Theater Willy Praml: Origineller Blick auf das Singspiel »Rössl«

Im arabischen Rössl ehemals Im weißen Rössl ~ Theater Willy Praml ~ Fatima Al Opec (Judith Speckmaier), Ali Kadi (Ramo Ali) (Foto: Rebekka Waitz)

Das Theater Willy Praml, das seit 1991 stets aufs Neue den Spagat schafft, anspruchsvolle Themen ausgefallen zu inszenieren, setzt bei seinem ersten Stück des neuen Jahres auf einen nicht totzukriegenden Klassiker, den es bereits 1998 im Theater Alte Mühle Bad Vilbel zeigte, das Singspiel Im weißen Rössl. Mit Selbstironie verkündete Willy Praml in seiner kurzen Ansprache vor der Premiere, er hoffe nicht, dass sein Theater es schafft, dieses Werk zu Grabe zu bringen. Denn diese Neuproduktion unterscheidet sich deutlich von der aus 1998 (wie schon der Titel verdeutlicht), schließlich hat sich die Welt, hat sich Deutschland, inzwischen stark verändert. Zusätzlich setzt das Theater Willy Praml seine Zusammenarbeit mit Geflüchteten und Beheimateten fort, die 2016 mit Kleists Erdbeben in Chili begann und die in 2017 mit Lessings Nathan fortgesetzt wurde.

Für das Singspiel Im weißen Rössl wurden nicht nur Geflüchtete in das Ensemble integriert, die Liebesgeschichte zwischen dem Oberkellner Leopold und der Rösslwirtin Josepha wurde pikant und viel Witz auf eine neue Ebene gehoben. Der Wolfgangsee ist, wie große Landschaftspanoramen im Hintergrund der Naxoshalle zeigen, zwar immer noch blau und umgeben von Schafberg und Zwölferhorn, doch ist er gewissermaßen in arabischer Hand. Da die deutschen Gäste immer geiziger geworden sind, hat sich die pragmatische Rösslwirtin (galant, wendig, sprachgewaltig, stets ein Deutsch-Arabisches Wörterbuch an der Hand und im „Burkadirndl“ eine top Figur abgebend: Birgit Heuser) schnell umgestellt. Gäste aus der arabischen Welt suchen nun das Idyll in St. Wolfgang im österreichischen Salzkammergut auf. Für die bessere Vermarktung wurde das Gasthaus umbenannt, wie auch die Speisekarte angepasst wurde (die nun u. a. Falafel statt Schweinebraten anbietet und natürlich alles halal). Und das benötigte Servicepersonal, besteht aus sieben Ein-Euro-Jobber mit einem hohen Maß an Empathie (den „Lehrlingen“ Kasem Alwadi, Fadi Alhamwi, Elad Muobarak, Shawkat Dabyan, Fadi Bardaqji, Baha Al-Shaar und Ibrahim Mahmoud), die zur Entspannung auch gerne einmal Wasserpfeife rauchen. Sie tragen schwarze Lederhosen mit grünen Ornamenten, Badesandalen und als Kopfbedeckung klassische Fes mit Quaste (Kostüme: Paula Kern). Später spielt die Badeszene passenderweise in einem Hammam.


Im arabischen Rössl ehemals Im weißen Rössl
Theater Willy Praml
Ensemble
Foto: Rebekka Waitz

Statt eines Streits zwischen Berliner Fabrikant Giesecke und dessen Erzkonkurrenten Sülzheimer, geht es nun um einen Konflikt zwischen dem arabischen Ölmilliardär Abdullah Al Opec (großherzig: Muawia Harb) und dem alternativen Energieversorger Sülzheimer aus Essen, der dabei ist, in der Wüste ein Meer von Windkrafträdern zu installieren (bekanntlich vertreten durch den schönen Sohn Sigismund: Strahlemann Michael Weber). Al Opecs Tochter Fatima (alias Ottilie Giesecke) entwickelt sich von einer zunächst zurückhaltenden jungen Dame zu einer aufgeschlossenen Dame von Welt (Blicke auf sich ziehend: Judith Speckmaier). Statt des Berliner Rechtsanwalts Dr. Otto Siedler übernimmt der arabische Rechtsanwalt Ali Kadi die Verhandlungen, den der aus Syrien stammende Schauspieler Ramo Ali charmant und sehr agil (inklusive Bauchtanzandeutung) gibt.

