kulturfreak.de Besprechungsarchiv CDs, Teil 2

© Auri Fotolia

Jesus Christ Superstar ~ Live in Concert

Gehört Andrew Lloyd Webbers Rockoper Jesus Christ Superstar auch zu den weltweit erfolgreichsten Musicals, die Ankündigung einer neuen Einspielung haut einen gewöhnlich nicht vom Hocker. Die jetzt bei Sony Masterworks erschienene Live-Aufnahme aus den USA tut dies allerdings schon. Die Produktion entstand für den amerikanischen TV-Sender NBC (unter Beteiligung von Andrew Lloyd Webber und Textautor Tim Rice als Koproduzenten). Sie gefällt ob der starken Stimmen, dem super Sound und den vermittelten authentischen Gefühlen, die nicht nur auf reinen Wohlklang gestimmt sind (schließlich geht es ja bei der Passionsgeschichte auch um Gewalt und Leid). Damit erfüllt diese Aufnahme zwar nicht jedermanns Geschmack und sie wird vermutlich zwangsläufig polarisieren. Schon der eingespielte oftmals euphorisch ausfallende Publikumszuspruch irritiert, da man als reiner Hörer das korrespondierende Bühnengeschehen (der renommierte britische Theaterregisseur David Leveaux inszenierte die Neuproduktion) bei dieser Aufnahme nur grob nachvollziehen kann. Aber davon abgesehen, ist es eine herausragende Superstar-Produktion, voller Energie und großer Gefühle. Dafür sorgen nicht zuletzt die großen Namen bei der Sängerbesetzung: R&B-Musiker John Legend als Jesus Christ, Singer-Songwriterin und Broadway-Star Sara Bareilles als Maria Magdalena und Rocklegende Alice Cooper als König Herodes.

Es macht von Anfang an Spaß, sie zu hören. Beim ersten Song „Heaven on their minds“ nimmt sogleich Brandon Victor Dixon als Judas für sich ein. Sara Bareilles begeistert mit anmutiger Stimme bei „Everything’s Alright“. John Legend glänzt mit souliger Stimme in der Titelrolle, nicht nur bei „Gethsemane“. Die Besonderheiten der Aufnahme werden bei Songs wie „Pilate and Christ“ (rau und derb, mit Ben Daniels als Pilatus) und „Judas’s Death“ (Brandon Victor Dixon als Judas voller Verzweiflung krächzend) deutlich. Es gibt aber auch genug zum Dahinschmelzen, wie das romantisch und sentimental anmutende orchestrale „John Nineteen: Forty One“. Mit jazziger Note beendet „Curtain Call“ diese aufwendige und hervorragende Aufnahme. Das Orchester spielt unter der Leitung des renommierten Musikproduzenten und Dirigenten Nigel Wright. Das der Doppel-CD beiliegende 28-seitige Booklet beinhaltet Fotos der Produktion und die Songtexte.

Markus Gründig, April 18

Jesus Christ Superstar ~ Live in Concert
(Original Soundtrack of the NBC Television event)

sonymusicmasterworks.com


Kinky Boots ~ Original Broadway Cast CD

Am 4. April 2013 feierte das mit sechs Tony-Awards ausgezeichnete gute Laune Musical Kinky Boots Premiere am Broadway, seit 2015 ist es auch im Londoner Westend zu sehen. Diesen Monat feierte es eine umjubelte Deutschlandpremiere im Stage Operettenhaus Hamburg. Wer noch keine Gelegenheit hat, die Show in Hamburg zu besuchen und dennoch die Songs hören will, kann sich die Wartezeit mit der bei Masterworks Broadway (Sony-Music) erschienenen CD mit der Original Broadway Cast verkürzen (in Hamburg läuft das Musical komplett auf Deutsch).

Kinky Boots basiert auf der gleichnamigen britisch-US-amerikanischen Tragikomödie aus dem Jahr 2005. Erfolgsautor Harvey Fierstein (Musical La Cage aux Folles) schrieb das Buch, die Musik und die Songtexte stammen von Cyndi Lauper (die in den 1980er Jahren mit Welthits wie „Girls Just Want to Have Fun“, „Time After Time“ und „True Colors“ bekannt wurde). Im Musical spielen ausgefallene Stiefel, die von den Zehen bis weit zu den Oberschenkeln reichen, eine ganz besondere Rolle. Helfen sie doch, eine kurz vor dem Bankrott stehende Schuhfabrik zu retten und unterstreichen den Grundtenor, der zu sein, der man sein möchte und werben gleichzeitig für Respekt

Cyndi Lauper schrieb für Kinky Boots durchweg neue Songs, es ist kein Jukebox-Musical mit ihren alten Hits. Wo das Eröffnungslied „The Most Beautiful Thing in the World“ noch klassischen Musicalgeschmack bedient, wechseln sich im Folgenden erfrischend wirkende rockige Nummern mit emotionalen und kraftvollen Balladen (wie Charlies „I’m Not My Father’s Son“ oder Lolas „Hold Me in Your Heart“) ab, garniert von großartigen popartigen und souligen Songs (wie „Sex Is In The Heel“ und „In This Corner“).
Die Original Broadway Cast CD bietet erstklassige Sänger, die mit ihrer frischen und rockigen Stimme überzeugen und dabei zusätzlich Laune auf das Musical machen. Allen voran Stark Sands als Charlie Price und Billy Porter als Dragqueen Lola („Land of Lola“, „What A Woman Wants“).

Markus Gründig, Dezember 17

Kinky Boots ~ Original Broadway Cast (CD inklusive 28-seitigen Booklet mit Songtexten) ist auch digital und als Vinyl LP erhältlich.


Jay Alexander: „Schön ist die Welt“

Und das Schöne blüht nur im Gesang
Friedrich Schiller (Zitat auf Jay Alexanders Webseite)

Er ist nicht nur im Duo Marschall & Alexander seit Jahren erfolgreich, sondern auch als Solokünstler: Jay Alexander. Der süddeutsche Tenor sorgt seit über zwei Jahrzehnten mit der Verbindung von Klassik- und Unterhaltungsmusik als Crossover-Künstler für Furore. Am 7. April 2017 erscheint sein viertes Soloalbum. Unter dem Titel „Schön ist die Welt“ macht er dabei einen Ausflug in weit zurückliegende Zeiten und bringt mit insgesamt achtzehn Titeln einen heiteren, gute Laune stiftenden Querschnitt aus der Welt der Operette und Raritäten aus Filmtiteln zu Gehör. Es ist ein verträumter Blick zurück an die gute alte Zeit. Diese ist auf dem Album zeitlich zwischen den 1930ern und den 1950ern verortet. Die nostalgisch anmutende Auswahl weist einige Titel auf, die heutzutage weitestgehend unbekannt sind. Für Jay Alexander sind sie eine unverzichtbare Erinnerung an die eigene Kindheit, an die Heimatfilme, die sonntagnachmittags im Fernsehen liefen. Der ausgebildete Opernsänger ist ein großer Romantiker und leidenschaftlicher Nostalgiker. Zudem betreibt er mit seinem Onkel Walter Pfitzenmaier in Knittlingen (nähe Pforzheim) ein privates Oldtimermuseum. Für ihn sind es oftmals die kleinen Dinge aus der Vergangenheit, die ihm einen Anker in der Gegenwart geben.

Einen schwungvollen Auftakt bietet das Titellied „Schön ist die Welt“ aus Franz Lehárs gleichnamiger Operette, bei der Jay Alexander gleich mit seiner samtigen und weichen Stimme und viel Leidenschaft auftrumpfen kann. Der Großteil der ausgewählten Lieder sind, inzwischen, wahre Raritäten. Wie die sehnsüchtig gegebene „Toselli-Serenade“ oder „Es gibt eine Zeit“. Es sind Lieder, die gute Laune pur vermitteln, zumal sie Jay Alexander mit viel Strahlkraft in der Stimme ganz natürlich präsentiert. Da fehlen natürlich „Frühling in Sorrent“ oder „Eine kleine Frühlingsweise“ nicht.
Leidenschaftlich wird es beim Tango („Ich küsse Ihre Hand, Madame“). Je ein englischer (Be My Love) und ein französischer Song („Plaisir d’amour“) sind ebenso wie zwei Duette enthalten. Für letztere konnte Jay Alexander die großartige Sopranistin Marlis Petersen gewinnen. Zusammen sorgen sie mit Walzerklänge („Tanzen möcht‘ ich“, aus Kálmáns Die Csardasfürstin) für puren Frohmut. Große Emotionen gibt es im Duett „Lippen schweigen“ (aus Franz Lehárs Operette Die lustige Witwe).
Der große Klassiker „Dein ist mein ganzes Herz“ (aus Franz Lehárs Operette Das Land des Lächelns) ist der letzte Titel auf dem Album, ein glanzvoller Abschluss.
Besonders gelungen sind auch die musikalischen Arrangements, die viel Esprit spüren lassen. Das Orchester der Kulturen spielt voller Verve unter der Leitung von Adrian Werum.

