Wicked – Die Hexen von Oz
Palladium Theater Stuttgart
Besuchte Vorstellung: 14. November 07 (Medien-Premiere)
Sehnsucht und Träume im Zauberreich
Nachdem bereits Harry Potter die Menschen in Deutschland verzaubert hat, startet die Stage Entertainment mit der deutschsprachigen Erstaufführung des Musicals „WICKED – Die Hexen von Oz“ in Stuttgart einen verzaubertistischen Eroberungszug. Das Stück läuft bereits seit Herbst 03 erfolgreich am Broadway, seit Herbst 06 auch im Londoner Westend (dazu in Los Angeles, Tokio und Melbourne). Opulente Bühnenbilder, aufwändige, schillernde Kostüme, eine spannende Geschichte, eingängige Melodien und erstklassige Sänger lassen auch bei der Stuttgarter Produktion keinen Zweifel, dass hier der neue Musicalhit zu erleben ist.
Zwei konkurrierende und sich dann doch mögende Frauen, stehen im Mittelpunkt der Geschichte, die Hintergrundinformationen zum Märchen „Der Zauberer von Oz“ liefert. Dabei ist die von Gregory Magquire erst im Jahre 1995 veröffentlichte Geschichte der Hexen („Wicked – The Life and Times of The Wicked Witch of the West“) eigenständig genug, ohne dass L. Frank Baums Original von 1900 (The Wonderful Wizard of Oz) bekannt sein muss. Das Stück ist nicht durchkomponiert und weist gleichrangig Dramatik und Komik auf. Die Bühnenfassung von Winnie Holzmann wurde von Michael Kunze (Liedtexte) und Ruth Deny (Dialoge) zeitgemäß, mitunter auch etwas flapsig, übersetzt.
Für „WICKED – Die Hexen von Oz“ wurde das Palladium Theater in den vergangenen zwei Monaten vergrünisiert. Die größte Veränderung ist im Zuschauerraum auszumachen, das Bühnenbild wurde weit in den Zuschauerraum hinein verlängert. Die Seitenwände sind vollständig mit echten thailändischen Weinranken und Holzbalken verkleidet worden. Aus diesen mystisch anmutenden, dunklen Gebilden leuchtet es dazu noch in magischen Farben. Ein großer Drache schwebt über den Zuschauern und leuchtet feuerrot aus seinen Augen herab.
Herrlich bunt und ein optischer Genuss sind die farbenfrohen Bühnenbilder von Eugene Lee, der u.a. bereits bei den Broadway-Musicals „Ragtime“ und „Suessical“ für die Bühnenbilder zuständig war. Die Märchenweltbilder , zum Teil mit meterhohen Zahnrädern, sind klassisch gehalten. Sie erstaunen durch das perfekte Zusammenspiel der Technik mit dem ausgefeilten Lichtdesign von Kenneth Posner. Auf dem Bühnenboden sorgen ungewohnte Lichteffekte für neue Raumeindrücke. Den größten optischen Effekt bietet Elphabas Flug kurz vor der Pause. Das ist großes Theater, mit unmittelbar zu spürenden Magie. Und natürlich fehlen auch nicht die Affen, die über die Bühne und die Zuschauer fliegen.
Susan Hilfertys Kostüme lassen jeden grauen Alltag vergessen. Klassisch gehalten spiegeln sie in ihren leuchtenden Farben, bei dem natürlich das Grün der Smaragdstadt überwiegt, eine an die Kindheit erinnernde, fröhliche Welt wider. Rund 580 Kostüme wurden für die Show angefertigt, unter anderem mit Chiffon, Samt, Seide, Brokat. Für die Kostüme von Madame Akaber dienten Bilder von Gustav Klimt als Vorbild. In das Feind-/Freundschaftspiel zwischen Elphaba und Glinda sind Ensembleszenen eingebunden, die mit schönen Tanzszenen aufwarten. Eine perfekte Soundaussteuerung sorgt selbst in den hintern Plätzen noch für einen unmittelbaren Höreindruck, so als würden die Darsteller vor einem stehen.
