Otello
Oper Frankfurt
Besuchte Vorstellung: 19. August 18 (3. Wiederaufnahme)
Vor einem Monat feierte Berthold Goldschmidts Oper Beatrice Cenci unter der Regie von Johannes Erath Premiere bei den Bregenzer Festspielen (im Festspielhaus). Jüngere Werke als diese, erstmals 1994 in Magdeburg szenisch aufgeführte Oper, inszenierte Erath bereits für die Oper Frankfurt. Wie 2009 im Bockenheimer Depot Peter Eötvös´ Angels in America und im November letzten Jahres im Opernhaus die Uraufführung von Arnulf Herrmanns Der Mieter.
Dass Erath aber auch Klassiker des Opernrepertoires geschickt in Szene setzen kann, bewies er u. a. in Frankfurt/M schon im Jahr 2011, mit einer Neuinszenierung von Giuseppe Verdis Dramma Lirico Otello. Diese Inszenierung wurde nun, zum Start in die neue Spielzeit 2018/2019, zum 3. und letzten Mal wiederaufgenommen.
Erath zeigt hier, dass Verdis spätes Werk musikalisch so stark ist, dass es einer großen Bebilderung nicht bedarf. Gleichwohl setzt er auch auf große Effekte, wenn etwa gleich bei den impulsiven Anfangstakten der Ouvertüre, kurz grelles Licht in den Zuschauerraum fällt. Auch bietet er zahlreiche kleinere Details (wenn Otello beispielsweise zum Schluss erkennt, trotz seines erreichten Ranges ein Außenseiter geblieben zu sein und sich seinem Alter Ego vom Beginn angleicht), beweist handwerkliches Geschick und bietet eine stimmige Personenführung. Die Bühne von Dirk Becker beschränkt sich auf rohe Holzplanken (Bezug zu dem Schiff, mit dem der erfolgreiche Befehlshaber Otello zurück nach Zypern kommt) in einem abstrakten, gefangenen schwarzen Raum.
Der gebürtige Ungar Henrik Nánási, inzwischen ein weltweit gefragter Dirigent, lässt das Frankfurter Opern- und Museumsorchester mit explosiver Kraft und ausdrucksstarker Farbigkeit spielen und verzaubert im Pianissimo (beispielsweise bei Desdemonas Lied von der Trauerweide und ihrem Ave Maria ihrem Gebet im finalen Akt). Wie auch schon bei den vorherigen Aufführungsserien bringt sich der von Tilman Michael einstudierte Chor und Extrachor besonders eindrucksvoll und klangstark ein (nebst Kinderchor; Einstudierung Markus Ehmann).
Die drei Hauptrollen wurden für diese Aufführungsserie mit großartigen Gastsängern besetzt. In der Titelrolle zeichnet der lyrische Tenor Roberto Saccà, der in Frankfurt bereits in Mozarts Idomeneo und Strauss´Ariadne auf Naxos zu erleben war, ein authentisch wirkendes Bild eines in die Irre geführten Liebhabers. Die gebürtige russische Sopranistin Olesya Golovneva stellte sich in Frankfurt 2015 in der Titelrolle von Antonín Dvořák Rusalka vor (die Rolle der Desdemona hatte sie im Frühjahr dieses Jahres bereits am Staatstheater Wiesbaden gesungen). Mit einnehmender Intensität im Ausdruck zeigt sie eine engagierte und sinnliche Frau, die bis zum Schluss hofft und im Rahmen ihrer Verhältnisse kämpft.
Ein besonders schönes Erlebnis ist das Frankfurt Debüt des gebürtigen aserbaidschanischen Bariton Evez Abdulla, der als Jago mit großem Charme seine dämonische Intrige zu verbergen weiß und ihn mit einnehmender Bühnenpräsenz und vokaler Stärke verkörpert. Er ist 2016/17 Ensemblemitglied am Nationaltheater Mannheim und wird im Januar 2019 in Frankfurt als Don Carlo de Vargas in Verdis La forza del destino zu erleben sein.
Als Jagos Gattin Emilia nutzt Ensemblemitglied Katharina Magiera ihre wenige Auftritte, um sich klangschön einzubringen (am 13. und 16. September 2018 wird diese Partie von Tanja Ariane Baumgartner gegeben), was sich auch über den philippinisch-US-amerikanischen Tenor Arthur Espiritu als leichtgläubiger Hauptmann Cassio sagen läßt.
In den kleineren Rollen sind zu erleben: Tenor Jaeil Kim vom Frankfurter Opernstudio als vitaler edler Venezianer Rodrigo, Bassbariton Kihwan Sim als würdevoller Lodovico (Gesandter der Republik Venedig; 13. und 16. September 2018: Thomas Faulkner), Bass Magnús Baldvinsson als erhabener Montana (Otellos Vorgänger auf Zypern), sowie gut zu hören, obwohl ganz hinten stehend: Bass Anatolii Suprun vom Frankfurter Opernstudio als aufgeweckter Herold.
Am Ende lang anhaltender und intensiver Beifall, allen voran für Roberto Saccà, Olesya Golovneva und Evez Abdulla. Bis zum 16. September 18 folgen noch fünf weitere Vorstellungen dieses emotionsstarken Liebesdramas.
Markus Gründig, August 18