Markus Gründig, April 17

Jay Alexander: Schön ist die Welt
Label: PANORAMA
Im Handel ab 7. April 2017, Nr.: 00028947973508
jayalexander.de


Classical Voices: The Musicals

Im November 2014 erschien in Großbritannien die erste Ausgabe der Reihe „Classical Voices“ als ein Weihnachtsspecial in einer 3er-CD-Box. Im November folgte dann eine 3-er-CD-Box mit Musical-Hits. In Deutschland wird daraus nun die Doppel-CD „Classical Voices: The Musicals“ angeboten, die insgesamt 26 Songs beinhaltet. Das Besondere daran ist nicht nur die sorgfältig überlegte Auswahl aus dem Fundus der Musicalgeschichte, sondern auch die bekannten Namen, die die Titel in zum Teil ungewöhnlichen Interpretationen singen. Bekannteste altbekannte Sänger sind die Tenöre José Carreras („mit „This Nearly Was Mine“ aus „South Pacific“) und Plácido Domingo (mit „Maria“ aus „West Side Story“), sowie Julie Andrews (mit „The Sound of Music“ aus dem gleichnamigen Musical und mit „Wouldn’t It Be Loverly“ (aus: „My Fair Lady“).

Doch wurden für diese Zusammenstellung nicht nur Aufnahmen aus Archiven verwendet, sondern auch neuere. Darunter finden sich neben der populären Gruppe Il Divo vor allem Teilnehmer aus den Gesangswettbewerben Britain’s Got Talent und America’s Got Talent (dem Äquivalent zu unserem „Das Supertalent“). Dazu gehören die auch bei uns bekannten Susan Boyle und Paul Potts, aber auch die vor allem in Großbritannien bekannte Boygroup Collabro und die Gesangsduos Richard & Adam (Richard und Adam Johnson) und Jonathan and Charlotte (Jonathan Antoine und Charlotte Jaconelli), sowie die US-Sängerin Jackie Evancho.
Für Musicalpuristen sind manche Interpretationen ungewöhnlich. Beispielsweise „Stars“ (aus „Les Misérables“). Die Boyband Collabro singt das Lied sehr klangschön, doch eher wie eine Hymne, denn wie eine Ballade, die im Musical ja Javert singt, kurz bevor er sich voller Verzweiflung in die Seine stürzt. Etwas „weichgespült“ klingt auch „Don’t Cry for Me Argentina (aus: „Evita“) in der Version von Teatro. Viele der Songs werden mit großer Orchestermusik untermalt, wodurch sie zu großen Schmachtfetzen stilisiert werden. Das bescheidene „Can You Feel the Love Tonight“ (aus: „The Lion King“) erfährt beim Duo Richard & Adam ein fast schon bombastisches Format. Hoch dramatisch wird „The Impossible Dream (aus: „Man of La Mancha“) interpretiert. Das Lied singt hier kein Mann, sondern die Sopranistin Lesley Garrett.
Unter den vielen Songs verbergen sich auch bei uns eher selten zu hörende, wie „Edelweiss“, „Climb Ev’ry Mountain“ und der Titelsong aus „The Sound of Music“, „Falling Slowly“ (aus: „Once“) und „Live with Somebody You Love“ (aus: „Martin Guerre“). Vertraut erklingen Julie Andrews „Wouldn’t It Be Loverly“ (aus: „My Fair Lady“) und Jerry Hadleys Anthem (aus: „Chess“).
Insgesamt ein sehr schönes und vielfältiges Album, das Musicalhighlights mit klassischen und bekannten neuen Stimmen stimmungsvoll verbindet (es ist ab 1. April 16 im Handel erhältlich).

Markus Gründig, März 16


Nicole Jukic: Unplugged – Live

Kraftvoll und souverän präsentiert sich die gebürtige Kasseler Sängerin und Pianistin (mit kroatischen Wurzeln) Nicole Jukic auf ihrem Live-Album „Unplugged – Live“. Mit Songs auf englisch, die mitreißen und berühren, die Tiefe haben, aber nicht runterziehen, sondern die Lust wecken, mehr von dieser jungen Frau kennenzulernen oder einfach nur Spaß zu haben. Ihre Auswahl von elf Songs, ein Mix aus Pop, Soul und R&B, stammen zum Teil von ihr selbst, zum Teil handelt es sich um Coversongs (wie gelungene Neuinterpretationen von „Teardrops“ von Womack & Womack oder „Mercy“ von Duffy). Die Aufnahme entstand im September 2013 während eines Konzerts im Kasseler Jazz-Blues-Club „Theaterstübchen“.

Nach einer freundlichen Begrüßung des Publikums („einen wunderschönen guten Abend, schön dass ihr alle da seid, viel Spaß beim Konzert, enjoy the music“) steht der Song „Day After Tomorrow“ zu Beginn des Albums. Hierbei erinnert sie zunächst noch etwas an Katie Melua, doch schnell wechselt sie zu ihrem ganz eigenen Stil, präsentiert ihre große Bandbreite an Stimmfarben, die den Songs (die überwiegend von den Themen Beziehung und Liebe handeln) großes Format verleihen und ihre Hingabe an die Musik glaubhaft machen.
Große Nummern sind das leidenschaftliche und stürmische „Faith“ und das energetische „Dont Mess with my man“.
Bei Jukic ist kein Song einfach gestrickt, und vor allem die musikalische Umsetzung gefällt. Denn das Nicole Jukics Stimme so prägnant rüber kommt, liegt nicht zuletzt an den sie einfühlsam begleitende Musikern: Lars Kraume (Percussion), Christian Christe (Guitar), Costa (Beatbox, Darbuka) und Fan Yang (Cello). Sie selbst spielt zusätzlich am Klavier.
Einen einfühlsamen Abschluss mit Gitarren und Percussion bildet der Schlusssong „My Heart“.

Im Februar wird Nicole Jukic beim 10. Troubadour Singer-Songwriter Wettbewerb in Berlin teilnehmen. Nachdem sie im Jahr 2011 bereits den 2. Platz erreichte, drücke ich feste die Daumen für den Siegerplatz in 2015.

Markus Gründig, Januar 15


Miss Saigon – Original London Cast 2014

„Miss Saigon“ schrieb Musicalgeschichte, u.a. in Deutschland und in England. Mit ihm wurde vor zwanzig Jahren die Musical Hall I (das heutige Stage Apollo Theater) im damals neu entstandenen Stuttgarter SI-Centrum eröffnet. Vom 2. Dezember 1994 lief es in der deutschen Übersetzung von Heinz Rudolf Kunze über fünf Jahre, bis zum 19. Dezember 1999. Von solch einer langen Laufzeit wird heute meist nur noch geträumt (Starlight Express in Bochum stellt eine kaum fassbare, rühmliche Ausnahme dar).
Für noch mehr Furore sorgte die Originalproduktion in London, die vom 20. September 1989 an bis1999 im Theatre Royal Drury Lane lief und es auf sagenhafte 4.263 Vorstellungen brachte. Bei fast jeder landete auch der Hubschrauber, durch den das Stück bekannt wurde. Es stammt aus der Feder von Alain Boublil und Claude-Michel Schönberg, den Machern des Musicals „Les Misérables“.

Zum 25-jährigen Jubiläum ist „Miss Saigon“ erneut in London zu sehen, seit dem 3. Mai 2014 läuft es im Prinz Edward Theatre. Der Vorverkaufsstart in 2013 brach alle bisherigen Rekorde. Von dieser Wiederaufnahmeproduktion erschien jetzt eine Live-Aufnahme, die es auf CD und in den gängigen digitalen Formaten gibt. Genaugenommen sind es zwei Versionen. Eine Highlight-Version mit insgesamt 17 Titeln und eine Deluxe-Version mit 36 Titeln.

Die Geschichte der jungen Kim, die sich erschießt, um ihrem Sohn ein besseres Leben in den USA zu ermöglichen (angelehnt an Puccinis „Madame Butterfly“ bzw. an die  französische Novelle „Madame Chrysanthemum“), berührt immer wieder. Im Musical ist sie mit großen Ensemblenummern beeindruckend in Szene gesetzt worden. Auf der Live-Aufnahme aus dem Prinz Edward Theatre gibt es bekannte wie neue Stimmen zu erleben. Mit dabei ist beispielsweise Jon Jon Briones, der die Rolle des Engineers nicht nur bereits bei der Originalproduktion von 1989 verkörperte, sondern auch bei der deutschen. Sein „The American dream“ führt er als große Nummer auf.
Kein Unbekannter in London ist auch der junge Alistair Brammer, der u.a. 18 Monate die Rolle des Marius in der Londoner „Les Misérables“-Produktion gegeben hat. Er gibt den Chris mit anmutigen und frischem Klang („Why God why?“). Das Herz berührt die US-Amerikanerin Eva Noblezada als Kim, sei es mit „The movie in my mind“, „I still believe“ oder mit „I’d give my life for you“.
Die Highlight-CD von „Miss Saigon“ macht Spaß, das „zeitlose Meisterstück“ (Classic FM), die pathetische Pop-Oper (Thomas Siedhoff) mit seinen sentimentalen Balladen und großen Ensemblenummern wieder- bzw. neu zu entdecken.

