Pianist*innen und der „Spielraum Dezernat“ prägen das Heidelberger Frühling Musikfestival nach Ostern

© Heidelberger Frühling

Nach einer kurzen Osterpause über die Feiertage bietet das Heidelberger Frühling Musikfestival unter dem Motto „Brahms!“ ab Dienstag, 2. April nochmals knapp zwei Wochen voll musikalischer Erlebnisse. Höhepunkte der zweiten Festivalhälfte sind fünf Konzerte mit herausragenden Pianist*innen und die Reihe „Spielraum Dezernat“, die im Dezernat 16 mit neun Veranstaltungen einen kreativen Raum für ungewöhnliche Programme in noch ungewöhnlicheren musikalischen Besetzungen schafft. Der „Frühling“ endet am Samstag, 13. April mit einem bereits ausverkauften Festivalfinale, das die Geigerin Veronika Eberle mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen unter der Leitung von Paavo Järvi gestalten.

Pianist*innen spielen Brahms

Gleich sieben Pianist*innen sind im April in fünf Konzerten beim „Frühling“ zu hören. Sie alle sind an der Gesamtaufführung des Soloklavierwerks und des zu vier Händen von Johannes Brahms über den gesamten Festivalzeitraum beteiligt:

Am 3. April gibt der 25-jährige Japaner Mao Fujita sein Festivaldebüt mit Werken für Klavier solo von Mozart, Schumann und selbstverständlich Brahms, dessen eher selten gespielte Acht Klavierstücke op. 76 auf dem Programm stehen.

Das Piano//Duo EnsariSchuch, bestehend aus dem Ehepaar Gülrü Ensari und Herbert Schuch, spielt am 4. April zu vier Händen Auszüge aus Brahms‘ berühmten Ungarischen Tänzen, denen es u.a. die Slawischen Tänze von Antonín Dvořák gegenüberstellt.

In Gänze erklingen die 21 Ungarischen Tänze dann am 9. April mit Lilya Zilberstein und ihrem Sohn Anton Gerzenberg, kombiniert mit Brahms‘ Paganini-Variationen.

Schaghajegh Nosrati, in Bochum als Tochter iranischer Eltern geboren, stellt am 5. April gleich drei in f-Moll komponierte Meisterwerke von Haydn, Beethoven und Brahms nebeneinander. Im Zentrum steht hier Brahms‘ Klaviersonate Nr. 3 f-Moll op. 5.

Der 26-jährige Alexandre Kantorow, Gewinner des Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerbs 2019, spielt am 12. April u.a. Brahms‘ Klaviersonate Nr. 1 C-Dur, die unter Pianist*innen als gefürchtete Herausforderung gilt.

Spielraum Dezernat

Das Dezernat 16, einst Feuerwache und inzwischen Veranstaltungsstätte mit Industriecharme, ist die Kreativspielstätte des Heidelberger Frühling Musikfestivals 2024. In der zweiten Festivalhälfte wird das Foyer 1 zum „Spielraum Dezernat“ und damit zum genreübergreifenden und interkulturellen Erlebnis- und Entdeckungsraum. Die neun Veranstaltungen der Reihe „Spielraum Dezernat“ richten sich an ein neugieriges Publikum und präsentieren das Brahms.LAB mit Mitgliedern des Festivalcampus-Ensembles und weitere Künstler*innen. Alle haben gemeinsam, dass sich ihre Musik als verbindendes Element zwischen den Genres und/oder zwischen den Kulturen bewegt.

Den Auftakt macht am 3. April das Brahms.LAB III „Human Nature“, in dem drei junge Musiker*innen das Spannungsverhältnis zwischen Mensch und Natur untersuchen – mit Liedern von Brahms, zeitgenössischen Werken und eigenen Sound. Einfließen werden auch Gedichte und Texte, die vom Publikum eingesendet wurden.

Ein Konzertabend mit Chouchane und Astrig Siranossian an der Geige und am Cello verspricht immer ein energiegeladenes Erlebnis zu werden. Die beiden in Lyon aufgewachsene Schwestern mit armenischen Wurzeln spielen am 4. April ein Programm zwischen populärer armenischer Musik und Maurice Ravel.

Das Goran Stevanovich Trio ist Grenzgänger par excellence: Am 5. April präsentiert es in der ungewöhnlichen Besetzung Bassposaune, Akkordeon und Perkussion eine Reise durch die Musikgeschichte und -kulturen, von Hildegard von Bingen über Olivier Messiaen bis hin zu Tango von Astor Piazzolla und Balkan Musik.

