Traditionelle »My Fair Lady« Inszenierung begeistert Publikum am Staatstheater Wiesbaden

My Fair Lady ~ Staatstheater Wiesbaden ~ Eliza Doolittle (Mira Benser), Professor Henry Higgins (Uwe Eric Laufenberg), Oberst Pickering (Uwe Kraus) (© Karl Monika Forster)

kulturfreak Bewertung: 4 von 5Bernhard Shaws Drama Pygmalion wurde erst durch die Musicalversion unter dem Titel My Fair Lady weltberühmt. Dafür sorgte zunächst die Inszenierung von 1956 im New Yorker Mark Hellinger Theatre und dann die Hollywoodverfilmung von 1964, mit Audrey Hepburn als Eliza Doolittle und Rex Harrison als Professor Henry Higgins.

Dieser Klassiker mit seinen vertrauten Melodien ist jetzt, 10 Jahre nach der letzten Inszenierung von Iris Gerath-Prein, in einer traditionell gehaltenen Inszenierung am Staatstheater Wiesbaden zu erleben. Nicht im Kleinen Haus, mit Mitgliedern des Jungen Staatsmusicals, sondern im Großen Haus, mit Intendant Uwe Eric Laufenberg als Professor Henry Higgins. Der gebürtige Kölner ist ein umtriebiges Multitalent. Neben seiner Tätigkeit als Intendant inszeniert er regelmäßig (nicht nur in Wiesbaden) und steht auch immer wieder selbst als Schauspieler auf der Bühne. Er ist ausgebildeter Schauspieler, wenn auch kein Musicalprofi. Aber das war selbst Rex Harrison zunächst nicht (an der Seite von Julie Andrews spielte er den Professor Higgins bereits bei der Broadway-Produktion). Laufenbergs Higgins ist ein herrlich selbstverliebter eingefleischter und reifer Junggeselle („Bin ein Mann wie jeder Mann“), der am Ende aber doch eingestehen muss, sich sehr an Eliza gewöhnt zu haben („Ich bin gewöhnt an ihr Gesicht“).

Dem angepasst, ist die gesamte Wiesbadener Neuinszenierung mehr mit Schauspielern und weniger mit Musicalsängern besetzt. Wobei auch Schauspieler gut singen können, wie hier bewiesen wird. Das zeigt allen voran Mira Benser als bezaubernde und unprätentiöse Blumenverkäuferin Eliza Doolittle. Den Gossencharakter der Figur spielt sie mit viel darstellerischer Präsenz und spielerischem Spaß („Wäre det nich wundascheen“). Auf dem Botschaftsball gibt sie sich im eleganten zart rosafarbenen Abendkleid so überzeugend graziös, dass sie gar für eine Prinzessin gehalten wird.

Mit kraftvoller und rauchiger Stimme verkörpert Michael Birnbaum einen famosen Trunkenbold und Glückspilz wider Willen: Alfred P. Doolittle („Bringt mich pünktlich zum Altar“). Sich schön einfügend: Margit Schulte-Tigges als Mrs. Higgins (die über ihren Sohn oftmals nur den Kopf schütteln kann), Uwe Kraus als zuvorkommender Oberst Pickering, Petra Welteroth als gewissenhafte Haushälterin Mrs. Pearce, Petra Urban als Aristokratin Mrs. Eynsford-Hill und Klaus Krückemeyer als zwielichtiger Ermittler Zoltan Karpathy.

Die Rolle des Freddy Eynsford-Hill, der Eliza vorbehaltlos anhimmelt, wurde mit Björn Breckheimer besetzt. Er war hier in der vergangenen Spielzeit bereits als Jesus von Nazareth in Jesus Christ Superstar zu erleben. Er ist hör- und sichtbar ein Musicalprofi, bewegt sich mit einer bewundernswerten tänzerischen Leichtigkeit und glänzt mit Schöngesang („In der Straße, mein Schatz, wo du lebst“). Nur seine Stimme wird mittels Mikroport verstärkt (wobei zu überlegen wäre, dies generell zu tun, denn mitunter sind die Stimmen der anderen kaum zu hören).

Die Produktion liegt in weiten Teilen in Verantwortung von Frauen. Regisseurin Beka Savić verlegte die in und um London spielende Handlung von 1912 in die Zeit der aufkommenden Filmindustrie in die 1940er Jahren. Zu Beginn kommen die Besucher nicht aus der Oper, von dieser ist nur ein abgedunkelter Prospekt zu sehen, sondern aus einem Kino. Higgins‘ feudales Wohnhaus in der Wimpole Street 27A zeigt innen neben Schreibtisch und Sitzgelegenheiten riesige Buchregale und allerhand technische Utensilien eines Phonetikprofessors. Die Ascot-Szene wird klassisch auf einer großen Treppenanlage gespielt, inklusive projizierter vorbei galloppierender Pferde (Bühne: Bettina Neuhaus). Die Kostüme von Claudia Jenatsch sind, insbesondere für die Ascot-Damen (deren kunstvolle Hüte Tieren nachempfunden wurden), chic, aber nicht überbordend.

Für Abwechslung und erfrischende Momente sorgt ein kleines Tanzensemble (Mike Burs, Anna Heldmaier, Norman Hofmann, Stella Monogenes und Viktoria Reese; Choreografie: Myriam Lifka), das als Straßenartisten und Gaukler Eliza auf ihrem Weg begleiten, ermuntern und unterstützen. Schwungvoll leitet Christoph Stiller das Hessische Staatsorchester Wiesbaden, ebenso bringt sich bei den zwar wenigen, aber markanten Ensembleszenen der von Albert Horne einstudierte Chor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden ein.

Am Ende, wenn Eliza zwar zu Higgins zurückkehrt, aber Distanz hält und es offen bleibt, welche Art von Beziehung die beiden eingehen werden, viel Applaus für diesen nostalgischen Ausflug.

Markus Gründig, Oktober 18


My Fair Lady
Staatstheater Wiesbaden

Premiere und besprochene Vorstellung: 27. Oktober 18

Musikalische Leitung: Christoph Stiller
Inszenierung: Beka Savić
Bühne: Bettina Neuhaus
Kostüme: Claudia Jenatsch
Choreografie: Myriam Lifka
Chor: Albert Horne
Dramaturgie: Katja Leclerc, Laura Weber

Besetzung:

Professor Henry Higgins: Uwe Eric Laufenberg
Mrs. Higgins: Margit Schulte-Tigges
Eliza Doolittle: Mira Benser
Alfred P. Doolittle: Michael Birnbaum
Oberst Pickering: Uwe Kraus
Freddy Eynsford-Hill: Björn Breckheimer
Mrs. Eynsford-Hill: Petra Urban
Mrs. Pearce: Petra Welteroth
Zoltan Karpathy: Klaus Krückemeyer

Chor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden
Hessisches Staatsorchester Wiesbaden

www.staatstheater-wiesbaden.de