Markus Gründig, September 14

Miss Saigon – Original London Cast 2014
Polydor (Universal Music)


Khatia Buniatishvili: Motherland

1987 geboren, debütierte Khatia Buniatishvili bereits mit sechs Jahren als Solistin mit Orchester. Ab dem zehnten Lebensjahr folgten Auftritte in Europa, Israel und den USA. 2008 war sie Preisträgerin beim Arthur Rubinstein Wettbewerb, 2010 wurde sie mit dem Borletti-Buitoni Trust Award ausgezeichnet und in die Reihe der BBC New Generation Artists aufgenommen. Der Musikverein und das Konzerthaus Wien nominierten Khatia Buniatishvili für die Saison 2011/12 zum Rising Star; 2012 erhielt sie den Echo Klassik als Newcomerin des Jahres. In der laufenden Saison spielt sie Solo-Konzerte u.a. in Berlin, Wien, Brüssel, London und New York, ist mit den Münchner Philharmonikern unter Lorin Maazel auf Tournee und gastiert beim Gstaad Festival.“ (Sony Classical)

Nach ihren ersten beiden CDs mit Werken von Franz Liszt (2011) und Chopin (2012) erschien im Frühjahr 2014 das dritte Album der georgischen Pianistin Khatia Buniatishvili, ebenfalls bei Sony Classical. Anders als die beiden CDs zuvor, ist das dritte Album nicht einem Komponisten gewidmet, sondern einem Thema: Motherland.
Dies ist für Buniatishvili keine geografische Verankerung, als vielmehr ein Begriff für ein eher unbestimmten aber weit interpretierbaren mystischen Ort. Mit 17 Stücken, die vom Altmeister Johann Sebastian Bach (Aria: „Schafe können sicher weiden“) bis hin zu Arvo Pärts „Für Alina“ aus dem Jahr 1976 reichen, umschreibt sie musikalisch „Motherland“.

Dabei berücksichtigte sie nicht nur populäre Komponisten wie Johannes Brahms, Franz Liszt oder Frédéric Chopin, sondern auch nicht so bekannte, wie den georgischen Komponisten Gija Kancheli (mit seiner Filmmusik „When Almonds Blossomed“, die eigens für Klavier transkribiert wurde), den Erneuerer der Musik György Ligeti oder Alexander Skrjabin.

Hörenswert macht dieses Album aber nicht nur die große Vielfalt an Komponisten, sondern vor allem auch die Stückauswahl, die abseits üblicher Klassik-Hitparaden liegt, sodass auch erfahrene Klassik-Ohren Neues oder Seltenes zu hören bekommen. Wie Khatia Buniatishvilis Bearbeitung des Volkslieds „Vagiorko ma“, dem einzigen Stück mit einer gewissen Vehemenz.
„Motherland“ will in erster Linie verführen, zum Hören und Träumen, zum in sich gehen und das eigene „Motherland“ zu erforschen. Das geschieht meist besänftigend (wie bei Franz Liszts „Wiegenlied“), mitunter leicht melancholisch (wie bei Ravels „Pavane [ein Tanz] für eine tote Prinzessin“ und manchmal auch lebhaft und heiter (wie bei Mendelssohns “Lied ohne Worte“).
Im CD-Booklet gibt Hannah Dübgen kurze Erläuterungen und Hinweise zu den Stücken. Dazu gibt es einen Prolog und Epilog von Khatia Buniatishvili (zu den Stücken von Bach und Pärt), die in der georgischen Hauptstadt Tiflis geboren wurde und seit einigen Jahren in Paris lebt. Die gerne auch als „Vulkan“ bezeichnete Pianistin zeigt sich hier romantisch, verklärt und bietet dem Hörer an, sich sein eigenes „Motherland“ in Tönen und Farben auszumalen. Ein sehr sinnliches Album für stille Momente.

Markus Gründig, Sommer 14

Khatia Buniatishvili: Motherland
Sony Classical #: 88843067512


Yiruma: Blind Film

Chillout-Musik der besonderen Art

Der Pianist, Musiker und Komponist Yiruma wurde durch die Vampir-Saga „Twilight“ bekannt, also indirekt. Sein Stück “River Flows In You” sollte ursprünglich für „Twilight“ verwendet werden, wurde dann aber doch nicht berücksichtigt. Die Fans von „Twilight“ hatten aber von dem Stück gehört. Über Youtube wurde es dann zu einem internationalen Hit, in Deutschland schaffte es “River Flows In You” sogar in die Top 20.
Yiruma ist in seiner südkoreanischen Heimat ein gefeierter Starpianist. Er ist mit der ehemaligen Miss Korea SonHye-Im verheiratete (die beiden haben eine Tochter). Nach über einem Dutzend Alben hat er jetzt ein weiteres Album herausgebracht: “Blind Film“, der Soundtrack zu einem imaginären Film. Es muss ein sehr romantischer Film sein, den Yiruma sich beim Komponieren vorgestellt hat. Die elf Stücke sind zarte Träumereien eines Verliebten. Sie umschmeicheln die Seele und gehen leicht ins Ohr. Dabei entziehen sie sich einer bestimmten Kategorie, wie Chillout-Musik, Easy Listening, Meditations-Musik oder Klassik. Sie sind von allem ein wenig.
„Blind Film“ bietet eine ungewöhnlich harmonisch und gleichsam abwechslungsreiche Vielfalt an Melodien. Jedes Stück hat seinen ganz eigenen Reiz, dem sich nur schwer zu entziehen ist. Sie sind alle leicht melancholisch gehalten.
Im dem der CD beiliegenden Booklet hat Yiruma zu jedem Stück ein paar Gedanken niedergeschrieben. Die Träume, die ihn begleiteten, die Erwartung auf eine Person, die Überwindung von Tränen, der Spaziergang durch einen Phantasiewald…
Yiruma lädt mit seinen zarten Streicheleinheiten „Blind Film“ zum Entspannen und Träumen, zum Kuscheln und sich gehen lassen ein, zum Entwerfen eigener Bilder, zum zur Ruhe kommen. Dabei klingt seine Musik nie wie herkömmliche Entspannungsmusik, denn sie hat viel mehr Tiefe.

Für Abwechslung sorgen auch die Beteiligung von weiteren Musikern, wie dem Cellisten Kim Young-Min (bei „Waltz in E minor” (hier ist das Klavier sogar nur die Begleitung zum Cello), als auch bei “Prelude in G minor” und “Blind Improvisation”)
“Piano Quartet No. 1 in A“ und “Piano Quartet No. 3 in C“ sind Quartett-Aufnahmen, bei denen neben Kim Young-Min noch Lin Wayne (Violine), Huang Hung Wie (Viola) und Ji Suk Young (Klavier) mitwirken. Die CD eignet sich bestens, um dem Leben ein wenig von seinem hohen Tempo zu nehmen, sich entspannt zurückzulehnen und seinen eigenen Film zu erleben.

Markus Gründig, April 14

Yiruma: Blind Film
Sony Classical # 88843040652


Klaus Florian Vogt: Favorites

Schön ist die Welt

Klaus Florian Vogt zählt zu den bedeutendsten deutschen Tenöre. Er gastiert regelmäßig an den wichtigsten Opernhäusern, national wie international. Mit seinem sensationellen Bayreuth-Auftritt 2011 als „Lohengrin“ schaffte er es in den Olymp der besten Wagner-Sänger. Im Jahr 2012 wurde er mit einem ECHO-Klassik als „Sänger des Jahres“ ausgezeichnet. Auch die Liste seiner Aufnahmen weist bereits ein ansehnliches Schaffen auf, dem er jetzt eine ungewöhnliche Seite hinzufügte: Seine Favoriten aus Operette und Musical. Und bricht damit gleichsam eine Lanze für diese Genre, die an den Opernhäusern, wenn überhaupt, eher stiefmütterlich behandelt werden.

