Joyce DiDonato – Yannick Nézet-Séguin – London Symphony Orchestra
Zum ersten Mal gemeinsam auf einer Bühne – dafür haben Met-Chefdirigent und Festivalkurator Yannick Nézet-Séguin, die Primadonna Joyce DiDonato und das legendäre London Symphony Orchestra die Sommerfestspiele Baden-Baden gewählt. In der Sommergala am 16. Juli 2024, 19 Uhr musizieren sie Hector Berlioz romantische „Sommernächte“ („Les Nuits d’Été“) und Peter Tschaikowskys unmittelbar zu Herzen gehende Sinfonie Nr. 6, die „Pathétique“.
Adieu l’amour
„Les nuits d’été“, Hector Berlioz „Sommernächte“, zählen bis heute zu den beliebtesten Liedzyklen der Romantik. Zuerst 1834 für Singstimme und Klavier komponiert, orchestrierte Berlioz die sechs Lieder 1841. Der Titel kann als Anspielung auf den „Sommernachtstraum“ gelesen werden. Berlioz war ein großer Shakespeare-Verehrer und verheiratet mit der englischen Shakespeare-Darstellerin Harriet Smithson. Der Zeitpunkt der Komposition von „Les nuits d’été“ fällt zusammen mit dem Scheitern der Ehe. Und obwohl der französische Komponist vieles im Unklaren lässt über die Bedeutung des Titels und die Entstehung der sechs Lieder, hat sie die Nachwelt als das künstlerische Zu-Grabe-Tragen seiner einstmals glühenden Liebe zu Harriet gedeutet. Der Zyklus ist wie eine lange Klage über die Liebe, insbesondere über die tragischen Seiten der Liebe.
Am Anfang jedoch steht ein Tanzlied, das den Frühling preist. Es gleicht einem Volkslied, ist sehr leicht mit seinen drei Strophen, mit drei Mal fast genau derselben Melodie. Von zarten Bläserstaccati begleitet, trübt sich der unbeschwerte Tonfall immer nur kurz ein, bleibt die zarte Lust am Erwachen der Natur und der Libido unbeschwert. Das zweite Lied, „Le spectre de la rose“, ist die Traumerzählung einer Blume, die am Busen einer Frau verwelkt ist – ein leidenschaftlicher Aufschwung, in dem eine subtile Erotik mitschwingt.
Auf den schwärmerischen Traum folgen eine Totenklage, dann das von trügerischer Hoffnung erfüllte Herbeisehnen der fernen Geliebten („Absence“) und das geisterhafte Nachtstück auf dem Friedhof – „Au cimetière“. Der sanft schwingende Barkarolen-Rhythmus des letzten Liedes „L’ile inconnu“ – suggeriert, dass alles Vorhergehende nur ein Traum gewesen sein könnte. In diesem Lied fragt der Fährmann eine junge Schöne, wohin sie möchte und bekommt zur Antwort: ans Ufer der Treue, wo man immer liebt – doch diese „unbekannte Insel“ muss selbst der weitgereiste Schiffer noch suchen.
Der Zyklus schließt in so neckisch-spielerischer, leichter Stimmung, wie er begonnen hat und bringt musikalisch die unbeschwerteren Seiten der Liebe zum Ausdruck, während ihre melancholischen Aspekte den vier langsameren Liedern im Zentrum vorbehalten sind.
In Schönheit sterben
Hector Berlioz’ „Sommernächten“ folgt Tschaikowskys Sechste, die „Pathétique“. Komponiert hat sie Tschaikowsky 1893, in seinem letzten Lebensjahr. Über den Titel hatte noch Tschaikowsky selbst beschieden. Das Attribut „pathétique“, vorgeschlagen von seinem Bruder Modest, fand seine Zustimmung. Das Wort „pathetisch“ hat in verschiedenen Sprachen und Jahrhunderten wechselnde Bedeutungen. Der heute häufig intendierte negative Beiklang im Sinne von „unangemessen übersteigert“ fehlt im Russischen; hier beinhaltet der Begriff eher Vorstellungen wie „leidenschaftlich“ oder „gefühlsbetont“, auch etwas von der ursprünglichen griechischen Bedeutung des Wortes „Pathos“, nämlich „Leid“, „Schmerz“ und „Unglück“. Den damit geweckten Erwartungen entsprechen vor allem der erste und letzte Satz des Konzerts. Die langsame Einleitung setzt mit einem düsteren Fagottsolo über Kontrabassklängen ein. Im Hauptthema setzt sich die melancholische Stimmung fort, bestimmt wird es durch eine Seufzerfigur.
Heute wird das Werk jedoch auch gerade auch abseits tragischer Interpretationen leichter und duftiger wiederentdeckt. So wird etwa dem Flötenpart im ersten im ersten Satz verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt: am Anfang klingt die Flöte witzig, fast nach Rokoko – Tschaikowsky verbeugt sich hier vor seinem Lieblingskomponisten Mozart.
