc. Seit 2008 wird sie als eingetragener Verein geführt und spielt seitdem auch für Menschen, die nicht an der Uni Mainz studieren. Bei den jährlichen Musicalproduktionen, mit Stücken wie Hair, Natürlich blond oder zuletzt Made in Dagenham, geht es nicht nur um die Liebe zum Genre Musical. Gefördert werden auch „künstlerische Kreativität, soziale Kompetenzen und organisatorische Skills“ (Musical Inc.).

Zum 30. Jubiläum wurde das 2016 uraufgeführte Musical The Prom (Der Abschlussball) ausgewählt. Die Broadway-Inszenierung von 2018 erhielt sieben Tony Award Nominierungen und den Drama Desk Award als „Outstanding Musical“. Auch Netflix wurde auf das Musical aufmerksam. Regisseur Ryan Murphy (Musical-TV-Serie GLEE) entwickelte für das Medienunternehmen eine Serie darüber. Diese war mit Stars wie Meryl Streep und Nicole Kidman hochkarätig besetzt. Bei Sony Masterworks erschien die CD dazu.

Zur Premiere im Theater im P1 auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität konnte die Musical Inc. (= incomparable/unvergleichbar) u. a. den rheinland-pfälzischen Innenminister Michael Ebling und den Mainzer Oberbürgermeister Nino Haase begrüßen. Bei dieser Produktion ist ein vierzigköpfiges Ensemble (!) und ein großes Live-Orchester beteiligt, dazu viele Freiwillige Backstage, an der Technik und im Foyerbetrieb.

Ein inklusiver Ball wird vehement abgelehnt

The Prom erzählt die Geschichte von Emma und Alyssa, zwei lesbischen Schülerinnen der James Madison High School in Edgewater (Kleinstadt im vom Landwirtschaft geprägten US-amerikanischen Bundesstaat Indiana). Wie ihre Mitschüler:innen möchten auch sie auf den Abschlussball (The Prom) gehen. Das stellt für den konservativen und homophoben Elternbeirat aber einen nicht hinzunehmenden Affront dar. Wobei sich immerhin die Landesregierung für einen inklusiven Ball ausspricht (wenn auch nur, um eine Klage wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot zu vermeiden). Der Zufall will es, dass eine kleine Truppe arbeitsloser Broadway-Darsteller:innen auf Twitter auf sie aufmerksam werden und, nicht ganz selbstlos, beschließt dem Paar zu helfen…

Ein Plädoyer für Individualität

Bei The Prom geht es weniger um die Liebesbeziehung zwischen Emma und Alyssa. Vielmehr werden, bei großem Unterhaltungswert, pauschale Vorurteile hinterfragt und Klischees auf die Schippe genommen. Und es wird der Mut zur eigenen Individualität zu stehen hervorgehoben. Insbesondere gerichtet an Mitglieder der LGBTQIA+-Community, aber letztlich an alle.
Wenn die Broadway-Truppe in Edgewater einfällt, werden Plakate getragen, die bekannte Musicalsongtitel auf Queerness ummünzen, wie „Stop Defying Gayity“ („Defying Gravity“ aus Wicked), „Sing the Song of Angry Gays („Do You Hear the People Sing?“ aus Les Miserable) oder „Let’s Do the Gay Warp“ („Let’s Do the Time Warp“ aus der Rocky Horror Picture Show).

Das Regieduo Vidhya Pfeifer und Maximilian Teschner sorgt, trotz der über dreistündigen Aufführung, für einen kurzweiligen, rasanten Abend voller Emotionen. Leider geht ob des rasanten Tempos manche Textzeile etwas unter.
Hinreißend sind die großen Ensemblesongs, wie der das Thema des Musicals am besten ausdrückende Song „Komm akzeptiere dein Gegenüber“ (The Acceptance Song“). Bei vielen Songs ist zusätzlich ein Tanzensemble beteiligt (Choreografie: Clara Eckert und Helena King).

Bunte und glitzernde Kostüme

Relativ klein ist, ob der vielen Beteiligten, die zur Verfügung stehende Bühnenfläche. Dies liegt auch daran, dass das Orchester, abgetrennt durch ein Bühnenprospekt (mit Klinkersteinen und einer Fensterfront, durchaus an die Broadway-Produktion anspielend), im hinteren Bühnenbereich sitzt. Sichtbar wird es erst beim Schlussapplaus.