Stars und Trumpf der Show sind jedoch Willemijn Verkaik als Elphaba und Lucy Scherer als Glinda. Zwei starke, sehr unterschiedliche Frauen. Die Niederländin Willemijn Verkaik stand in Deutschland bereits bei We Will Rock You in Köln auf der Bühne. Hier kann sie sich in einer ganz anderen Rolle zeigen, als etwas eigensinnige, schicksalsergrünte Elphaba. Dabei gibt sie sich, bei akzentfreier Aussprache, authentisch nüchtern und sympathisch wie eine Judy Foster. Vom noch zurückhaltenden „Der Zauberer und Ich“ schwingt sie sich auf in luftige Höhen („Frei und schwerelos“). Die Münchnerin Lucy Scherer ist das goldig zuckersüße Blondchen Glinda. Sie gibt sich unermüdlich optimistisch, wild und störrisch, wenn sie einmal nicht ihren Willen durchsetzen kann. Dabei ist sie stets charmant vom Scheitel bis zur Sohle. Sie spielt mit einer Leichtigkeit, die man sonst nur von US-Schauspielerinnen kennt. Mit kraftvollen Spitzentönen beeindrucken Verkaik und Scherer gleichermaßen.
Der Frankfurter Mark Seibert steht als Prinz Fiyero zwischen diesen Frauen, wandelt sich vom oberflächlichen Schönling zum tiefsinnigen, schicksalsbereiten Liebhaber. Sein „Durch das Leben tanzen“ hat das, was gute Musicalmelodien auszeichnet: Ohrwurmcharakter. Als verwegene Madame Akaber ist die Hamburgerin Angelika Wedekind nicht nur Leiterin der Hexenschule, sondern auch eine böse Wetterhexe. Der aus Wolfsburg stammende Carlo Lauber gibt den Zauberer von Oz, der sich nicht als das entpuppt, was Elphaba einst von ihm dachte. In weiteren Hauptrollen: Nicole Radeschnig (Nessarose), Stefan Stara (Mog) und Michael Günther (Dr. Dillamonth).
Stimmungsvolle, schmissige Lieder mit schönen Melodien und romantisch anmutende Balladen hat der US-Amerikaner Stephen Schwartz (Fosse, Godspell, Pippin) für dieses Musical komponiert, das mit einer kraftvollen Ouvertüre eingeleitet wird und schon nach wenigen Takten die Freude an diesem Musical verstärkt. Am Pult des Orchester sorgte Sebastian de Domenico für eine schwungvolle Umsetzung.
Wicked – Die Hexen von Oz bietet, was Musicalbesucher (vor allem Besucherinnen) erwarten: einen zauberhaften Abend voller Gefühl, Spannung und großartiger Stimmen.
Markus Gründig, November 07
Miami Nights Europatour 2007/2008
Tourstart München, Deutsches Theater
Dem turbulenten Gute-Laune-Musical glückte an der Isar ein Bilderbuchstart
Die Nächte in München sind tropisch
Von „Miami Vice“ zu „Miami Nights“
Seinen alten Kumpel und Mitstreiter Rico Tubbs hatte der Drogendfahnder nicht dabei, aber auch so war der Fall für Detective James „Sonny“ Crocket klar und schnell gelöst: „Eine großartiges Show und ein wunderbares Ensemble mit einer unglaublichen Energie!“ Er habe zwar kein Wort (Deutsch) verstanden, hätte aber trotzdem einen Riesenspaß gehabt, gestand der TV-Bulle i.R. Und er fühlte sich im Deutschen Theater in München daheim wie auf dem Ocean Drive. Gut, zwischen „Miami Vice“ und „Miami Nights“ liegen (thematisch) Welten, doch der Schauplatz ist immerhin derselbe – die von tropischem Klima gesegnete Metropole im Süden des Sunshine-State.
Während in der Kultserie aus den 80-er Jahren die blauen Bohnen flogen, tun es hier die Beine. Als verbindendes Element kommen die Hits und die Mode aus dieser Dekade hinzu. Insofern ist die Krve zu den tatsächlichen und fiktiven Gemeinsamkeiten schnell genommen. Don Johnson, der inzwischen auch schon 57 Lenze auf dem Rücken, sich aber seit seinen abenteuerlichen Tagen als Undercover-Agent physiognomisch kaum, vom textilen Outfit aber erheblich verändert hat, hatte sich Mitte vergangener Woche unter die 1600 Premierengäste in der Schwanthalerstrasse 13 gemischt, um in dem zweitgrößten Theater der Isar-Stadt dem Revival des von Alex Balga neu inszenierten Salsa-Spektakels beizuwohnen.