Auf der knapp 60-minütigen CD befinden sich insgesamt 15 Titel, davon neun aus der Welt der Operette und sechs aus der Welt des Musicals. Mit einer klugen Auswahl an Liedern zollt er nicht nur der Operette Tribut, sondern drückt mit drei von Ihnen auch seine Liebe zu Wien aus („Grüß mir mein Wien“, „Im Prater blüh’n wieder die Bäume“ und „Wien, du Stadt meiner Träume“). Besinnliches (wie „Immer nur lächeln, immer vergnügt“ aus Lehárs „Land des Lächelns“ oder „Es steht ein Soldat am Wolgastrand“ aus Lehárs „Der Zarewitsch“) ist ebenso vertreten wie der Operetten-Hitparaden-Favorit „Dein ist mein ganzes Herz´“ aus Lehárs „Land des Lächelns“, den Vogt voller Hingabe, aber ohne Übertreibung singt. Begleitet wird Vogt von dem Münchner Rundfunkorchester unter Leitung von Gerrit Prießnitz.
Schon beim ersten Lied „Grüß mir mein Wien “ (aus Emmerich Kálmáns „Gräfin Mariza“) begeistert Vogt mit seiner ungemein frisch, ja jugendlich leicht klingenden Stimme, die er mit Verve und Durchschlagskraft vorführt, sie dabei aber stets elegant führt (gilt auch für die weiteren Operetten). Er besticht durch eine große stimmliche Bandbreite, tenorale Strahlkraft und sphärische Höhen. Das klingt stets so frisch und frei, dass man als Hörer richtig Lust auf mehr Operette bekommt, ein echter Gewinn! Wie ihm auch selbst die Erfahrungen die er während seines Gesangstudiums in Lübeck mit dem Genre Operette sammeln konnte (große stimmliche Bandbreite und Flexibilität, gepaart mit hohem Maß an Textverständlichkeit und Gestaltung zu einem Gewinn hinsichtlich seiner Wagner-Interpretationen wurden.

Die auf die Operetten-Auswahl folgenden Musical-Songs wirken zunächst wie ein Bruch, was größtenteils daran liegt, dass Vogt sie überwiegend im englischen Original singt. Das ist zwar üblich, allerdings nimmt es hier etwas vom Gesamtcharakter der CD. Dabei gibt es von den ausgewählten Musical-Klassikern (bis auf „Chess“), durchaus gute deutsche Übersetzungen.
Ausgewählt hat er ausgesprochene Musicalklassiker, die er alle ganz wunderbar singt. Neben „West Side Story“ (1957) präsentiert er drei Musicals der 80-iger Jahre: Les Misérables (1980), Das Phantom der Oper (1986) und „Chess“ (1986).
„Maria“ und „Somewhere“ (aus Bernsteins “West Side Story”), „Empty Chairs“ und „Bring him home“ (aus Schönbergs “Les Miserables”) stehen bei den Musicals im Mittelpunkt. „Musik der Nacht“ aus Andrew Lloyd Webbers „Das Phantom der Oper“ singt er auf deutsch. Als letztes Lied präsentiert er den pathetischen Song „Anthem“ aus dem Musical „Chess“ (der ABBA-Jungs Benny Andersson und Bjorn Ulvaeus). Ein würdiger Abschluss, bei dem er ruhig mit stärkerer Intensität hätte singen können (denkt man an die Aufnahmen von Michael Ball oder Ethan Freeman von diesem Lied).

Operette und Musical können nah beieinander liegen, vor allem wenn sie so ans Herz gehend gesungen werden, wie von Klaus Florian Vogt. Und dann scheint es ganz selbstverständlich: „Schön ist die Welt“.

Markus Gründig, März 14

Klaus Florian Vogt: Favorites
Sony Classical # 88843035382


Evita – New Broadway Cast Recordung

In der deutschen Theaterlandschaft gilt das Musical Evita als Garant für ein volles Haus und entsprechend oft wird das Stück inszeniert, gerne auch bei den verschiedenen sommerlichen Freilichtproduktionen. In den USA ist das grundsätzlich nicht anders. Wenn eine Neuinszenierung des Stücks aber am hart umkämpften New Yorker Broadway bestehen soll, muss diese schon mit einem außergewöhnlichen Highlight aufwarten, auch wenn es erst die zweite Produktion dieses Musicals am Broadway ist (zuvor war Andrew Lloyd Webbers Hit nur vom September 1979 bis Juni 1983 am Broadway im Broadway Theatre zu sehen). Seit April diesen Jahres läuft eine Neuproduktion (im Marquis Theatre), die bei der diesjährigen Tony-Award Verleihung u.a. als „Best Revival of a Musical“ nominiert wurde. Zugpferd dieser Produktion ist Ricky Martin als Che. Er wurde in den 90ern mit Hits wie „Livin‘ La Vida Loca“, „Maria“ und „She bangs“ zum international gefeierten Star. Dabei ist der gebürtige puerto-ricanische Sänger und Schauspieler (General Hospital) bereits ein erfahrener Musicaldarsteller. Spielte er doch schon vor Beginn seiner Karriere in Mamá Ama El Rock (eine Produktion des Mexikanischen Fernsehens) mit. Auch steht er jetzt nicht das erste Mal auf dem Broadway, hier verkörperte er bereits den Marius in Les Misérables. Auch die zweite männliche Hauptrolle ist hochkarätig besetzt: mit Michael Cerveris als Perón. Cerveris verkörperte am Broadway Hauptrollen wie John Wilkes Booth (Musical Assassins), Thomas Andrews (Musical Titanic) und Sweeney Todd (Musical Sweeney Todd) und Tommy (The Whos Tommy), für die er zahlreiche Nominierungen und Auszeichnungen erhielt. Als Tommy war er auch in dem gleichnamigen Musical bei der deutschen Erstaufführung in Offenbach/Main zu erleben. Auf der jetzt bei MASTERWORKS BROADWAY /Sony Classical erschienen Cast-CD der aktuellen Broadwayproduktion gefallen beide Performer außerordentlich. Martins Stimme klingt stets frisch und kraftvoll und verströmt dennoch eine gewisse Leichtigkeit (wunderschön: „Oh What a Circus“ und „High Flying, Adored“). Cerveris´ klingt etwas reifer, aber das passt ja auch zur Rolle des Perón. Sein balsamische Tiefe geht unter die Haut und berührt (“She Is a Diamond”).
Die Rolle der Evita wurde mit der gebürtigen Argentinierin Elena Roger besetzt, die damit ihr Broadwaydebüt gab. Der Part ist für sie hingegen nicht neu. Bereits beim West-End Revival 1996 in London verkörperte sie die Hauptrolle. Ihre Stimme berührt und betört, vor allem in den lyrischen Phasen und bei Balladen wie „You Must Love Me“. Wenn es expressiver zugeht, klingt sie mitunter etwas quäkig (leider auch beim Hauptsong „Don’t Cry for Me Argentina“). Das mag vielleicht nur ein Tribut für die amerikanischen Ohren sein, ist aber nicht jedermanns Geschmack.
Die Aufnahme an sich vermittelt sehr schön ein südamerikanisches Flair (wie bei der Ensemblenummer „Buenos Aires “). Die zwei CDs enthalten das komplette Musical ohne die Dialoge. Als Bonustrack gibt es zusätzlich eine grandiose spanische Version von „Don’t Cry For Me Argentina“ (= „No llores por mí Argentina“), jedoch ohne „Gequäke“. Hier spürt man ganz besonders Rogers große Erfahrung (die auch schon die Rolle der Édith Piaf im Musical Piaf verkörperte). Das Booklet enthält nicht nur alle Songtexte sondern auch eine handvoll Bilder der aktuellen Broadwayproduktion. Es gibt auch eine Highlight-CD für all diejenigen, denen die Hauptsongs genügen.

Markus Gründig, Juli 12

Evita – New Broadway Cast Recordung
Sony Classical / MasterworksBroadway, # 88725424492 (2 CD), # 88725424492 (1 CD, Highlights)


Liza Minnelli: Live at the Winter Garden

Für Broadway-Nostalgiker

Die Bezeichnung Broadway-Legende ist bei ihr keine platte Attitüde: Liza Minnelli, die Tochter von Judy Garland und Vincente Minnelli, erhielt im Jahr 1965 als jüngste Darstellerin jemals einen Tony Award (19-jährig, für ihre Rolle der Flora Meszaros in Kander und Ebbs Musical „Flora, the Red Menace“). Sie stand bereits mit 14 Monaten das erste Mal vor der Kamera (mit ihrer Mutter für den Film „In the Good Old Summertime“) und feierte Triumphe am Broadway und in Hollywood (sie erhielt u.a. drei Tony Awards, einen Oscar, zwei Golden Globe Awards, einen Emmy und einen spezial Grammy).

Zu Beginn des Jahres 1974, ein Jahr nachdem sie für die Verkörperung der Sally Bowles in Bob Fosses „Cabaret“ einen Oscar erhalten hatte, trat sie für einen Monat mit einer Solo-Show (unterstützt von je zwei Tänzerinnen und Tänzer) im New Yorker Theater Winter Garden auf (in dem 1526 Plätze bietenden Theater läuft seit 2001 das Musical Mamma Mia!). Sämtliche Vorstellungen der damals 27-jährigen waren innerhalb nur eines Tages ausverkauft. Das Konzert war damals bei Columbia Records als LP erschienen, doch aufgrund von rechtlichen Problemen vom Markt genommen worden. Vor wenigen Wochen erschien nun bei Masterworksbroadway erstmals eine CD mit 14 Liedern dieses Programms, komplett remastered und mit drei bisher unveröffentlichten Bonus Tracks.