Im Brahms.LAB IV am 6. April gesellen sich der Jazzpianist Florian Weber und die Bassposaunistin Maxine Troglauer zu den Musiker*innen des Festivalcampus-Ensembles: Was sich in dieser Jamsession musikalisch entwickelt, bleibt den Künstler*innen überlassen!

Beim Joolaee Trio am 7. April gibt die Kamancheh, das traditionelle, geigenähnliche Streichinstrument aus dem alten Persien, den Ton an. Misagh Joolaee musiziert hier gemeinsam mit Perkussionist Sebastian Flaig und der Pianistin Schaghajegh Nosrati, die zwei Tage vorher noch im klassischen Rezital zu erleben ist. Ihr Programm bewegt sich zwischen Alter Musik, orientalischer Musik und Jazz.

Für das sechste und letzte Brahms.LAB VI am 9. April lassen sich die Musiker*innen des Festivalcampus-Ensembles unter dem Titel „F(V)olk Sounds“ wie einst Brahms von den volkstümlichen Kulturen Osteuropas inspirieren. Unterstützt werden sie vom Gesangsensemble Trio Babayki und vom spanischen Pianisten Gorka Plada.

Groovig wird es am 11. April mit den Perkussionist*innen Vanessa Porter und Emil Kuyumcuyan, deren Programm aus Groove, Minimal und Ambiente von Video-Sequenzen von Rafael Ossami Saidy ergänzt werden.

Den Abschluss des „Spielraums Dezernat“ macht am 12. und 13. April eine Performance der Classic Scouts, der Jugendgruppe des Heidelberger Frühling. Gemeinsam mit der Pianistin Hanni Liang, der Regisseurin Judith Hofmann und Tänzer*innen untersuchen die Jugendlichen Fragen der Freiheit – im zeitgeschichtlichen Kontext von Brahms, wie auch im Hier und Heute einer Gesellschaft aus Menschen mit vielen unterschiedlichen Lebensrealitäten.

Tickets sind erhältlich online unter heidelberger-fruehling.de oder telefonisch unter 06221 584 00 44 (Mo-Fr, 10-18 Uhr, Feiertage ausgenommen).


Termine & Programm Pianist*innen

Mao Fujita

Mi 3.4.2024, 17 Uhr, Aula der Alten Universität Heidelberg

  • Wolfgang Amadeus Mozart: Klaviersonate Nr. 10 C-Dur KV 330
  • Johannes Brahms: Acht Klavierstücke op. 76
  • Robert Schumann: Arabeske C-Dur op. 18; Kreisleriana – Fantasien für Klavier op. 16

Piano//Duo EnsariSchuch

Do 4.4.2024, 17 Uhr, Aula der Alten Universität Heidelberg

  • Johannes Brahms: Ungarische Tänze 1, 2, 5, 11
  • Antonín Dvořák: Slawische Tänze op. 72,1/ 72,2 und 72,7
  • György Kurtág: Auswahl aus dem Zyklus Jatekok (seit 1973)
  • Béla Bartók: Ungarische Bauernlieder Nr. 11
  • Béla Kéler: Komet-Csárdás
  • Johannes Brahms: Variationen über ein Thema von Schumann op. 23
  • Robert Schumann: Klavierquintett in der Bearbeitung von Clara Schumann für Klavier vierhändig

Lilya Zilberstein. Anton Gerzenberg

Di 9.4.2024, 19.30 Uhr, Aula der Neuen Universität Heidelberg

  • Johannes Brahms: Ungarische Tänze 11-21; Variationen über ein Thema von Paganini op. 35; Ungarische Tänze 6-10
  • Carl Czerny: Introduction, Variations brillantes et Rondeau de Chasse, op. 202
  • Johannes Brahms: Ungarische Tänze 1-5

Schaghajegh Nosrati

Fr 5.4.2024, 17 Uhr, Aula der Alten Universität Heidelberg

  • Joseph Haydn: Andante und Variationen f-Moll
  • Ludwig van Beethoven: Sonate Nr. 23 op. 57 f-Moll „Appassionata“
  • Johannes Brahms: Klaviersonate Nr. 3 f-Moll op. 5