Ein Rhythmus, bei dem jeder mit muss
Neben ihm hatte sich auch eine ganze Armada weiterer „Promis“ in den Sesseln des Hauses bequem gemacht, sich die schrille, knall-bunte Gute-Laune-Orgie rein zu ziehen. Und der auf Tourneetauglichkeit getrimmten Produktion glückte ein furioser Start, wie die Reaktionen des Publikums und der Kritiker beweisen. “Um diese Nächte beneidet uns die Welt“, titelte ein großes Boulevard-Blatt gar. Angesichts des Potentials an Hits wie “What A Feeling“,
„Time After Time“, „The Rhythm Is Gonna Get You“, „I Wanna Dance With Somebody“ oder „Let´s Dance“ und der rasanten, abwechslungsreichen Choreografie von Natalie Holtom findet selbst der verstockteste Besucher schnell Zugang zum Stück. Da fällt es schwer, sich dem beschwingten und witzigen, als freche Hommage an die großen Tanzfilme der 80-er konzipierten musical-ischen Parforce-Ritt zu verschließen.
Spätestens nach 10 Minuten sieht sich der Gast unentrinnbar im Zauber und der Rasanz dieser Show verstrickt. Dies auch, weil die Songs, für die Heribert Feckler, der musikalische Leiter, die Arrangements geschrieben hat, noch fetziger und treibender daher kommen als seinerzeit im Original. Die preisgekrönte Choreografie ist eine „scharfe Soße“, wie „Salsa“ wörtlich übersetzt ja heißt. Ein trefflicher Mix aus verschiedenen Stilen. Neben Salsa flocht Natalie Holtom geschickt Elemente des Cha-Cha-Cha, Mambo, Rumba, Tango, Jazz-Dance und Rock’n Roll mit ein.
Keine Botschaft, aber viel Tempo und Charme
„Miami Nights“ will keine inhalts- und bedeutungsschweren Botschaften transportieren und ist, gemessen an solchen von den Damen und Herren Rezensenten gerne als qualitative Gradmesser bemühten Kriterien recht einfach gestrickt. Aber gerade das und der Verzicht auf krampfhaft erzeugten Anspruch macht auch den Charme dieses beschwingten und temporeichen Bühnenfestes (Buch: Marcus Haseloff) aus. Es bereitet Spaß und garantiert kurzweilige, vergnügliche, sorgenfreie Unterhaltung. Was will man/frau mehr?
Inhaltlich geht es „nur“ um die Tanzmeisterschaften von Miami, die zu gewinnen die Parkett-Artisten und die Schulen, denen sie entstammen, alles daran setzen. Eine Lovestory zwischen dem Champion und einem kubanischen Aschenputtel, das sich zur strahlenden Salsa-Queen mausert, inklusive. Romantik, Liebe, Herz, Schmerz, übersteigerter Ehrgeiz und Eifersucht sind die weiteren Zutaten. Dass alles ein gutes Ende nimmt, versteht sich von selbst.
Der „MN“-Stern war im März anno 2002 aufgegangen, als das Capitol-Theater in Düsseldorf dieses Musical als Eigeninszenierung auf den Spielplan setze und es in Folge ob der enormen Resonanz nicht weniger als fünfmal verlängern musste/durfte. Das Ganze entpuppte sich als veritabler Kassenschlager. Mehr als eine halbe Million Besucher ließen sich weiland in der Erkrather Straße von dem Stück, das anschließend, bevor es in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde, noch mehrere Wochen lang in Wien zu erleben war, mitreißen. Produzent Thomas Krauth war ob dieses Echos selbst (angenehm) überrascht. Die Tecklenburger Freilichtspiele präsentierten dann in der diesjährigen Saison eine eigene, natürlich auf dem Original basierende Version – und erlebten das gleiche „blaue Wunder“. Die eigentlich als „Zweitstück“ der Aufführungsperiode konzipierte Bühnenparty wurde zum Besuchermagnet.