Die Ouvertüre bietet mit einem aus vier Liedern zusammengesetzten Potpourri bereits einen guten Querschnitt über das Programm, das beileibe keinen Musicalquerschnitt darstellt, auch wenn Liza Minnelli viele Lieder „ihrer“ Autoren John Kander und Fred Ebb in diesem Konzert interpretierte. Die erste der von ihr gesungenen Nummern leitet von If You Could Read My Mind  zu Come Back To Me über. Schon hier zeigt sie ihr vor purer Energie schier zerberstende stimmliche Präsenz. Intimer, an Barmusik anmutend, geht es mit Shine in Harvest Moon weiter (dem später ein More Than You Know folgt). Ihr großes Talent als Entertainerin beweist sie mit Exactly Like Me und The Circle (auch bekannt in der Version von Edith Piaf). Highlight der CD ist I’m One of the Smart Ones, wo sie kraftvoll großen Bühnenzauber, gepaart mit ihrer einmaligen Stimme, demonstriert.
Gute Laune Musik im Stil der 70er (Kojak und Co.) klingt mit Natural Man und I can See Clearly Now an, wie auch die nachfolgenden Songs gute Stimmung verbreiten, so wie man es von Liza Minnelli gewöhnt ist. Dem Auf und Ab des Lebens gleich gibt es aber auch besinnliche, leicht dramatische und melancholische Nummern, wie Quiet Thing und die Doppelnummer Anywhere You Are/ I Believe You. Zum Schluss präsentiert sie, unterstützt von einem Orchester im Big Band Stil natürlich eine überaus schwungvolle Version von Cabaret.
Für ein Eintauchen in vergangene Zeiten mit einer nach wie vor faszinierenden Persönlichkeit ist dieses Album bestens geeignet.

Markus Gründig, Juni 12

Liza Minnelli: Live at the Winter Garden
completely remastered, with bonus tracks
MasterworksBroadway, # 88691941962

Tracklisting:

  1 Overture (Live) 03:38
  2 If You Could Read My Mind/Come Back To Me (Live) 03:15
  3 Shine On Harvest Moon (Live) 04:29
  4 Exactly Like Me (Live) 05:13
  5 The Circle (Live) 04:24
  6 More Than You Know (Live) 05:03
  7 I’m One Of The Smart Ones (Live) 03:46
  8 Natural Man (Live) 03:51
  9 I Can See Clearly Now (Live) 03:42
10 And I In My Chair (Et Moi Dans Mon Coin) (Live) 04:15
11 There Is A Time (Le Temps) (Live) 02:11
12 Quiet Thing (Live) 03:37
13 Anywhere You Are/ I Believe You (Live) 03:33
14 Cabaret Medley (Live) 04:25

Bonus Tracks (bisher unveröffentlicht)

15 You and I (Live) 03:34
16 It Had to Be You (Live) 05:32
17 My Shining Hour (Live) 03:38


„Rock of Ages“ Soundtrack

Glänzendes Glam-Rock Revival

Seit dem 14. Juni 2012 läuft der Warner Bros. Musik-Film „Rock of Ages“ in den deutschen Kinos (von „Hairspray“-Regisseur Adam Shankman). Bei Sony Classical ist eine Woche zuvor der dazugehörige Soundtrack erschienen. 20 Songs, bei einer Gesamtspieldauer von 63 Minuten, nehmen den Zuhörer mit auf eine energiegeladene Reise zurück in die 80iger Jahre (zur Jugendzeit der heute mittleren Jahrgänge). Der Film basiert auf dem gleichnamigen Jukebox-Musical, das am 27. Juli 2005 im King King Club auf dem Hollywood Boulevard in Los Angeles Premiere feierte. Im Oktober 2008 begannen Aufführungen in New York. Erst Off-Broadway im kleineren Theater  New World Stages, ab März 2009 dann im Brooks Atkinson Theatre und seit 2011 im mit 597 Plätzen kleinsten Broadway-Theater, dem  Helen Hayes Theatre.
So, wie erfolgreiche Filme ihren Weg auf die Musicalbühne finden, werden auch gerne erfolgreiche Bühnenproduktionen verfilmt. Das Besondere bei der Rock of Ages-Filmversion ist deren hochkarätige Besetzung, mit Schauspielern wie Alec Baldwin, Catherine Zeta-Jones und Tom Cruise und der Sängerin Mary J. Blige. Dabei darf zwar nicht übersehen werden, dass es natürlich die Stimmen der Schauspieler sind, die hier singen. Sie geben ihr Bestes und das ist recht viel! Tom Cruise (Top Gun, Rain Man, Mission: Impossible) soll sogar extra viel Gesangsunterricht für diesen Film genommen haben. Zwar kommt er nicht an den fast gleichaltrigen Axl Rose ran, dafür ist seine Stimme etwas zu hell. Dennoch gefällt „Paradise City (Guns N’ Roses), das erste Lied des Soundtracks. Es fetzt und rockt volle Kanne. Tom Cruise lässt es hier ordentlich krachen, ein starker Auftakt.
Wie generell die neu eingespielten Songs überzeugen, elektrisieren und verbreiten sie doch einfach eine gute Stimmung (wie „I Wanna Rock“ der Twisted Sister, gesungen von Diego Boneta). Selbst die enthaltenen Rockballaden (wie Poisons „Every Rose Has Its Thorn”, gesungen von Julianne Hough, Diego Boneta, Tom Cruise und Mary J. Blige) lassen einen nicht ruhig sitzen.

Die Songs sind freilich geeignet bei den etwas Älteren nostalgische Erinnerungen zu wecken, sie klingen aber alles andere als altbacken. Die Stars des Glam-Rock erleben ein unverhofftes Comeback, denn die Songs stammen von Rocklegenden wie Bon Jovi, Def Leppard, Foreigner, Guns N´Roses, Journey, Pat Benatar, REO Speedwagon und Whitesnake. Auch ein Song der Scorpions („Rock You Like a Hurricane“) ist auf dem Soundtrack enthalten. Dabei unterscheidet sich die Songauswahl vom Film zu der des Musicals (was auch das Ende der Geschichte anbelangt). Die Hälfte der Songs ist identisch, die andere Hälfte nicht. Außerdem gibt es interessante Mash-Ups zu hören: “Juke Box Hero / I Love Rock N Roll” mit Alec Baldwin, Russell Brand, Diego Boneta und Julianne Hough; “More Than Words / Heaven” mit Julianne Hough und Diego Boneta; “We Built This City / We’re Not Gonna Take It” mit Catherine Zeta-Jones und Russell Brand. Zum Arme hochreißen und mitschwingen bestens geeignet ist auch das letzte Lied (im Film und auch im Musical): Don’t Stop Believin‘ von Journey. Hier dargeboten von Julianne Hough, Diego Boneta, Tom Cruise, Alec Baldwin, Russell Brand und Mary J. Blige.

Markus Gründig, Juni 12

Tracklisting:

  1. Paradise City – Guns N’ Roses (Performed by Tom Cruise)
  2. Sister Christian/Just Like Paradise/Nothin‘ But A Good Time – Night Ranger & David Lee Roth & Poison (Performed by Julianne Hough, Diego Boneta, Russell Brand and Alec Baldwin)
  3. Juke Box Hero/I Love Rock ‘n’ Roll  – Foreigner & Joan Jett & the Blackhearts (Performed by Diego Boneta, Alec Baldwin, Russell Brand and Julianne Hough)
  4. Hit Me With Your Best Shot – Pat Benatar (Performed by Catherine Zeta-Jones)
  5. Waiting For A Girl Like You – Foreigner (Performed by Diego Boneta & Julianne Hough)
  6. More Than Words/Heaven – Extreme & Warrant (Performed by Julianne Hough & Diego Boneta)
  7. Wanted Dead Or Alive – Bon Jovi  (Performed by Tom Cruise & Julianne Hough)
  8. I Want To Know What Love Is – Foreigner (Performed by Tom Cruise & Malin Akerman)
  9. I Wanna Rock – Twisted Sister (Performed by Diego Boneta)
10. Pour Some Sugar On Me – Def Leppard (Performed by Tom Cruise)
11. Harden My Heart – Quarterflash (Performed by Julianne Hough & Mary J. Blige)
12. Shadows Of The Night/Harden My Heart – Pat Benatar & Quarterflash (Performed by Mary J. Blige & Julianne Hough)
13. Here I Go Again – Whitesnake (Performed by Diego Boneta, Paul Giamatti, Julianne Hough, Mary J. Blige and Tom Cruise)
14. Can’t Fight This Feeling – REO Speedwagon (Performed by Russell Brand & Alec Baldwin)
15. Any Way You Want It – Journey  (Performed by Mary J. Blige, Constantine Maroulis and Julianne Hough)
16. Undercover Love (New song composed for the film – performed by Diego Boneta)
17. Every Rose Has Its Thorn – Poison (Performed by Julianne Hough, Diego Boneta, Tom Cruise and Mary J. Blige)
18. Rock You Like a Hurricane – Scorpions (Performed by Julianne Hough & Tom Cruise)
19. We Built This City/We’re Not Gonna Take It – Jefferson Starship & Twisted Sister (Performed by Russell Brand & Catherine Zeta-Jones)
20. Don’t Stop Believin‘ – Journey (Performed by Julianne Hough, Diego Boneta, Tom Cruise, Alec Baldwin, Russell Brand and Mary J. Blige)