Kernthema ist unverändert das Liebesdrama zwischen der Rößlwirtin und ihrem Oberkellner Leopold (ausdrucksstark, kämpferisch und einen Kaftan nicht scheuend: Jakob Gail). Güldeste Mamaç spielt nicht nur Violine im Musikerquintett und jodelt, sie gibt auch die lispelnde Brautmodenverkäuferin Jamila aus Duisburg-Marxloh (alias Klärchen).

Clou der Inszenierung ist ihre Zweisprachichkeit (inklusive projizierter Szenenanzeige) und die musikalische Umsetzung (Musikalische Leitung: Martin Lejeune). Die eingängigen Hits werden teils in Deutsch, teils auf Arabisch gesungen (auch von Birgit Heuser und Jakob Gail) und die Musik wurde um orientalische Anklänge erweitert. Die leicht jazzig wirkende Version ist ein wahrer Hörgenuss. Sie kommt auch der Originalfassung nahe, schließlich war bei der Uraufführung 1930 neben einer Volksmusikgruppe auch eine eigene Jazzband beteiligt.

Das nunmehr „Das arabische Rössl“ heißende Gasthaus wurde konsequenterweise auch optisch angepasst. Gespielt wird auf einer erhöhten Spielfläche auf einem Sandboden, die Glaswand zur Halle ist mit orientalisch anmutenden Ornamenten versehen, die Seitentüren bestehen aus Vorhängen mit goldenen Fäden (die sich auch auf dem Saum der Überzüge für die Bänke befinden; Bühne: Michael Weber).

Ansteckend wirkt die große Spielfreude aller Beteiligten, bei der keine Gruppe vorgeführt wird, weder wenn die Schar der Geflüchteten Schuhplattlelt, noch wenn sie andächtig auf Deutsch singt. Wobei bei vielen auch schön zu hören ist, wie gut ihr Deutsch seit Nathan inzwischen geworden ist.

Am Ende großer Jubel für dieses Feuerwerk an Ideen (nebst kurzen tagespolitischen Anspielungen) von Regisseur Willy Praml und die humorvolle, ironiegespickte und originelle Umsetzung.

Markus Gründig, Januar 19


Im arabischen Rössl ~ ehemals Im weißen Rössl

Premiere am Theater Willy Praml: 4. Januar 19 (Naxos-Halle)

Regie: Willy Praml
Bühne, Dramaturgie: Michael Weber
Kostüme: Paula Kern
Musikalische Leitung: Martin Lejeune
Gesangsleitung: Stephan Weiler
Lichtdesign: Simon Möllendorf
Übersetzerin Textfassung: Manel Bannouri

Besetzung:

Leopold, Oberkellner: Jakob Gail
Josepha Vogelhuber, konvertierte Laila Bint Aladin, die Rösslwirtin: Birgit Heuser
Abdullah Al Opec: Ölmilliardär: Muawia Harb
Fatima Al Opec, seine Tochter: Judith Speckmaier
Ali Kadi, Rechtsanwalt: Ramo Ali
Sigismund Sülzheimer, alternative Energieversorgung Essen a. d. Ruhr: Michael Weber
Jamila, Duisburg-Marxloh, Brautmoden: Güldeste Mamaç

Piccolo 1: Kasem Alwadi
Piccolo 2: Fadi Alhamwi
Piccolo 3: Elad Muobarak
Piccolo 4: Shawkat Dabyan
Piccolo 5: Fadi Bardaqji
Piccolo 6: Baha Al-Shaar
Piccolo 7: Ibrahim Mahmoud

Musiker:

Kanun: LailaLalosh
E-Gitarre, Bass, Altohorn, Oud: Martin Lejeune
Violine: Güldeste Mamac
Percussion: Amjad Sukar
Akkordeon, Keyboard: Stephan Weiler

www.theater-willypraml.de