„Sonny Crocket“ als Hahn im Korb:
Don Johnson (Mitte) fühlte sich in der Gesellschaft der (auf-)reizenden Miami-Nights-Girls sichlich wohl.
V.l.n.r.: Debroah Powell-Valentino, Ava Brennan, Lorna Dawson, Patricia Meeden, Nina Weiß,
Laura Fernandez, Natacza Soozie Boon und Isabel Dörfler.
Foto: Thommy Schumann
Starkes Ensemble
Und jetzt die Neuauflage. Neues Spiel, neues Glück. Bühnenbild und Dialoge sind gegenüber der Ursprungsinszenierung noch einmal überarbeitet worden, was dem Endresultat nicht zum Nachteil gereicht. Hinzu kommt eine völlig neue und junge Cast, die das Stück durch ihren prickelnden Enthusiasmus mit Leben und Dynamik füllt. Mit Patricia Meeden als rassige Latino-Prinzessin „Laura Maria Conzuela Martinez Montoya Gomez“, Felix Maximilian als Turnier-Favorit „Jimmy Miller“, Henrik Wagner als whiskyverliebter, abgehalfterter Titelverteidiger „Roy Fire“ sowie Natacza Soozie Boon als Zicken-Queen „Jessica Diamond“ sind die Hauptrollen glänzend und mit Gespür besetzt. Was übrigens auch und ohne Abstriche für alle anderen Parts gilt, wobei nicht zuletzt Isabel Dörfler als überdrehte Miller-Mama „Betty“, Marc Seitz und Nina Weiß als „Traumpaar Nr. 2“ Andy und Sarah der besonderen Erwähnung bedürfen. Als Tanzlehrer „Mr. Bob“ begegnen wir hier auch „Alt-Meister“ Tom Zahner wieder, der sich diesen Job mit Heiner Dresen teilt.
Jürgen Heimann
Jesus Christ Superstar
Burgfestspiele Bad Vilbel
Besuchte Vorstellung: 14. Juni 07
Musical as its best
Jesus Christ Superstar zählt zweifelsfrei zu einem der erfolgreichsten Musicals überhaupt. Ist es auch bereits über 35 Jahre alt, wird es nach wie vor gerne in den Spielplan aufgenommen. Andrew Lloyd Webbers Rockoper beginnt mit einer ausgefallenen Ouvertüre und bietet emotionsstarke Melodien mit Ohrwurmqualitäten. Expressive Songs und romantische Balladen sind in eine fetzige Orchestrierung eingepackt, die zeitlos bei allen Altersklassen bestens ankommt.
Die Burgfestspiele Bad Vilbel konnten sich für ihren Jesus Christ Superstar nicht nur Dank der Unterstützung durch die „Besucherinitiative Burgfestspiele Bad Vilbel“ eine acht-köpfige Liveband leisten, gespielt und gesungen wird auch vom bisher größten (und vielleicht besten) Festspielensemble aller Zeiten in Bad Vilbel (mit über 30 Mitwirkenden). Eine große Produktion und eine großartige dazu.
Die zur Verfügung stehende, relativ kleine, Bühnenfläche wurde von Professor Thomas Pekny hierzu mit einem hölzernen Sitzreihengerüst versehen, dass an Zuschauerräume aus der Antike stammende Amphitheater erinnert. Durch unterschiedliche Lichtstimmungen (Licht: Jan Langebartels) werden die verschiedenen Orten der letzten sieben Tage Jesus Christi deutlich. Regisseur Egon Baumgarten wechselt dabei einfühlsam zwischen intimen Einzelszenen und großen Auftrittsszenen des Volkes (Chor Vil-belCanto, Einstudierung Benedikt Bach), stets bemüht, die Gespaltenheit der Personen herauszustellen. Frivol geht es bei Herodes (Andreas Wolfram) zu, der zusammen mit seinen Tänzerinnen (der „Cheer Dance Company“) in knappen Kostümen eine glanzvolle Revuenummer abliefert (Dance Captain: Daniel Pabst). Diese Nummer steht bewusst im Kontrast zu den ansonsten eher dezent gehaltenen restlichen Szenen. Baumgarten verzichtete auf Plakatives. Die Darsteller sind überwiegend in hellen, sandfarbigen Stoffen gekleidet, die Hohepriester und später die aufgebrachte Volksmasse in schwarzen Kleidern (Kostüme: ebenfalls Professor Thomas Pekny).