Falk & Sons: Celebrate Bach

Johann Sebastian Bach kann man zwar nicht als das „A und O“ („Anfang und Ende“ nach dem griechischen Alphabet) der Musik bezeichnen, jedoch für die Geistliche Musik schon. Der 1685 in Eisenach geborene Komponist, Orgel- und Klavier-Virtuose beeinflusst noch heute Menschen, die oftmals in der Kirche ihre erste Begegnung mit ihm hatten. So auch Dieter Falk, der nicht nur als mehrfach ausgezeichneter „Keyboarder des Jahres“ in der Jazz-Szene bekannt ist, sondern auch als erfolgreicher Produzent, Komponist und last, but not least als Jurymitglied bei der Castingshow Popstars (2006 und 2007).
Zusammen mit seinen beiden Söhnen Max (17 Jahre) und Paul (14 Jahre) hat er jetzt eines der außergewöhnlichsten Instrumental-Alben des Jahres veröffentlicht: „Celebrate Bach“ (Dieter Falk: Piano & Keyboards; Max Falk: Percussion & Drums; OPaul Falk: Organ & Keyboards).
Der Titel deutet es schon an, dem nimmermüden Schöpfer von Fantasien, Fugen, Kantaten, Konzerten, Messen, Motetten, Oratorien, Partiten, Passionen, Präludien, Suiten und Toccaten ist diese Hommage mit einigen seiner bekanntesten Werke gewidmet. Zu Beginn des Albums steht mit “Jesu meine Freude“ (aus der Motette BVV 227) das stärkste Stück. Es bildet einen hammerharten Auftakt. Alles, was das gesamte Album auszeichnet, findet sich hier genial vereint: die Freude über Bach, die Freude am (gemeinsamen) Musizieren, kunstvolle Arrangements, die die eingängigen Melodien überaus variationsreich interpretieren. Von Eintönigkeit keine Spur. Zarte Melodiebögen wechseln sich mit sich majestätisch aufbauenden und kreischenden E-Gitarrenklängen zu einem donnernden Freudeinferno auf. Und das nur mit drei Keybords. Entspannung folgt mit „Badinerie“ aus der Orchestersuite BWV 1067 (das man sich zunächst auch als Hintergrundmusik zur Ziehung der Lottozahlen vorstellen kann und dem später schmissige Bläsersätze beigemischt wurden) und dem bekannten „Air“ (BWV 1068). Wobei es gerade die modulationsreiche Umsetzung ist, die dieses Album auszeichnet. Denn obwohl man die Stücke kennt und wieder erkennt, klingen sie doch wie neu.
Rockiger ist dann wieder „Jesu bleibet meine Freude (BWV 147), das sich dynamisch und facettenreich aufbauscht, sodass man es sich auch gut als Begleitmusik zu einer Actionserie vorstellen kann. „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ führt träumerisch wieder zu ruhigeren Gewässern. Als wäre Till Brönner mit von der Partie, sorgt hier Trompetenklang für eine Baratmosphäre. Funky-Bläsersätze im rockigen Swing-Rhythmus führen in „Gloria“ zu großen Showformat. Das „Praeludium Nr.1 (BWV 248) ist eigentlich eine kleine Nummer aus dem Wohltemperierten Klavier. Durch die Hintereinanderstellung von Begleitung und Melodie wirkt es wie glanzvoll aufgepimt. Schwungvoll im Big Band Sound versprüht „Jauchzet, frohlocket“ (BWV 248) noch einmal gute Laune pur. Wie das abschließende euphorische „In dir ist Freude“, dem das besinnliche „Was Gott tut das ist wohlgetan“ vorangestellt ist.
Nicht nur zur bevorstehenden Weihnachtszeit ist „Celebrate Bach“ ein hervorragendes Gutelaune-Album, auch bei Stimmungsschwankungen während des Jahres ist es wärmstens zu empfehlen.

Markus Gründig, November 11

Falk & Sons: Celebrate Bach
Emarcy / Universal Music 06025 2782274

falkmusic.de


Bruno Böhmer Camacho: Nostalgic Vision

Ist das jetzt ein Bubi oder schon ein Mann? Auf dem Coverbild zu seiner Solo-CD „Nostalgic Vision“ wirkt der gebürtige Kolumbianer Bruno Böhmer Camacho schon sehr jung, trotz edlem Outfit in Hemd und Weste. Dabei ist der 25jährige Musiker erfahrener als er zunächst optisch wirkt. Aufgewachsen in der Industrie- und Hafenstadt Barranquilla, kam er 2002 nach seinem Schulabschluss zusammen mit seinen langjährigen Freunden Juan Camilo Villa und Rodrigo Villalón nach Deutschland, dem Heimatland seines Vaters. Hier gewann er bereits den 1. Platz beim Folkwangpreis Essen (2006 und 2008), war Finalist bei den Leverkusener Jazztagen (2008) und dem World-Jazzpartners Popkomm (2008). Zudem erhielt er eine Nominierung für den BMW International Jazz Award (2009). Im vergangenen Jahr ist er als Pianist in die deutsch-kubanische Formation Klazz Brothers & Cuba Percussion eingestiegen. Das in 2011 bei Sony Classical erschienene Album „Nostalgic Vision“ markiert für ihn einen neuen Höhepunkt. Auch wenn seine Freunde hier wieder mitmusizieren (Juan Camilo Villa am E-Bass und Rodrigo Villalón am Schlagzeug sowie weitere Gastmusiker), dominiert sein Klavierspiel. Die meisten Stücke hat Camacho selbst komponiert. Nur zwei Coverversionen (Stings „Fragile“ und „Poinciana“ von Nat Simons und Buddy Bernier) wurden in die insgesamt 12 Stücke umfassende Auswahl aufgenommen.
Mal verträumt, mal melancholisch, aber immer von tiefen Emotionen geprägt begeistert dieses Jazz und Fusion Album, das dem Smooth Jazz aber auch den kolumbianischen Wurzeln Camachos nahe steht. Einen großen Einfluss auf seine musikalische Entwicklung hatte nicht nur die Mutter (eine Konzertpianistin), sondern auch deren Vater (also sein Großvater): Ángel María Camacho y Cano, ein international bekannter Musiker, Komponist und Förderer der karibischen Musik. Schon das erste Stück „Volcanic ashes“ (Aschewolke) berührt im soften Jazz Stil. Es ist wohl eines von Camachos persönlichsten Stücken, hat er doch im vergangenen Jahr seinen Vater verloren. Stücke wie „Beyond Heaven“, „Static motion“, „Riga without you“ und „The final sorrow“ eignen sich zum Träumen, Kuscheln oder nur zum Genießen. Erstmals singt Camacho auch (die spanischen Texte sind im Booklet abgedruckt und die Titel zumindest ins Englische übersetzt worden). Sein Gesang bei den Jazzballaden wie „Quiero Olvidar (I wish I’d forget“) oder „Un Pajarito“ (One Little Bird“) unterstreicht die beruhigende Stimmung der Stücke. Der Albumtitel „Nostalgic Vision“ passt als Hinwendung zu einer inneren Harmonie vergangener Zeiten, die heute immer seltener zu werden droht. Wunderbar!

Markus Gründig, Juli 11

Bruno Böhmer Camacho: Nostalgic Vision
Sony Music Germany (Sony Classical), ASIN: B004NRAY4I

