
15.500 Besucher:innen | künstlerisch erfolgreiche Produktionen im Abendspielplan und Kindertheater | unsichere Zukunft | Absage WERKSTATT DER VISIONEN
Gegen alle Wetterunbill hat der Ludwigsburger Theatersommer auch in dieser Saison Publikum und Presse begeistert. Mit drei Premieren sowie den beliebten Wiederaufnahmen vor ausverkauften Rängen zeigte das Freilichttheater einmal mehr seine einzigartige, im grünen Garten erlebbare Attraktivität. Doch der langjährige Intendant Peter Kratz und auch die Leiterin des Kindertheaters Diana Gantner nehmen ihren Abschied – und die Zukunft des Theaters erscheint mehr als fraglich. Die WERKSTATT DER VISIONEN, die neue Impulse geben sollte, muss abgesagt werden.
Der Ludwigsburger Theatersommer blickt auf eine ganz besondere Sommersaison 2023 zurück, da sich der Mitgründer und Intendant Peter Kratz nach 33 erfolgreichen Jahren vom Theatersommer verabschiedet. Und auch das Wetter schien an dieser Berg- und Talfahrt der Gefühle unbedingt teilhaben zu wollen. Startete die Spielzeit im Juni und Juli noch mit stabilem Sommerwetter, musste sich der Theatersommer im August mit einigen Wetterkapriolen herumschlagen und war gezwungen, viele Aufführungen abzusagen. Oftmals saßen die ZuschauerInnen sogar bereits auf ihren Plätzen, als plötzlich einsetzender prasselnder Regen die Aufführung unmöglich machte.
Trotzdem gibt es auch Grund zum Feiern, denn mit rund 15.500 Besucher:innen konnte der Theatersommer die Zuschauerzahlen im Vergleich zum letzten Jahr (12.969) um 20% steigern. Der Zuwachs im Abendspielplan lag bei rund 16%, und auch das Kindertheater konnte trotz des hohen Niveaus der Vorjahre ebenfalls noch einmal um 5% zulegen. Von den 112 angesetzten Vorstellungen mussten 14 Aufführungen, meist abends, abgesagt werden. 6.731 Zuschauer:innen sahen die Aufführungen im Abendspielplan, 6.234 Kinder und Familiengäste erfreuten sich an den Nachmittagsaufführungen, und 2.656 Schulkinder besuchten die Vormittagsvorstellung für die Bildungseinrichtungen aus Stadt und Kreis.
Mit diesem Ergebnis unterstreicht der Theatersommer erneut die überregionale Einzigartigkeit und enorme Beliebtheit seines vielschichtigen Theaterangebots für Menschen aller Altersgruppen.
Im Abendspielplan stellte die Inszenierung von Shakespeares DER STURM unter Beweis, dass auch ein wuchtiger Klassiker der Weltliteratur durch kluge Aktualisierungen und komödiantische Akzente einem breiten Publikum näher gebracht werden kann. Ganz im Kontrast dazu stand Dario Fos BEZAHLT WIRD NICHT als letzte Regiearbeit von Peter Kratz, der es gelang, die etwas in die Jahre gekommene anarchistische Farce in die Gegenwart zu heben, den zeitlosen Humor aus dem Text zu filtern und einen grell-komischen Abend auf die Bühne zu zaubern, der stets für ausverkaufte Vorstellungen sorgte.
Auch das Kinder- und Familientheater unter der Leitung von Diana Gantner schrieb seine Erfolgsgeschichte von 2022 fort. Alle 3.000 Karten für Schulvorstellungen waren innerhalb von Stunden vergriffen, und sämtliche Nachmittagsaufführungen für Kinder und Familien konnten ausnahmslos vor vollen Rängen gespielt werden. Ergänzend zu den Schulvorstellungen belegte die ebenfalls ausgebuchte theaterpädagogische Nachbereitung der Aufführungen in den Schulen das soziale und kulturelle Engagement des Theatersommers: Ihm verdanken inzwischen Generationen von Kindern ihre erste Begegnung mit Theater und Kultur.
Neben dem beiden Wiederaufnahmen von EINE WOCHE VOLLER SAMSTAGE und PIPPI LANGSTRUMPF gelang es Diana Gantner mit ihrer wunderschönen poetischen Neuinszenierung von DER KLEINE PRINZ, stilistisch eine neue Farbe in das breite künstlerische Spektrum des Theatersommers zu bringen. Leider hat sich auch Diana Gantner aus privaten Gründen dazu entschlossen, nach der Saison 2023 aufzuhören. Zweifellos hat die unsichere Zukunft des Theatersommers mit zu dieser Entscheidung beigetragen.
Da die Stadt Ludwigsburg bereits im Vorfeld der Diskussionen um die Fortführung des Theatersommers jede Erhöhung ihrer Fördermittel kategorisch ausgeschlossen hat, scheint die Zukunft ungewisser denn je zu sein. Um die multifunktionalen Arbeitsgebiete der derzeitigen Leitung und des ebenfalls scheidenden Kernteams bei Technik und Verwaltung wenigstens so auflösen zu können, dass ein neues Team eine reale Chance zu einem Neustart hätte, werden rund 100.000 € mehr benötigt. Diesen Betrag, wie von der Stadt vorgeschlagen, Jahr für Jahr vollständig durch Drittmittel aufzubringen, erscheint vor dem Hintergrund einer seit 20 Jahren stagnierenden kommunalen Förderung als völlig unrealistisch. Hinzu kommt ein beträchtlicher Investitionsstau sowie Reparaturen, die in den nächsten 2 bis 3 Jahren getätigt werden müssen, um den Spielbetrieb des Theatersommers überhaupt weiterführen zu können.
Trotz dieser schwierigen Vorzeichen hat die Scala-Kultur Theatersommer gGmbH die Stelle der Theaterleitung inzwischen bundesweit ausgeschrieben. Mit den Ideen und Impulsen einer eventuellen neuen Leitung oder eines neuen Leitungsteams hofft man Mitte Oktober konkrete Visionen vorstellen zu können, die den Theatersommer vielleicht doch noch in die Zukunft führen. Leider konnte das angekündigte Gutachten von Prof. Dr. Raphaela Henze zu möglichen Zukunftsmodellen aufgrund der Sommerpause und der Komplexität des Themas nicht zum ursprünglich angedachten Termin fertig gestellt werden. Vor diesem Hintergrund wurde die am 16./17. September geplante WERKSTATT DER VISIONEN vorläufig abgesagt.
Somit scheint das Fortbestehen des Theatersommers ernsthaft in Frage gestellt. Es bleibt lediglich die Hoffnung, dass die Stadt in puncto Förderung doch noch einlenkt und dass ab 2024 ein neues Team an den Start gehen kann.