Eine derartige Produktion steht und fällt mit den Hauptdarstellern. Hier ist es vor allem Matthias Pagani in der Rolle des Jesus von Nazareth. Ist er auch schauspielerisch auf wenige Posen beschränkt, kann er seine kraftvolle Rockstimme besonders bei den hohen Tönen, die unter die Haut gehend, vorführen (in den vorangegangenen Musicalroduktionen „Evita“ und Harry und Sally“ war er bereits in Bad Vilbel zu erleben, in anderen Häusern auch schon oft in der Rolle des Judas). Die Aufführung wird durch ihn zum Highlight für Musicalfans. Nadine Hammer verleiht der Maria Magdalena im roten Kleid eine sinnliche, verführerische Ausstrahlung und Brady Swenson überzeugt als strauchelnder Judas Ischariot. Mit Hollywood-reifer darstellerischer Präsenz ist Michael Kargus ein absolut sehenswerter finstrer Intrigant Annas, mit mörderischer Schärfe und modulationsfähiger Stimme dazu (da verblasst selbst der mächtigere Tom Tucker mit seinem tiefen Bass).
Die Liveband spielt zwar leider versteckt hinter der Kulisse, doch unter der Leitung von Thomas Lorey wurden äußerst präzise und differenziert die rockigen Elemente betont, ein Hörgenuss auch ohne Stimmen.
Markus Gründig, Juni 07
Seussical
Theatre Unlimited Performing Company im English Theatre Frankfurt
Besuchte Vorstellung: 20. Januar 07 (Premiere)
Was bei uns die Gebrüder Grimm bedeuten, dafür steht im englischsprachigen Raum Theodor Seuss Geisel (1904-1991), kurz Dr. Seuss genannt. Über 40 Märchen hat er geschrieben, darunter „The Cat in the Hat“ und „How the Grinch Stole Christmas“. Das Musical Seussical vereinigt Episoden, Charaktere und Botschaften aus rund 15 Geschichten von ihm. Ein bunter Reigen unterschiedlicher Figuren, die sich bislang noch nie begegneten. Am Broadway war das Stück mit 198 Vorstellungen vom November 2000 bis Mai 2001 im legendären Richard Rodgers Theatre zu sehen, wovon es auch eine hervorragende Aufnahme auf CD gibt. Seitdem ist es in den USA eines der beliebtesten Stücke für Kinder- und Jugendtheater.
Die Musicalautoren Stephen Flaherty (Musik) und Lynn Ahrend (Liedtexte) haben bereits beim Musical Ragtime erfolgreich zusammen gearbeitet. Musikalisch bietet Seussical für Kinder leicht zugängliche Lieder, deren Refrains viel Ohrwurmcharakter bieten, wie “A person´s a person – no matter how small” oder mit „Who knows! It’s possible! Anything’s possible!
In der Regel produzierten das English Theatre Frankfurt in London seine Stücke selber. Aber keine Regel ohne Ausnahme. Um auch die nächste Generation von Theaterbesuchern mit der phantastischen Welt des Theaters vertraut zu machen, öffnet sich das Haus und stellt der Theatre Unlimited Performing Company die Bühne zur Verfügung. Während der laufenden „City of Angels“ Aufführungsserie wird jetzt an drei Wochenenden das Stück für und von Kindern gezeigt. Das vorhandene „City of Angel“ Bühnenbild wurde dafür kurzerhand mit Armeeplanen zugedeckt. Das Seussical selbst kommt ohne eigenes Bühnenbild aus, lediglich ein paar Requisiten werden verwendet. Von Eintönigkeit aber keine Spur, denn die vielen bunten unterschiedliche Kostüme der 37 (!) beteiligten Kinder aus vielen Nationen und von 5 bis 17 Jahren machen einen umwerfenden Eindruck von Vielseitigkeit, Detailliebe und Farbenpracht. Und alle haben hier ihren Spaß, die Zuschauer wie die jungen Darsteller. Auch die bei der Premiere anwesende US-Generalkonsulin Jo Ellen Powell war von dieser Show schlichtweg begeistert.