Die Bühne ist weitestgehend leer (was bei der Menge an Darsteller:innen aber auch nicht viel anders geht). Für Szenen wie im New Yorker Backstagebereich, dem Edgewater INN Diana Motel, einem Café in der Cheesecake Factory oder einem Saal der High School, werden Schreib- oder Esstische aufgestellt oder kleine Podeste genutzt. An zwei seitlich stehenden Schließfachschränken werden ergänzend Plakate mit Ortsangaben aufgehängt. Bunt und schön glitzernd sind die Kostüme, seien es sportliche High School- oder elegante Outfits (Ausstattung: Jonas Daniels und Simon Zere).

Riesige Welle des Zuspruchs für tolle Ensembleleistung

Matthew Sklars Musik bietet zeitlos anmutende Musical Songs, kein Vergleich zur Vielfalt eines Lin-Manuel Mirandas (Into the heights). Dennoch sind einige Nummern darunter, die unter die Haut gehen oder die durch die energetische Umsetzung der Musical Inc. den Saal zum Kochen bringen.

Alle Rollen sind doppelt besetzt und werden jeweils alternierend gespielt. Die große Rolle der schüchternen und verunsicherten Emma Nolan verkörpert die Musical Inc. erfahrene Svenja Drewitz mit starker Präsenz, wie bei „Du bist nah bei mir“ („You Happened“). Für ihr Duett „Tanz mit mir“ („Dance with You“) mit ihrer Freundin Alyssa (liebreizend: Fabienne Birkenbach) erhielten beide einen überaus stürmischen Zwischenapplaus. Ob ihrer Exzentrik bleiben vor allem die alternden Narzissten Dee Dee Allen (charmant, strahlend und offen, sich zu ändern: Leonie Creuzberger) und Barry Glickman (emphatisch, energetisch und glänzend: Benedict Lind) in Erinnerung. Julius Himmel strahlt als die Jugend umstimmender Schauspieler, Juilliard-School Absolvent und dreifach gekreuzigter „J.C.“, Trent Oliver. Sein großer Song ist „Lieb den Nächsten“ („Love Thy Neighbor“).
Clara Eckert ist das ewige Chorusline-Girl Angie, die mit dem Tanz-Song „Zazz“ eine Art Hommage an den legendären Broadway-Choreografen Bob Fosse zeigt. Am Ende lehnt sie zunächst die lang ersehnte Hauptrolle im Musical Chicago ab, um gemeinsam mit Emma auf dem Ball für Alle, die Diversität feiern zu können.
Den gewieften PR-Profi Sheldon Saperstein verkörpert mit gewinnendem Lächeln Simon Zere. Johannes Knieps ist ein gewissenhafter Schuldirektor Hawkins, der Dee Dee mit „Wir schauen auf dich“ („We Look to You“) gewissermaßen die Augen öffnet und ihr Mut macht, mindestens einen Schritt weiter zu gehen. Die bornierte Elternbeirätin Mrs. Greene zeigt Michelle Hannappel passend starrsinnig.
Mit rasantem Tempo begleitet das Live-Orchester unter der musikalischen Leitung von Laurin Hess.

Bei der besuchten Premiere bestach das Feuer und die Leidenschaft aller Beteiligter. Selbst das vor allem aus Freunden und Familienangehörigen bestehende Publikum war durchweg mit nahezu ekstatischer Begeisterung und Mitgefühl dabei. Küsste sich ein Paar, wurde dies vom Publikum gefeiert. Szenenauftritte wurden lautstark bejubelt, jeder Song am Ende natürlich auch. Die Stimmung war außerordentlich und mitreißend!

Am Ende stehen die Botschaften, dass sich jeder trotz Vorurteile ändern kann und dass der Stimme des Herzens zu folgen ist. So wie es Emma in „Nur mein Herz weiss, was es will“ (Unruly Heart“) emotionsstark ausdrückt.
Zum Schluss gab es für diese tolle Ensembleleistung eine riesige Welle des Zuspruchs, lautstarken lang anhaltenden Applaus und umgehende Standing Ovations.
Alle 14 Vorstellungen sind bereits ausverkauft, Restkarten kann es mit etwas Glück an der Abendkasse geben.

