Spielzeiteröffnung am Schauspiel Frankfurt mit Eugene O´Neills „Der haarige Affe“

Der haarige Affe ~ Schauspiel Frankfurt ~ Yank (André Meyer) (© Arno Declair)
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Er zählt zu den größten US-amerikanischen Dramatikern, erhielt den Literaturnobelpreis und wurde vierfach mit dem renommierten Pulitzerpreis ausgezeichnet und ist bei uns trotz alledem nicht dementsprechend bekannt: Eugene O´Neill. Höchstens sein 1956 erschienenes Drama Eines langen Tages Reise in die Nacht wird dem Einen oder Anderen als Schullektüre oder Aufführung begegnet sein (am Schauspiel Frankfurt inszenierte es zuletzt Christof Nel im März 2008). Sein im Jahr 1922 erschienenes Drama Der haarige Affe ist hingegen weitestgehend unbekannt. Wobei es im Februar dieses Jahres von Frank Castorf groß am Hamburger Schauspielhaus inszeniert wurde, mit einer über fünfstündigen Aufführungsdauer.

Das Schauspiel Frankfurt eröffnet mit diesem bald 100 Jahre alten Stück jetzt imposant die neue Spielzeit im Schauspielhaus (die unter dem Motto „Umbrüche“ steht). Hierfür wurde Der haarige Affe von Clemens Meyer, seit wenigen Tagen 45. Stadtschreiber von Bergen-Enkheim, neu übersetzt und mit umfangreichen eigenen Texten ergänzt (mitunter mit recht platten Floskeln). Von daher lässt es sich auch von einer Uraufführung sprechen. Meyer führte die schon in O´Neills Vorlage enthaltene derbe und oftmals nicht der Etikette entsprechenden Sprache der einfachen Schiffsheizer, für die sie eine Art Ventil ist, auf ein heutiges Unflätigkeitsniveau (womit sie nicht minder vulgär ist). An vielen Stellen wurde auch auf eine Übersetzung verzichtet, zum Teil wurde auch Text auf Englisch hinzugefügt.

Schon vom Formalen ist die Aufführung bemerkenswert, denn Publikumsplätze gibt es wieder einmal zusätzlich auch auf der Bühne. Gespielt wird auf einer breiten Fläche, die in vertikaler Hinsicht auf wenige Meter beschränkt ist. Somit passt sie geometrisch gut zu den Handlungsorten Ozeandampfer und Straßen in New York. Zu Beginn ist nur das Promenadendeck zu sehen, helle Holzbohlen umrahmt von einer Reling, dazu ein Abgang zu den unteren Decks. Diese Sonnenseite des Lebens wird schnell von einem großen Tumult, musikalisch und stimmlich, konterkariert. Die lautstarke (für empfindliche Ohren liegen am Eingang kostenlose Ohrstöpsel aus), circa fünfminütige, „Ouvertüre“ ist mit ihrem Getrommel laut, rhythmisch und reflektiert geschickt die exorbitante Kraft des Schiffsantriebs.

Dann beginnt der Conferencier (elegant und ausdrucksstark: Katharina Linder), der hier u. a. die Aufgabe hat, die ausführlichen Regieanweisungen des Autors zu vermitteln und zwei untere Decks werden sichtbar (imposante Optik). Im ersten sitzen die drei Schlagzeuger Daniel Klein, Max Mahlert und Martin Standke und der Live-Elektroniker Thomas Mahmoud, im zweiten, mit angedeuteten Kohleöfen, schuften die Heizer. Die raue Atmosphäre innerhalb der eingeschworenen Truppe der Schiffsheizer, aber auch ihr Leiden, wird durch die viele Stile bietende Livemusik grandios umgesetzt (musikalische Leitung: Michael Wertmüller [auch Komposition] und Thomas Mahmoud).
Teile ihrer Kleidung, wie Shirts, Hosen oder Schuhe, spiegeln mit Feuermustern die heiße Temperatur des Kohleofens wieder (Kostüme: Jelena Miletić). Die Szenen in New York (Bühne: Stéphane Laimé) sind dann nüchterner, mit lediglich aus Plateaus bestehenden schwebenden Gefängnis-/Zoozellen sind sie aber auch besonders.

Regisseur Thomas Dannemann, der sich mit dieser Produktion am Schauspiel Frankfurt vorstellt, zeigt insbesondere im ersten Teil starke Bilder, um das Bemühen um gesellschaftliche Anerkennung und das Scheitern daran, ganz heutig zu zeigen. Im Mittelpunkt des Stücks steht der ambivalente, nachdenkliche Heizer, Kraftprotz und Underdog Robert Smith, genannt Yank (weicher Kern unter stählerner Schale: André Meyer), der, wenn er sich von der Gruppe zurückzieht, immer wieder in eine Art Rodin-Pose vor sich hin sinniert. Mit ausführlichen Monologen ereifern sich die Heizerkollegen Paddy (mit besonders guter Diktion: Michael Schütz) und Long (mit einer hitzigen Kapitalismuskritikrede „Die Hölle ist das Kapital“: Stefan Graf). Souverän fügen sich die weiteren Heizer ein (Nils Kreutinger, sowie Andreas Giesser vom Studiojahr Schauspiel). Als gelangweilte Millionärstochter verzaubert und verwirrt die Mildred der Luana Velis vor allem den Heizer Yank.

Nach dem euphorischen und kraftvollen ersten Teil, wirkt der zweite Teil nach der Pause zurückhaltender und etwas konträr (selbst die Musiker sind nun fast außen vor). Dennoch, Thomas Dannemanns zeigt eine fesselnde Umsetzung dieser „Komödie vom alten und vom neuen Leben“ (wie es im Untertitel einer früheren Übersetzung heißt). Langer freundlicher Beifall.

Markus Gründig, September 2018

Besuchte Vorstellung: 7. September 18 (Premiere)


Der haarige Affe
Schauspiel Frankfurt Premiere: 7. September 18 (Schauspielhaus)

Regie: Thomas Dannemann
Bühne: Stéphane Laimé
Kostüme: Jelena Miletić
Komposition und Musikalischer Leiter: Michael Wertmüller
Musikalischer Ko-Leiter: Thomas Mahmoud
Dramaturgie: Alexander Leiffheidt

Mit: Andreas Giesser, Stefan Graf, Nils Kreutinger, Katharina Linder, André Meyer, Michael Schütz, Luana Velis
Live-Musik: Thomas Mahmoud (Live-Elektronik, Stimme), Daniel Klein, Max Mahlert, Martin Standke (Perkussion)

www.schauspielfrankfurt.de