Da das Stück nahezu durchkomponiert ist, wird fast die ganze Zeit über gesungen und selbst derjenige, der mit den Geschichten von Dr. Seuss nicht so vertraut ist, kann der Rahmenhandlung folgen. Für die musikalische Begleitung sorgt ein Liveorchester, das unter der Leitung von Debra Damron spielt.
Um diese große Schar von Kindern derart diszipliniert und präzise auftreten zu lassen, hat Regisseurin Sheelagh Maythem viel Zeit investiert, der sich jetzt auszahlt. Horton the Elephant (Allan Prost), Sour Kangaroo (Paulina Sinander), Cat in the Hat (Caitlin Harris) und Young Boy Jojo (Megan DeAngelis) seien hier nur stellvertretend für all die anderen ausgefallenen Figuren erwähnt, die mit viel Leidenschaft vorgeführt werden.
Markus Gründig, Januar 07
Heidi
Anhaltisches Theater Dessau
Besuchte Vorstellung: 8. Dezember 06 (Premiere, deutsche Erstaufführung)
Die Geschichte des Waisenkind Heidi, ihre Zeit beim störrischen Großvater (dem Alpöhi) und von ihrem Kinderfreund Peter, der Zwangsaufenthalt in der fernen Großstadt bei der Familie Sesemann, all dies ist weithin bekannt. Da war nach verschiedenen Filmen und einer Comicversion eine Musicalversion dieses Stoffes längst überfällig. Im Sommer 2005 feierte sodann eine Musicalversion die Uraufführung auf der Seebühne am Walensee in Walenstadt (das zwischen Zürich und Chur liegt). Initiantin, Schöpferin und Umsetzerin war die Ferienregion Heidiland (Tourismus-Verband Sarganserland-Walensee). Die deutsche Erstaufführung des Musicals erfolgte jetzt rund 700 Kilometer entfernt, im Anhaltischen Theater Dessau. Hierfür wurde der Text ins Hochdeutsche übersetzt und die Musik für die 85 Mann starke Anhaltische Philharmonie neu arrangiert.
Schon der Untertitel „Musical nach dem Roman und der Lebensgeschichte der Johanna Spyri“ verdeutlicht, dass hier zwei Geschichten miteinander verbunden wurden. Neben der eigentlichen Heidi-Geschichte (dem ersten Teil: Heidis Lehr- und Wanderjahre) steht die Autorin selber im Mittelpunkt. Johanna Spyri litt zeitlebens an Depressionen. Ihr Ehemann (Jurist, Redakteur und Stadtschreiber von Zürich) war ein Workaholic und Wagner-Fan. Für seine Frau brachte er nur wenig Interesse auf. Ihr einziger Sohn Bernhard starb mit 28 Jahren an Schwindsucht.
Das Musical ist daher nicht nur für Kinder sehenswert, sondern auch für Erwachsene. So wie sich die kleine Heidi auf ihrem Lebensweg, auf dem Weg zum eigenen Ich, in zum Teil belastender Umwelt zurechtfinden muss, steht auch die Figur der Johanna Spyri für den Abweg, auf den man als Erwachsener möglicherweise gelandet ist. Auch Johanna merkt, dass in ihrem Leben nicht alles stimmt. Sie lebt einsam in einer toten Beziehung, in der nur Konventionen gepflegt werden und sie lediglich ihre Funktion als Stadtschreiberfrau erfüllt. Im Musical treffen Autorin und Hauptrolle aufeinander und Heidi wird zur Rettung von Johanna.