bbcamacho.com


2Cellos ~ Luka Sulic und Stjepan Hauser

Violinisten wie Nigel Kennedy, Vanessa-Mae und nicht zuletzt David Garrett erreichen mit ihrem Spiel auf der Geige nicht nur ein klassisches Publikum, sondern auch viele Menschen, die mit Klassik eigentlich wenig oder nur selten etwas anzufangen wissen (und André Rieu ist auch nicht zu vergessen). Für Furore sorgten im vergangenen Jahr die jungen kroatischen Musiker Luka Sulic und Stjepan Hauser. Ihre Einspielung von Michael Jacksons „Smooth Criminal“ wurde auf Youtube millionenfach angeklickt. Wobei sie nicht auf Geigen spielen, sondern auf Violoncellos (Cellos). Diese gehören als Tenor-Bass-Instrumente zwar zur Familie der Violinen, sind ähnlich gebaut, haben aber eine größere Korpuslänge und Zargenhöhe. Sie werden über einen Stachel auf dem Boden gestützt, ihr Tonumfang umfasst etwas mehr als 4 Oktaven. Vor allem seit Vivaldi rückte das Violoncello im Bereich der Kammermusik in den Mittelpunkt, als Soloinstrument ist es bis heute allerdings nicht so populär wie die Violine. Dies können Luka Sulic und Stjepan Hauser mit ihrer Debüt-CD nun ändern. Denn die an der renommierten Royal Academy of Music in London und am Royal Northern College of Music in Manchester ausgebildeten Musiker spielen keine Werke aus dem klassischen Repertoire, sondern zeitgemäße Pop- und Rockmusik (neben Songs von Michael Jackson auch von U2, Guns N`Roses, Nirvana, Kings of Leon und Sting). Als Vorband von Elton John rocken sie seit Juni durch große Hallen in Europa und den USA.
Zu Beginn des Albums steht „Where The Streets Have No Name“, das sich auch als erste Einspielung auf dem U2 Album „The Joshua Tree“ befand. Von den insgesamt zwölf populären Coverversionen ragen zunächst die energetisch und stürmisch eingespielten Stücke wie „Smooth Criminal“, „Welcome To The Jungle“  und „Smells Like Teen Spirit“ hervor. Es sind Rockklassiker in neuem Gewand. Wobei sie nicht ihre Härte eingebüßt haben. Durch das leidenschaftliche, intensive Spiel und dem Einsatz verschiedener Techniken (wie zupfen und trommeln) klingen die Stücke auf den Streichinstrumenten heftiger und härter als vermutet.
Poetisch und verträumt sind die ruhigeren Nummern, wie Stings „Fragile“ oder „The Resistance“ der britischen Band Muse. Ohne zu sehr ins Sentimentale abzudriften, gewinnen diese Stücke durch ihre langsameren Tempi an Ausdruck und wecken den Wunsch, mehr von Cellos gespielte Musik kennenzulernen.

Markus Gründig, Juli 11

2Cellos ~ Luka Sulic und Stjepan Hauser
Sony Music Germany / MASTERWORKS, ASIN: B0050R27BS
2cellos.com


Francesco Tristano: bachCage

Der gebürtige luxemburgische Pianist und Techno-DJ Francesco Tristano hat bereits elf Alben veröffentlich. Jetzt folgte das zwölfte, dabei ist er gerade einmal 29 Jahre jung. Doch hat er sich schon einen besonderen Ruf erworben, da sein Repertoire zwar die populären Klassiker berücksichtigt. Als großer Techno-Fan sind sein Repertoire und seine Einspielungen aber auch von modernen Musikstilen abseits klassischer Musik geprägt.
Das trifft auch auf das neue Album „bachCage zu, das jetzt unter dem Label der „Deutsche Grammophon“ erschienen ist (Tristano ist neu bei deren Muttergesellschaft Universalmusic unter Vertrag). Der Titel drückt schon aus, dass es hierbei nicht nur um Bach und Cage geht, wie auch Tristano selber verkündete, dass dies kein normales Klavierrecitalalbum sei. Das wäre dem avantgardistischen Künstler auch zu simpel. Er sieht sich hierbei eher als Kurator, der dem Publikum beide Welten näher bringen will, indem er mit seiner, nicht unbedingt klassischen Interpretation, zeitgemäße Strukturen hervorhebt.
Dabei liegen zwischen Johann Sebastian Bach (Spätbarockkomponist per excellence) und John Cage (moderner Konzeptkünstler per excellence) nicht nur Welten, sondern auch 227 Jahre. Bach wurde 1685 im thüringischen Eisenach geboren, Cage 1912 im kalifornischen Los Angelos.
Neben kurzen von ihm selber komponierten Eingangs- und Zwischenstücken, stehen auf dem Album vor allem Bachs Partita Nr.1 in B-Dur (BWV 825), die vier Duette BWV 802 – 805 und Cages „The seasons“ im Mittelpunkt des Albums.
Die Partita 1 nimmt in Bachs Œuvre einen besonderen Stellenwert ein, ist sie doch die erste Partita, die als gedruckte Fassung erschien (im Eigenverlag, Teil seiner „Clavierübungen, seines „Opus 1“). Noch heute ist sie sehr populär. Es handelt sich um stilisierte barocke Tanzsätze, die allerdings nicht zum Tanzen geeignet sind. Alle melodischen sieben Sätze zeichnen sich durch einen glanzvollen und leichten Klang aus. Beendet wird die Partita mit einem Glanzstück: einer rasanten Gigue.  Die Zwölfachtelbewegung in eine in Vierteln durchlaufende, durch Sprünge mehr als drei Oktaven umgreifenden Melodielinie und nachschlagende Achteltriolen in der Mittellage zerlegt und bei der der Pianist beständig die Hände überkreuzen muss.
In der Interpretation dieser Partita von Francesco Tristano wird die virtuose Spielfreude von ihm deutlich. Voller jugendlichem Sturm und Drang fegt er durch das Werk. Im schnellen Tempo, harten und spitzen Anschlägen ist er von einem träumerischen, zarten Klangspiel weit entfernt. Wie ein hektisches Heran- und umtasten, (so ist die Gigue bei dieser Aufnahme auch eine viertel Minute kürzer als gewöhnlich).
Besänftigend wirkend und wie in eine schwebende Zwischenwelt überleitend: das nachfolgende, knapp neunminütige „In a landscape“. Perfekter hätte der Übergang von Bach zu Cage nicht sein können. Cages Musik ist ja vor allem konzeptionell gedacht. „In a landscape“ stammt ebenso wie „The seasons“ aus dem Jahr 1947, also aus der früheren Zeit von Cage, markieren gleichzeitig aber auch den Übergang seines Kompositionsstils. Ein Jahr später erschien sein bahnbrechendes zyklisches Großwerk „Sonatas & Interludes für präpariertes Klavier“.
Tristano verzichtet bei dieser Einspielung auf ein präpariertes Klavier, Nachbearbeitungen und Soundeffekte wurde später im Studio eingearbeitet (besonders deutlich sind sie bei „tristano interludes“ zu hören). Wo er bei Bach vehement und stürmisch spielte, ist er bei Cage umso langsamer und ruhiger. Das entkräftigt stellenweise Cage und zeigt die Verbindung zwischen beiden auf (die bei dieser Stückeauswahl des Albums besonders hervorgehoben wird). „In a landscape und „The seasons“ nehmen eine Sonderstellung in Cages Gesamtwerk ein, da sie von impressionistischen Reminiszenzen geprägt sind, womit sie den ungeübten Cagehörer nicht so ganz verschrecken. Anders als Vivaldis „Die vier Jahreszeiten“, beginnen Cages seine mit dem Winter. Sie folgen damit dem indischen Konzept. „Winter“ drückt Ruhe aus, „Spring“ ist dynamischer, die Schöpfung symbolisierend. „Summer“ wirkt eher verhalten, den Status quo festhaltend, als Leichtigkeit und „Fall“ führt die Zerstörung vor.
Die kurzen vier Bach Duette BWV 802-805 stammen aus dem 1739 dritten Teil der Bachschen „Clavierübungen“. Hierbei fesselt mit rauschenden Skalenläufen besonders das Duetto e-Moll BWV 802 und das liebliche Idyll Duetto G-Dur BWV 804, eine ansprechende Melodie die in weichen Terzenparallelen ausgespielt wird. Einen Höhepunkt exaltierter Klangerfahrungen und ausgefallener Kompositionskunst (Sternenbilder der südlichen Hemisphäre als Basis) markieren Cages monumentale „Etude australe“, die 1974/75 entstanden und der deutsch-amerikanischen Pianistin Grete Sultan gewidmet wurden. Gleichwohl stellen sie hohe Anforderungen an den Pianisten. Die hier vorgestellte achte Etüde aus dem 1. Buch spielt Tristano mit großer Klarheit.
Den Abschluss des Albums bildet Bachs Menuett II aus der französischen Suite Nr.1 (BWV 812), nach einem pittoresk und verspielten Klang verfremdeten Eingang, gleicht es in der andächtig gespielt Interpretation fast einem Abendgebet.

