Tanzmainz zeigt mit Roy Assafs »Nothing« die Leichtigkeit des Seins

Nothing ~ tanzmainz ~ Louis Thuriot und Nora Monsecour (© Andreas Etter)

Am Samstag, den 3.November 2018 fand im Theater Regensburg die diesjährige Verleihung des Deutschen Theaterpreises DER FAUST statt. Zum zweiten Mal in Folge gewann eine Choreografie von tanzmainz die begehrte Auszeichnung. Ausgezeichnet wurde dieses Jahr Sharon Eyals Soul Chain, das Ende Oktober 2017 am Staatstheater Mainz uraufgeführt wurde. Aufgrund des großen Erfolgs, vor allem beim Publikum (schon in der vergangenen Spielzeit wurden Zusatzvorstellungen in das Programm genommen), wird es 2019/20 eine Wiederaufnahme geben. Jetzt hatte eine neue Produktion Premiere bei tanzmainz, man wird sehen, ob es zu einer erneute Auszeichnung beim Faust kommen wird.

Die Companie des Staatstheater Mainz zeichnet sich dadurch aus, dass sie ausschließlich mit internationalen Gastchoreografen arbeitet, Abwechslung ist dadurch zwangsläufig prägendes Programm. Ihr neuestes Stück Nothing erarbeitete tanzmainz mit dem israelischen Choreografen Roy Assaf, der seine Karriere als Tänzer und Assistent bei Emanuel Gat begonnen hat. Seit 2010 entwickelt er eigene Kreationen. Der Titel lässt keinerlei Hinweis auf den Inhalt erkennen und Assaf äußerte vorab den Wunsch, die Zuschauer Gefühl zu befreien, dass sie den Sinn von Nothing entdecken müssen. Im Foyer steht an einer Tafel der Stücktitel, provozierend mit einem Fragezeichen versehen. Wird es wirklich „nichts“ geben?

Roy Assaf, der jedes Stück individuell auf die jeweilige Companie kreiert, lässt es ruhig angehen. Die ersten fünf Minuten kommen die Tänzer erst einzeln, dann auch im Duo, langsam auf die Bühne. Alle halten dabei ihre Hände vor das Gesicht und verharren in der gleichen Pose. Sehen und doch nicht sehen? Auf gewohnte Sehgewohnheiten verzichten? Assaf erzählt keine Geschichte, er zeigt verschiedene Bilder, die frei zur individuellen Interpretation sind (im Programmheft wird diesbezüglich von einer regelrechten „Fantasiemaschine“ gesprochen). Dabei setzt er bei Nothing stark auf das gesprochene Wort, weniger auf Musik (bei dem 60-minütigen Programm gibt es nur zwei Nummern mit eingespielter Musik). So sind die Tänzer hier auch Schauspieler und Sänger!

Nothing
tanzmainz
Ensemble
Andreas Etter

Doch bevor es zum Gesang kommt, steht die Sprache. Keine konkrete, sondern ein freies Deklamieren von Empfindungen. Wo üblicherweise gesellschaftliche Konventionen hemmend wirken, wirkt diese Kunstsprache befreiend. Endlich einmal sagen und ausdrücken können, was einen schon immer auf der Zunge lag. Zu dem im Kauderwelsch Gesprochenen performen die Tänzer und Tänzerinnen solistisch verschiedene Posen, die mitunter an Übungen aus dem Yoga erinnern, nur wesentlich eleganter, kunstvoller und poetischer ausgeführt. Von Szene zu Szene steigt dabei die Stimmung und die gute Laune überträgt sich ins Publikum. Bewegung und Tanz macht unendlich Spaß, vermittelt Nothing auf geniale Weise. Es ist so viel mehr, als der Titel unterstellt.

Es wird flink in der tiefen Hockposition über die Bühne gegangen und lustvoll gesprungen. Einzelne haben größere Nummern, wie das Duo Nora Monsecour und Jorge Soler Bastida, die Höhen und Tiefen einer Beziehung durchtanzen, oder Mattia De Salve, der in schnellen Wechseln Facetten von Ekstase, Trauer, Zurückgezogenheit etc. vollführt, während von der Seite drei Tänzer liegend zuschauen und eine Gruppe Damen im Hintergrund vorüber tänzelt. Ein Höhepunkt ist eine große Ensemblenummer kurz vor dem Ende, bei der alle a cappella gesungene Hits der 1980er und 1990er (von Britney Spears, Take That, R. Kellyu.v.m.) anstimmen und dazu individuelle kurze Tanzeinlagen bieten (inklusive einem von Cornelius Mickel und John Wannehag geformten Herzen für Mattia De Salve).

Fast „nothing“ trifft auf die Kostüme zu, die Herren tragen lediglich knappe farbenfrohe Höschen und die Damen ebensolche ärmelfreie Trikots. Reduziert ist auch die Bühne. Seitenwände haben lediglich dekorativen Charakter, im Hintergrund befindet sich eine breite Treppenanlage, ein großer schwarzer Vorhang vermittelt eine gewisse Showatmosphäre (Ausstattung: Roy Assaf).

Nothing gleicht einer großen Spielwiese, von der sich jeder Zuschauer seine Portion an Freiheit, Leichtigkeit und Unbekümmertheit mit nach Hause nehmen kann, wie auch die Möglichkeit, sich einmal nicht zu ernst zu nehmen und über sich selbst Lachen zu können. Großer Jubelapplaus und Standing Ovations für das sich mit großer Hingabe gebende Ensemble von tanzmainz und für Roy Assaf nebst Team.


Markus Gründig, November 18


Nothing
Choreografie und Ausstattung: Roy Assaf
Premiere/Uraufführung am StaatstheaterMainz (tanzmainz): 21. November 2018
Lichtdesign: FrederikWollek

Tänzerinnen: Madeline Harms, Daria Hlinkina,Tijana Prendović, Marija Slavec, Eliana Stragapede, NoraMonsecour*
Tänzer: Jorge Soler Bastida, Benoît Couchot*,Cornelius Mickel, Matti Tauru, Louis Thuriot, Mattia De Salve, JohnWannehag
Understudy: Cristel de Frankrijker*

*Apprenticebei tanzmainz

www.staatstheater-mainz.de