Buch und Gesangstexte stammen von Shaun McKenna, hierzulande noch weitgehend unbekannt. Er schrieb bereits zusammen mit Matthew Warchus das Buch und die Liedtexte für die Musicalversion von „Herr der Ringe“, das von März bis September 06 in Toronto lief, ab Mai 2007 in London und in 2008 in Deutschland gespielt werden wird und das laut Guinessbuch der Rekorde das Musical mit den höchsten Produktionskosten ist. Die Musik stammt von Stephen Keeling, der schöne Arrangements geschaffen hat: schmissige Ensemblenummern und berührende Balladen (Dirigent Wolfgang Kluge). Das Musical ist nicht durchkomponiert, d.h. es gibt auch viele Szenen wo nur gesprochen wird.
Mit viel Aufwand und vielen Darstellern hat das Anhaltische Theater Dessau dies Stück auf seine große Bühne gestellt, wo es bis ins Jahr 2008 gespielt werden soll. Regisseurin Ana Christine Haffter sind dabei besonders die großen Tumultszenen hervorragend gelungen und die berührend emotionalen Szenen, vor allem die der Johanna Spyri. Das wunderbare Sextett im ersten Akt läßt sie hingegen nur etwas einfallslos vom Bühnenrand aus singen.
Um den trüben Seelenraum Johanna Spyris zu visualisieren schuf Stefani Klie ein großzügiges Wohnhaus, mit bedrohlich wirkenden, dunklen großen Türen/Eingängen (vier auf jeder Seite) auf zwei Ebenen. Requisiten wie das Krankenbett des Sohnes oder ein Stehpult werden jeweils herein geschoben.
Für die heitere, hellere, freundlicherer und „heile“ Bergwelt öffnet sich der Hintergrund und ein blauer Prospekt mit Alpen erscheint. Aus der Bühnenmitte fahren hölzerne Hüttenelemente empor, Bergziegen hängen einem Mobile gleich von oben herab. Das ist eine sehr eindimensionale Umsetzung (glückliche Bergwelt, kaltherzige Stadt), entspricht aber zumindest der Intension Spyris und ist auch für die jungen Zuschauer nachzuvollziehen.
Angesiedelt an die Originalzeit (1880) sind die aufwändigen Kostüme (auch Stefani Klie), die die Frauen in altmodischen Röcken und die Herren in Anzügen zeigen, die Dorfbevölkerung gibt sich entsprechend volkstümlich.
Nach dem eher etwas formalen Anfang, bei dem in die Doppelgeschichte eingeführt wird, lockert die Stimmung in der Szene im Heim von Sesemanns deutlich auf. Anfangs von Kindern (Hannah Fricke und Tizian Steffen) gespielt, werden diese beiden Rollen von da an von erwachsenen Darstellern gespielt (und vor allem gesungen).
Heidi (Svenja Kruse) platzt mit ihrer fröhlichen Unbekümmertheit wie ein Meteorit von einem anderen Stern in die Welt von Klara. Kruse spielt die Heidi mit viel Charme, der passenden Natürlichkeit und großen Elan. Die Rolle des strengen Fräulein Rottenmeiers erfüllt Sike Wallstein geradezu perfekt. Kaltherzig gibt sie ganz die fiese Haushälterin, doch bleibt sie nicht dabei. Anfangs zunächst zugeknöpft und verbissen, schafft Heidi auch ihr Herz zu berühren, über sich nachzudenken und sich sogar ihr gegenüber zu öffnen.
Regisseurin Ana Christine Haffter lässt sie nicht nur ihn Ohnmacht fallen oder auf dem Tisch tanzen, sondern gibt ihr genügend Raum, sich zu entwickeln und Wallstein gelingt dies grandios, sodass am Ende die Kinder auch sie ausgiebig beklatschen.
Als Johanna Spyri ist die Schweizerin Sue Mathys zu erleben, die diese Rolle bereits 2005 und 2006 in Wallenstein gespielt hat und unübertroffen in ihrer darstellerischen Präsenz der verzweifelten Mutter und Ehefrau ist.
Bei diesem starken Damentrio bleibt für die Männer nicht ganz so viel Platz. Zu erwähnen sind aber auf alle Fälle Manfred Ohnoutka als grimmiger Alpöhi, Christoph Rosenbaum als Frohnatur Peter, Kostadin Arguirov mit großer Vaterliebe als Herr Sesemann und sehr beweglich: David Schroeder als Doktor/Kandidat.
Markus Gründig, Dezember 06