Markus Gründig, März 2011

Francesco Tristano: bachCage
Deutsche Grammophon (Universal), ASIN: B004KBSQ2E
francescotristano.com


Glee: The Music, Volume 1

Seit Mitte Januar läuft auf Super RTL jeden Montag zur Primetime die mehrfach ausgezeichnete US-Serie „Glee“, eine Art moderne Adaption von „Fame“ aus den 80er Jahren. Allerdings mit dem Unterschied, dass es nicht um die New York City High School for the Performing Arts geht, sondern um die fiktive McKinley High School in Lima/Ohio. Die Musical-Comedy stammt von Ryan Murphy, der mit „Nip/Tuck – Schönheit hat ihren Preis“ und „Popular“ bereits auf sich aufmerksam gemacht hat. Gesungen wird hier viel, schließlich steht der Glee-Club, ein Schulchor, im Mittelpunkt der Handlung. Wobei es sich hier um einen amerikanischen Show-Chor handelt, der wesentlich lockerer rüber kommt als ein deutscher Chor und bei dem auch viel getanzt wird. Bei den Songs handelt es sich meist um Coverversionen aktueller Popsongs. Schon vor dem Start von „Glee“ in Deutschland war die Serie in rund 30 Ländern zu sehen, wobei insbesondere in den USA das Phänomen „Glee“ zu den ganz großen TV-Erfolgsgeschichten der letzten Jahre zählt.
Gleiches gilt auch für die CD „Glee Volume 1“, die ab 18. Februar 2011 nun auch in Deutschland zu kaufen ist (in den USA ist bereits Glee Volume 4 erhältlich). Viele Glee-Fans (die sogenannten „Gleeks“) haben sich die Musik daher schon längst anderweitig besorgt. Jetzt ist sie überall in Deutschland erhältlich und lässt das Glee-Fieber bequem im Player genießen, wann und wo immer man will. Denn das Besondere bei Glee ist, die können da alle super singen und selbst alte Songs hören sich, neu arrangiert und interpretiert, zeitgemäß an. Gleich der erste Song ist ein Highlight der insgesamt 17 Songs umfassenden CD. Journeys “Don’t Stop Believin’” findet hier eine schwungvolle Neuinterpretation, die morgens gehört, jegliche Müdigkeit verfliegen lässt und einen powervoll in den Tag starten lässt. Optisch hinterlässt Cory Monteith (der Football-Quarterback Finn) mit seinem sportlichen Körper einen super Eindruck, gesanglich ist er aber bei “Can’t Fight This Feeling”, dem zweiten Song der CD, etwas blass, zu uninspiriert plätschert der Song dahin. Grooviger geht es dann bei Kanye Wests “Gold Digger” zu, hier gegeben von Matthew Morrison (dem Chorleiter Will) mit Unterstützung von Amber Riley.
Rihannas “Take a Bow” wird von Lea Michele (der ehrgeizigen Rachel) voller Inbrunst gesungen, gleiches gilt auch für ihre Fassung von „Taking Chances“. Stärker kommt sie in den beiden Duetts mit Cory Monteith (Finn) rüber (“No Air” und „Keep Holding On).
Mit ihren runden Körperformen gilt sie zwar nicht als aussichtsreiche Kandidatin für „Americas next Topmodel“, dafür aber für „American Idol“: Amber Riley (Mercedes). Sie hat eine herrlich soulige und überaus kräftige Stimme, zu der Jazmine Sullivans “Bust Your Windows” wunderbar passt. Bei „NN“ rockt sie voll durch. Allein wegen ihr lohnt sich der Kauf der CD.
In der vierten Folge (der ersten Staffel) war Kristin Chenoweth als talentierte, aber trinkfreudige April zu Gast. Sie begeistert schon im Quartett gesungenen „Somebody to love“, doch wie sie dem Musicalschinken „Maybe This Time“ (Cabaret) Esprit, Sex und Verruchtheit verleiht, ist einfach genial und das schrille Ende ist einfach geil.
Etwas belanglos wirken die Ensemblenummer “Somebody to Love” und „Sweet Caroline“ vom coolen Macho Mark Salling (Puck), da hätte eine härtere Nummer besser gepasst. Auch Kevin McHale (Rollstuhl Artie) hätte man einen besseren Titel geben können als „Dancing With Myself“.
Temporeich singt Quinn Fabray alias Cheerleaderin Quinn den Song “You Keep Me Hangin’ On” und groovet ordentlich mit „Bust a Move“ (mit Unterstützung von Matthew Morrison/Will).
Finaler Song der CD ist das stark verkürzte Duett „Defying Gravity“ aus dem Musical „Wicked“. Dort bildet er den Höhepunkt vor der Pause, bei dem die Hexe Elphaba frei und schwerelos auf ihrem Besen in die Höhe schwebt. Diesen Zauber können Chris Colfer (der schwule Kurt, hier mit Kopfstimme singend) und Lea Michele (Rachel) nicht toppen.
Das CD-Booklet enthält leider keine Songtexte, immerhin aber ein paar schöne Bilder der Serie. Diese ist derzeit jeden Montag um 20.15 Uhr auf SuperRTL zu sehen.

Markus Gründig, Februar 11

Glee: The Music, Volume 1
Sony Music


Hélène Grimaud „Resonances“

Die 1969 im südfranzösischen Aix-en-Provence geborene Hélène Grimaud zählt zu profiliertesten Pianistinnen unserer Zeit. Von der mehrfach ausgezeichneten Künstlerin gibt es bereits viele CD-Einspielungen. Für ihre CD mit Stücken von Clara Schumann („Reflections“) gewann sie im Jahr 2005 den Echo-Klassik-Preis. Auf ihrer neuesten Einspielung „Resonances“ begibt sie sich auf Spurensuche zu Sonaten von Mozart, Liszt, Berg und Bartok, den großen Komponisten der österreichisch-ungarischen Monarchie. Die Werke stammen aus unterschiedlichen Epochen (1778, 1857, 1907 und 1915), die von der Wiener Klassik über die Romantik bis zur neuen Musik des Expressionismus reichen.

Den Anfang macht ein schwierig zu spielendes Werk des Meisters Mozart. Seine monumentale Klaviersonate Nr. 8 (KV 310) war seine erste Komposition in Paris, wo er nach dem Tod seiner Mutter weilte. Hier entstanden mehrere dunkel gefärbte Stücke. So ist auch die Sonate Nr. 8 kein heiteres Werk, auch wenn der erste Satz im „Allegro maestoso“-Tempo heroisch und schwungvoll beginnt und es über „Andante cantabile con espressione“ im pathetischen 2. Satz, bis zum „Presto“ im kurzen und wilden 3. Satz weiter geht. Neben der Klaviersonate c-Moll (KV 475), ist dies Mozarts einzige Moll-Sonate (a-Moll) für Klavier, mit einer düster, schwermütigen Färbung. Grimaud spannt einen dichten Gefühlsbogen, um die ungewohnt schicksalhafte Hoffnungslosigkeit mozartscher Klänge aufleben zu lassen. Geprägt von den Eindrücken, die ihn in Paris erfassten, nimmt dieses Werk eine Ausnahmestellung in seinem Œuvre ein (eindeutige biografische Bezüge zu tragischen Vorkommnissen während der Komposition sind nicht bekannt).

Nach dem aufwühlenden Mozartstück geht es mit einem ruhigen, aber musikalisch sehr interessanten expressionistischen Stück weiter, mit Alban Bergs populären einsätziger h-Moll Klaviersonate Opus 1, die im Jahr 1907 entstand und die für Grimaud der Ausgangspunkt dieses Albums war. Die Sonate folgt formal der klassischen Sonatenform (mit Exposition, Durchführung, Reprise und Coda), weist in ihrer Vielschichtigkeit aber bereits eindeutig auf die Werke der Wiener Schule hin.

Franz Liszts große H-Moll-Sonate (S 178) erfordert ein hohes Maß an Gestaltungskraft und zählt zum schwierigsten, was je für Klavier geschrieben worden ist. Der Romantiker Liszt widmete die Sonate Robert Schumann (als Dankeschön für dessen Fantasie in C [Op.17], die Schumann Liszt gewidmet hatte). Die vier Sätze haben die Tempi „Lento assai – Allegro energico“, “Grandioso – Recitativo”, “Andante sostenuto” und “Allegro energico – Andante sostenuto – Lento assai” und beschreiben romantisch verklärt das Leben einer Künstlerpersönlichkeit. Grimoud schafft es hier ein dichtes Gefüge von innigen Emotionen erklingen zu lassen, bis hin zum Zustand höchster Emphase. Gleichzeitig wird der bekenntnishaften Tonfall des Werks (ein Künstlerleben in Tönen) beleuchtet.

Den Abschluss bilden die sechs Rumänischen Volkstänze von Béla Bartók aus dem Jahre 1915 (Sz. 56), sechs Miniaturen mit einer durchschnittlichen Dauer von einer Minute „Der Tanz mit dem Stabe“ (Allegro moderato), „Gürteltanz“ (Allegro), „Der Stampfer“ (Andante), „Tanz aus Butchum“ (Moderato), „Rumänische Polka“ (Allegro) und „Schnelltanz“ (Allegro – Allegro vivace)). Heutzutage werden diese überwiegend mit Violine gespielt (meistens in der Bearbeitung von Zoltán Szekély), weshalb diese Aufnahme ganz besonders zu beachten ist. Ohne begleitende Violine wirkt die Melodik der Tänze anders, gerade in der besonnenen Umsetzung von Helen Grimaud. Sie fasst damit die vielfältigen Stimmungen der zuvor gespielten Sonaten quasi im Schnelldurchlauf noch einmal zusammen und führt den Zuhörer mit energischen, fröhlichen und lebhaften Tönen zurück in die Gegenwart und ins Licht.

Mit Ihrem Album „Resonances“ lädt Hélène Grimauds ein, sich träumerisch auf Erkundungen in die eigene Gefühlswelt zu begeben.

Markus Gründig, Oktober 10

Hélène Grimaud „Resonances“
Deutsche Grammophon (# 477 8766 )

helenegrimaud.com