Alexandre Kantorow

Fr 12.4.2024, 17 Uhr, Aula der Alten Universität Heidelberg

  • Johannes Brahms: Zwei Rhapsodien op. 79
  • Franz Liszt: Transzendentale Etüde Nr. 12 h-Moll, „Chasse Neige“
  • Béla Bartók: Rhapsodie op. 1
  • Johann Sebastian Bach/Johannes Brahms: Chaconne d-Moll für die linke Hand
  • Johannes Brahms: Sonate Nr. 1 C-Dur op. 1

Termine „Spielraum Dezernat“

Dezernat 16, Emil-Maier-Straße 16, 69115 Heidelberg

Brahms.LAB III – HumanNature
Festivalcampus-Ensemble

Mi 3.4.2024, 20.30 Uhr

Mensch und Natur. In ihrem Konzertprojekt untersuchen drei junge Musikerinnen des Festivalcampus-Ensembles dieses Spannungsverhältnis. Sehnsuchtsort und Bedrohung zugleich, verletzliche Systeme, unser Körper als eine Form aus der Natur. Den Ausgangspunkt bilden Lieder von Johannes Brahms. Mit eigenen Sounds beleuchten die Künstlerinnen einige seiner schönsten Natur-Vertonungen neu. Ergänzt durch zeitgenössische Werke (u.a. von John Cage und Rebecca Saunders) beschreibt das Programm einen Lebenszyklus. Denn was menschliches Leben und die Natur vereint, ist ihr Werden und Vergehen.

Chouchane und Astrig Siranossian

Do 4.4.2024, 20.30 Uhr

„Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“, wusste schon Friedrich Schiller. Ausgerechnet in der klassischen Musik jedoch, deren Instrumente doch angeblich „gespielt“ werden, fällt das Verspielte, Assoziative, Erkundende zumeist normiertem Perfektionsstreben zum Opfer. Ganz anders bei Chouchane und Astrig Siranossian! Die in Lyon aufgewachsenen Schwestern armenischer Abstammung sind nicht nur Aufsehen erregende Virtuosinnen. Als Töchter eines der führenden Experten für armenische Musik haben sie früh erfahren, wie selbstverständlich die Verbindung zwischen populären Tanzmelodien, Kirchen- und Kunstmusik in ihrer Heimat ist. Eine Unterscheidung zwischen den Genres, wie sie in anderen Musikkulturen gezogen wird, spielt zu Füßen des Ararat kaum eine Rolle. Entsprechend leichtfüßig bewegen sich die beiden zwischen schlichten traditionellen Weisen und dem Raffinement von Maurice Ravels Duo-Sonate.

Goran Stevanovich Trio

Fr 5.4.2024, 20.30 Uhr

Maxine Troglauer wollte ein Instrument lernen, das noch keines der anderen Mädchen spielte. Mit sechs Jahren entschied sie sich für die Posaune. Auch die Spezialisierung auf die Bassposaune – traditionell reine Männerdomäne – kam früh. Nach zwei Jahren in New York ist die 28-Jährige heute eine der herausragenden Grenzgängerinnen zwischen Jazz, Klassik und zeitgenössischer Musik. Ihr Kollege Goran Stevanovich hatte ursprünglich das Klavier im Sinn, doch 1992, als er sechs Jahre alt war, brach in Bosnien und Herzegowina der Krieg aus, und die meisten Lehrer flohen.

Also griff er zum populären Akkordeon, dessen Klang er so sehr mochte. Von der bosnischen Folklore ausgehend, entwickelte sich Stevanovich zu einem denkbar eigenständigen Musiker, der mühelos zwischen Neuer Musik, Improvisation und brillanter Sololiteratur hin- und herwechselt. Wenn die beiden sich mit Perkussionist Leonard Senfter zusammentun, scheint ihnen die ganze musikalische Welt offen zu stehen. Kein Wunder, dass sie sich als „Kosmopoliten“ bezeichnen. Dabei geht es um viel mehr als Miles and more: Was sie suchen, ist Poesie und Gefühl, Groove und Flow…

Brahms.LAB IV – Jamsession
Festivalcampus-Ensemble, Florian Weber, Maxine Troglauer

Sa 6.4.2024, 20.30 Uhr

Wenn eine Gruppe vielseitiger junger Musiker*innen im Rahmen des Brahms.LAB eingeladen ist, nach kreativen Ansatzpunkten und zeitgemäßen Ausdrucksweisen für Musik zu suchen, und wenn sie über mehrere Tage im Dezernat 16 mit dem Ausnahmekünstler und Jazz-Pianisten Florian Weber zusammenkommen, dann werden aus Ideen Konzepte und Programme. Manches braucht einen experimentellen Raum und eine Resonanz des Publikums, aber auch noch Freiraum, um den künstlerischen Horizont zu erweitern. Hierfür ist die Jamsession im Spielraum Dezernat der richtige Ort. Vielleicht gesellt sich auch noch der eine oder die andere Festivalkünstler*in dazu.

