Eröffnungskonzert »Vive la France!« des 36. Rheingau Musik Festivals

Rheingau Musik Festival 2023: Eröffnungskonzert »Vive la France!« in der Basilika vom Kloster Eberbach ~ © Ansgar-Klostermann / Rheingau Musik Festival

Mit großer Freude und Stolz konnte der Gründer, Intendant und Geschäftsführer des Rheingau Musik Festivals, Michael Herrmann, bereits zur Eröffnung des diesjährigen Festivals eine hervorragende Nachricht übermitteln. Noch nie in der Geschichte der seit 1987 bestehenden Festspiele wurden schon vor Beginn so viele Eintrittskarten verkauft, wie für den Sommer 2023. Das größte privatwirtschaftlich finanzierte Musikfestival Europas verkaufte für die 164 Konzerte in diesem Jahr bereits über 110.000 Karten.

Rheingau Musik Festival 2023
v.l.n.r.: Marsilius Graf von Ingelheim (Geschäftsführer des Rheingau Musik Festivals), Michael Herrmann (Intendant des Rheingau Musik Festivals), Joachim Gauck (Bundespräsident a.D.), Boris Rhein (Hessischer Ministerpräsident und Schirmherr des Rheingau Musik Festivals)

© Ansgar-Klostermann / Rheingau Musik Festival

Der Schirmherr des Festivals, der hessische Ministerpräsident Boris Rhein, hat seit langem eine besondere Beziehung zum Rheingau. Hatte er doch vor genau 23 Jahren hier (im nahen Baiken) seine Hochzeit gefeiert. Er nannte in seiner Eröffnungsrede gleich vier Gründe für einen Besuch des Eröffnungskonzerts: Die Anwesenheit des Bundespräsidenten a. D. Joachim Gauck (der wie kaum ein anderer für die Einheit des deutschen Volks steht), das Motto »Vive la France!« (als Ausdruck für die Freiheit Europas), die tolle Verbindung von Landschaft, Kulinarik und Kultur und nicht zuletzt das hr-Sinfonieorchester unter der Leitung seines Chefdirigenten Alain Altinoglu.

Rheingau Musik Festival 2023
Festredner Joachim Gauck (Bundespräsident a.D.)

© Ansgar-Klostermann / Rheingau Musik Festival

In seiner Festrede freute sich Bundespräsident a. D. Joachim Gauck über die vielen Menschen in der Region, die Geld und Ideen geben, damit ein solches Festival auf die Beine gestellt werden kann. Die Kraft und Schönheit der Musik ist kein Akt der Weltflucht. Kunst kann menschliche Abgründe nicht ungeschehen machen. Aber sie hat Verwandlungskraft, kann Veränderungen und ungeahnte Dinge bewirken. Bei aller Freude darf der noch immer anhaltende Ukraine-Krieg nicht aus den Augen gelassen werden. Schließlich kämpfen die Ukrainer auch für unsere Freiheit und dafür haben wir den Ukrainern zu danken.
Sein im vergangenen Monat im Siedler-Verlag erschienenes Buch „Erschütterungen. Was unsere Demokratien von außen und innen bedroht“ konnte nicht nur vor Ort erworben , sondern von Gauck auch signiert werden.

Rheingau Musik Festival 2023: Eröffnungskonzert »Vive la France!« in der Basilika vom Kloster Eberbach
Chefdirigenten Alain Altinoglu und das hr-Sinfonieorchester

© Ansgar-Klostermann / Rheingau Musik Festival

Das Eröffnungskonzert in der mit 1100 Zuschauer:innen ausverkauften Basilika des Klosters Eberbach begann mit Hector Berliozs populärer Ouvertüre „Le carnaval romain“. In diesem rund 10-minütigen effektvollen und lebhaften Konzertstück verwendete Berlioz Themen aus seiner Opéra-comique Benvenuto Cellini. Ausgefallene Rhythmen korrespondieren energiegeladen mit Motiven des Karnevals und fröhlich tanzendem Volk. Unterschiedliche Tempi und Dynamiken vermitteln dabei viele Stimmungen, wobei stets ein heiterer, beschwingter Grundton vorherrscht.

