
Mein Großvater Wilhelm O. war 21 Jahre alt, als ihm 1942 russische Granatsplitter ins Hirn drangen. Mit seinem Glasauge lehrte er uns Enkel das Gruseln, wenn er es, vom Alkohol ermutigt, bei Familienfeiern auf den Couchtisch legte.
Vom Grauen im Schützengraben, in dem er neben seinem gefallenen Kameraden, dem die Krähen das Fleisch aus dem toten Körper hackten, fast selbst krepiert wäre, erzählte er später nichts mehr. Das Fluchen bei Spaziergängen, wenn die schwarzen Vögel über die Felder krächzten, zeugte einzig vom erlebten Horror.
Und beim letzten Weihnachtsfest blieb sein leiser Gesang vom WOLGALIED mit der Zeile HAST DU DORT OBEN VERGESSEN AUCH MICH.
Der Regisseur Michael Weber nimmt die Erinnerung an den Großvater zum Anlass für die Inszenierung von Kleists PRINZ VON HOMBURG.
Das Drama wird vom preußischen Schlachtfeld ins Lazarett verlegt.
Ein Spiel unter Verlierern, auch wenn sie Helden heißen.
Der Kleisttext als Fieber-Traum der Männer und Frauen, die den Schützengraben, den Bombenhagel so eben überlebt haben – mit abgetrennten Gliedmaßen, Granatsplittern im Hirn und einer Krankenschwester, die sich mit ihren Latexhandschuhen in eine Prinzessin von Oranien verwandelt.
Kleist. PRINZ VON HOMBURG / SCHLACHT BEI FEHRBELLIN
Drama von: Heinrich von Kleist
Uraufführung: 1821 (Wien)
Premiere beim Theater Willy Praml: Freitag, 25. August 23 (Naxos Halle FFM)
Regie, Bühne: Michael Weber
Kostüme: Paula Kern
Lichtdesign: Simon Möllendorf
Produktionsleitung: Rebekka Waitz
Mit: Reinhold Behling, Hannah Bröder, Jakob Gail, Muawia Harb, Birgit Heuser, Anna Staab
Spieldauer: 2h ohne Pause
Theaternachlese im Haus am Dom am Mo, 18. September 23 (19:30 Uhr. Eintritt frei!)
theater-willypraml.de