Durch Innovationen in der musikalischen Form wirkt sie frisch: Jedem der drei Themen ist im ersten Satz ein eigenes Tempo zugeordnet. Die Innovation setzt sich fort im zweiten Satz, einer Art Walzer, der jedoch im 5/4-Takt gehalten ist. Dieses ungewöhnliche Zeitmaß klingt sonst leicht holprig oder ungeschickt, aber hier fließen die Melodien so natürlich, dass man die Abweichung vom gewohnten Walzertakt nur als kleine Irritation wahrnimmt. Dem wunderbar anmutigen Walzer schließt sich ein Marsch an, der ungewöhnlich durch Staccato-Triolen der Streicher eingeleitet wird, die an ein Elfen-Scherzo à la Mendelssohn denken lassen.
Die Sinfonie wie sie begann, mit den leisen, düsteren Klängen des Fagotts und der tiefen Streicher – Sterben in Schönheit.
Chefdirigent und Festivalkurator
Seit 2020 kuratiert Yannick Nézet-Séguin gemeinsam mit Baden-Badens Festspielhaus-Intendant Benedikt Stampa die Baden-Badener Sommerfestspiele „La Capitale d’Été“. „In Baden-Baden habe ich einige meiner schönsten musikalischen Erfahrungen gemacht“, sagt der Stardirigent. Seit 2018 ist der Kanadier Musikdirektor der Metropolitan Opera New York. Seit 2000 ist er Künstlerischer Direktor des Orchestre Métropolitain de Montréal und seit 2012. Musikdirektor des Philadelphia Orchestra. Seinen letzten Auftritt im Festspielhaus hatte er im April 2024: Mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra, das ihn zum Ehrendirigenten erklärte, wurde er für eine konzertante Aufführung von Wagners „Rheingold“ gefeiert. Mit dem Chamber Orchestra of Europe hat in Baden-Baden Mozart-Opern sowie sämtliche Sinfonien von Beethoven und Brahms aufgenommen.
Am 16. Juli gibt Yannick Nézet-Séguin in Baden-Baden sein Debüt am Pult des legendären London Symphony Orchestra. Er hat mit dem Orchester den Soundtrack zum Kinofilm „Maestro“ eingespielt, aber live vor Publikum sind sie noch nie gemeinsam aufgetreten.
„Göttliche Stimme“
Die Mezzosopranistin Joyce DiDonato zählt zur Spitze der internationalen Sänger-Elite – mit „göttlicher Stimme“ (The Times), technischer Brillanz und atemberaubender Bühnenpräsenz. Joyce DiDonato ist eine der charismatischsten und künstlerisch vielversprechendsten Künstlerinnen unserer Zeit, die nicht nur mit technischer Brillanz, sondern auch mit emotionaler Ausdruckskraft überzeugt. Sie erhielt bereits zahlreiche Auszeichnungen: Viermal gewann sie einen Grammy, zwei Grammophone Awards und sie wurde mit dem Olivier-Award ausgezeichnet. 2009 erhielt sie – als jüngste Preisträgerin des Jahres – einen Opera News Award und 2012 wurde sie mit dem Musical America Award als beste Sängerin des Jahres ausgezeichnet.
Die US-Amerikanerin wurde 2023 im Festspielhaus Baden-Baden in Konzerten mit Yannick Nézet-Séguin und dem Met Orchestra bejubelt. Zuvor war sie hier unter anderem Solistin in Berlioz’ „La Damnation de Faust“, in „Don Giovanni“ und als Sesto in „La Clemenza di Tito“. An der New Yorker Met hat sie weit mehr als 100 Aufführungen gesungen, in Rollen wie Mozarts Cherubino und Sesto über Adalgisa in Bellinis „Norma“ bis zu Virginia Woolf in Kevin Puts’ „The Hours“, Sister Helen in Jake Heggies „Dead Man Walking“ sowie in den Titelpartien von Händels „Agrippina“, Rossinis „La Cenerentola“ und Donizettis „Maria Stuarda“. Sie gastiert an allen großen Opernhäusern und den namhaften Festivals.
London Symphony Orchestra
Das London Symphony Orchestra hat sich zum Ziel gesetzt, so vielen Menschen wie möglich großartige Musik nahezubringen: im Konzertsaal, durch Aufnahmen und in innovativen Musikvermittlungsprogrammen. Den Werten der Partnerschaft und der Selbstverwaltung ist das 1904 von einer Gruppe Londoner Musiker gegründete Orchester seit jeher verpflichtet. Seit der Eröffnung des Barbican Centre 1982 ist London Symphony dort Hausorchester. Auf Tourneen sowie in Residenzen in Paris, Dortmund, beim Festival in Aix-en-Provence und an der Music Academy of the West in Santa Barbara begeistert es sein Publikum international. Millionen von Menschen haben sich an den Soundtracks erfreut, die London Symphony eingespielt hat, unter anderem für „Star Wars“, „Harry Potter“ und „Indiana Jones“ und zuletzt „Maestro“ unter Yannick Nézet-Séguin.
Weitere Informationen und Tickets: festspielhaus.de
Persönliche Beratung und Reservierungen: Tel. 07221 / 30 13 101
Mit großzügiger Unterstützung der WÜRTH AG