Rheingau Musik Festival 2023: Eröffnungskonzert »Vive la France!« in der Basilika vom Kloster Eberbach
Guido Sant’Anna

© Ansgar-Klostermann / Rheingau Musik Festival

Eine besondere Intensität vermittelt Édouard Lalos erfolgreiche, rund halbstündige Symphonie espagnole (op. 21, d-Moll), die formal auch als sein 2. Violinkonzert zählt. Als Soloviolinist konnte dafür der junge Brasilianer Guido Sant’Anna (* 2005!) begrüßt werden. Im September vergangenen Jahres gewann er in Wien den renommierten Internationalen Fritz-Kreisler-Violinwettbewerb. In diesem Jahr erhielt er ein Stipendium für ein Studium an der Kronberg Academy. Mit seinem virtuosen und energischen Spiel nahm er sofort das Publikum ganz für sich ein. Den Höhepunkt bildete der vierte Satz (Andante): Den aufbrausenden Tönen des Blechs am Anfang folgte ein nahezu intimes, sehnsuchtsvolle Spiel der Sologeige.
Chefdirigent Alain Altinoglu sorgte bei der Symphonie espagnole für einen schlüssigen Dialog zwischen dem hr-Sinfonieorchester und Guido Sant’Anna. Das Publikum war so begeistert, das Guido Sant’Anna sogar eine solistische Zugabe gab (den zweiten Satz „Dance roustique“ aus der Sonate Nr. 5 G-Dur („L’Aurore“ / „Die Morgenröte“) des belgischen Violinisten, Komponisten und Dirigenten Eugène Ysaÿe).

Nach der Pause wurde mit Francis Paulencs Stabat Mater ein religiösen Werk gespielt, das perfekt zum Denkmal der Klosterbaukunst, der Basilka von Kloster Eberbach, passt. In dem Fürbittengebet geht es um die Mutter Jesu in ihrem Schmerz um den gekreuzigten Jesus. Es gibt zahlreiche Vertonungen des mittelalterlichen Gedichts, u. a. von Charpentier, Vivaldi, Haydn, Schubert, Rossini, Verdi, Szymanowski und Rihm. Paulenc bezeichnete seine Fassung für Sopran, Chor und Orchester (von 1950/51) als „Ein Requiem ohne Verzweiflung“. In dem auf zwölf Sequenzen aufgeteilten Werk steht der Chor im Mittelpunkt. Der von Philipp Ahmann geleitete MDR-Rundfunkchor vermittelte das Gebet mit hoher Intensität. Die französische Sopranistin Vannina Santonistellte überzeugte bei den Sequenzen „Vidit suum dulcem Natum“, „Fac, ut portem Christi mortem“ und dem finalen „Quando corpus morietur“ mit der Strahlkraft ihrer klangschönen Stimme.

Nicht nur am Ende gab es sehr viel Applaus für alle Beteiligte. Der „Sommer voller Musik“ läuft bis zum 2. September 23. Trotz gutem Vorverkaufs: Nicht alle Veranstaltungen sind bereits ausverkauft, es gibt noch Karten!

Markus Gründig, Juni 23


Das Eröffnungskonzert ist auf dem YouTube-Kanal des hr-Sinfonieorchesters und in der ARD-Mediathek zu finden. Im Fernsehen wird es am Samstag, den 8. (3sat; 20:15 Uhr) und Sonntag, den 9. Juli (hr-Fernsehen; 08:15 Uhr), im Radio am Freitag, 11. August (ARD-Radiofestival; 20:04 Uhr) ausgestrahlt.

rheingau-musik-festival.de / hr-sinfonieorchester.de