Markus Gründig, Juni 23


The Prom

Der Abschlussball

Musik: Matthew Skar
Buch & Songtexte: Chad Beguelin
Buch: Bob Martin
Originalkonzept: Jack Viertel
Deutsche Übersetzung: Nico Rabenald

Uraufführung: 18. September 2016 (Atlanta, Alliance Theatre)
Broadway-Premiere: 23. Oktober 2018 (New York, Longacre Theatre)
Deutschsprachige Erstaufführung: 11. Dezember 2021 (Emmenbrücke, Le Théatre Emmen)
Deutsche Erstaufführung: 21. April 2022 (Berlin, Berliner Stage Company im Atze Musiktheater)

Premiere der Mainzer Musical Inc.: 9. Juni 23 (Theater im P1 auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität)

Regie: Vidhya Pfeifer und Maximilian Teschner
Musikalische Leitung: Laurin Hess
Choreographie: Clara Eckert und Helena King
Ausstattung: Jonas Daniels und Simon Zere
Technik: Moritz Mahringer
Stage Crew Leitung: Patricia Müller
Assistenzen: Laura Klein, Johannes Knieps, Jonas Düwel, Luis Halter, Fabian Kling
Produktionsleitung: Jan Dahms, Fabienne Birkenbach, Christian Huber, Lydia Peternely und Lisa Hawelka
Vorstand: Jan Dahms, Lydia Peternely, Laurin Hess und Vidhya Pfeifer

Cast:

Dee Dee Allen: Leonie Creuzberger / Lydia Peternely
Barry Glickman: Benedict Lind / Sebastian Killinger
Angie Dickinson: Clara Eckert / Helen Graffert
Trent Oliver: Julius Himmel / Jan Dahms
Sheldon Saperstein: Simon Zere / Marian Amiragov
Emma Nolan: Svenja Drewitz / Sascha Hartmann
Alyssa Greene: Fabienne Birkenbach / Lorena Seegler
Tom Hawkins: Johannes Knieps / Felipe Salazar
Mrs. Greene: Michelle Hannappel / Linda Malm
Kaylee: Anna-Maria Bess / Helena King
Shelby: Paula Herrmann / Jessica Gleisberg
Nick: Benjamin Fluck / Maximilian Teschner
Kevin: Luis Halter / Jonas Düwel
Brittany: Merle Meier / Lara Littmann
Olivia Keating / Ashley: Alba d’Alesio / Katharina Schilling
Ted Cooper / Matt: Felix Ni / Huy Duc Tran
Shannon Jones / Mrs. Parker: Emily Rohrbach / Katharina Schäfer
Mrs. Johnson: Zoe Dieringer / Lisa Thomas
Coach / Jimmy Sanders: Holger Reuter / Johann Kabelac
Tiffany: Vivien Peterhänsel
Hailey: Sandra Fuchs

Orchester:

Flöte / Piccolo: Gabriel Ecker / Teresa Nickolaus
Saxophon: Magdalena Damrath / Patricia Reuter
Reed: Jaqueline Stürmer / Moritz Schmitt
Trompete 1: Natalie Didinger / Vitus Jung
Trompete 2: Dionys Tschopp / Tobias Fix
Posaune: Johanna Eberling / Konrad Maucher
Gitarre: Nico Moser / Malte Napp
Violine 1: Felix Kuhl / Luca Mücke
Violine 2: Miriam Binder / Lea Schöneck
Viola: Janina Schuhmacher / Christian Kapper
Cello: Benjamin Fazlagic / Antonio Kapper
Keyboard 1: Katharina Moos / Jan Brell
Keyboard 2: Simon Wilhelm / Damian Bach
Percussion: Hartmut Opfermann / Paul van den Berg
Bass: Dominik Bierbüsse
Drums: Pascal Brun / Tim Ester

Technik:
Moritz Mahringer (Leitung), Christian Huber, Jan Dahms, Elian Terelle, Jan-Oliver Hink, Jonas Daniels, Thomas Rösener, Ronja Schönborn, Marc Diehl, Oliver Solms, Leoni Buchner

Stage Crew:
Patricia Müller (Leitung), Lena Aulenbacher, Lisa Hawelka, Kira Hirch, Laura Klein, Vidhya Pfeifer, Ronja Schönborn, Palina Tkachonak

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