Joolaee Trio

So 7.4. 2024, 15 Uhr

Misagh Joolaee zählt zu den gefragtesten Virtuosen auf der Kamancheh, dem traditionellen, geigenähnlichen Streichinstrument aus dem alten Persien. Pianistin Schaghajegh Nosrati machte sich auch als Bach-Interpretin einen Namen. Und Perkussionist Sebastian Flaig ist stilistisch zwischen Alter Musik, orientalischer Musik und Jazz zu Hause. Im Austausch miteinander finden die drei als Joolaee Trio zu einer kulturübergreifenden, sehr farbenreichen Tonsprache, die begeistert. Diese ist – wie es ihre, den Frauen im Iran gewidmete Komposition „Be Hich Diyar“ schon im Titel zum Ausdruck bringt – „keiner Welt zugehörig“, sondern ganz eigen.

Brahms.LAB VI – F(V)olk Sounds
Festivalcampus-Ensemble, Trio Babayki, Gorka Plada

Di 9.4.2024, 20.30 Uhr

Ungarische Tänze, rumänische Volksmelodien, ethnologische Musikreisen – zahlreiche Komponisten suchten, wie auch Johannes Brahms, Inspiration in den volkstümlichen Kulturen Osteuropas. Diese Einflüsse faszinierender traditioneller Rhythmen, Klänge und Gesänge in klassischen Werken möchten die Musiker*innen des Festivalcampus-Ensembles erlebbar machen. Dabei bereichern sie mit ganz eigenen Klangfarbe aus ihren jeweiligen Herkunftsländern das gemeinsame Gesamtkunstwerk. Ein bunter und musikantischer Abend voller Kontraste!

Vanessa Porter. Emil Kuyumcuyan

Do 11.4.2024, 20.30 Uhr

Was sich in den vergangenen zwanzig Jahren auf dem Gebiet des Schlagwerks getan hat, ist schlichtweg spektakulär. Die besten Instrumentalist*innen haben es sofort verstanden, ihren größten Vorteil effektvoll auszuspielen: Mühelos spannt das Schlagwerk Instrumente verschiedenster Kulturen und Traditionen zusammen. Und entsprechend offen gestaltet sich das stilistische Spektrum zwischen archaischen und avantgardistischen Ausdrucksweisen. Wenn zwei der faszinierendsten Persönlichkeiten der Szene ihre Kreativität fusionieren, sind starke Energieentladungen vorprogrammiert. Emil Kuyumcuyan, Komponist, Percussionist und Elektronik-Tüftler, ist in Istanbul geboren. Vom Jazz wurde er ebenso geprägt wie von anatolischer Musik; heute ist er besonders in der zeitgenössischen Klassik gefragt. Die aus Oberschwaben stammende Vanessa Porter tourte jüngst als „Rising Star“ der Vereinigung europäischer Konzerthäuser durch die bedeutendsten Säle des Kontinents. Ihre Projekte im Grenzbereich von Improvisation, Performance, Elektronik und Schlagwerk erschließen aufregend neues Terrain.

Hanni Liang. Classic Scouts

Fr 12.4.2024, 17 Uhr
Sa 13.4.2024, 15 Uhr

Frei sein wollen, für die eigene Kunst? Dieser künstlerischen Idealvorstellung gehen die Classic Scouts des Heidelberger Frühling gemeinsam mit jungen Tänzer*innen aus Heidelberg und der Pianistin Hanni Liang in ihrem Konzertprojekt auf den Grund. Mit Musik, Text und Bewegung im Raum untersuchen sie Fragen der Freiheit – im zeitgeschichtlichen Kontext des Komponisten Johannes Brahms, wie auch im Hier und Heute einer Gesellschaft aus Menschen mit vielen unterschiedlichen Lebensrealitäten. Eine kurzweilige Performance, die zum Nachspüren und Freisein einlädt.