
Am 20. Mai 2022 stellten Schauspielintendant Burkhard C. Kosminski und Chefdramaturg Ingoh Brux im Rahmen der Jahrespressekonferenz der Staatstheater Stuttgart das Programm für die kommende Spielzeit 2022/23 vor.
Insgesamt 17 Neuproduktionen, darunter 6 Uraufführungen, stehen auf dem Spielplan des Schauspiels Stuttgart. Zudem gibt es 3 Kooperationsprojekte mit der Staatsoper Stuttgart, dem Stuttgarter Ballett und dem Kunstmuseum Stuttgart sowie mit den Hochschulen in Stuttgart und Ludwigsburg.
Während die Bühne des Schauspielhauses den großen Stoffen gehört, bleibt das Kammertheater der Ort für neue Dramatik und Experimente. Matineen, Lesungen und diskursive Formate wie die neue Talkreihe Generation.Konflikt in Kooperation mit der Robert Bosch Stiftung sowie das umfangreiche Angebot der Theatervermittlung runden das Programm ab.
Eröffnet wird die neue Saison am 24. September 2022 mit Burkhard C. Kosminskis Inszenierung von Henrik Ibsens Ein Volksfeind im Schauspielhaus.
In der Spielzeit 2022/23 stellen sich die Regisseur:innen Amélie Niermeyer, Dušan David Pařízek, Jessica Glause und das Regieduo Marthe Meinhold und Marius Schötz erstmals am Schauspiel Stuttgart vor. Daneben werden prägnante Regiehandschriften von David Bösch, Stefan Pucher und Calixto Bieito auf der Bühne des Schauspielhauses zu erleben sein.
Die zeitgenössische Dramatik nimmt weiterhin einen zentralen Platz im Spielplan ein. So werden neue Stücke und Stückentwicklungen von Clemens J. Setz, Anne Lepper, Thomas Köck, Gernot Grünewald und Marie NDiaye zur Uraufführung gelangen.
Neu ins Ensemble kommt Camille Dombrowsky, die nach ihrem Schauspiel- und Gesangsstudium an der Leipziger Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ in Stuttgart ihr erstes Festengagement antritt. Bereits im Laufe der Spielzeit 2021/22 verstärkten Noah Baraa Meskina (Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“) und Teresa Annina Korfmacher (Universität der Künste Berlin) das Stuttgarter Ensemble. Die Schauspielerinnen Anne-Marie Lux und Nina Siewert verlassen das Haus auf eigenen Wunsch. Anne-Marie Lux konzentriert sich verstärkt auf ihre Arbeit für Film und Fernsehen, Nina Siewert wird Ensemblemitglied am Burgtheater Wien. Beide werden dem Schauspiel Stuttgart als Gäste erhalten bleiben.
Inhaltlich wird sich die Spielzeit 2022/23 mit dem Thema FREIHEIT beschäftigen. Viele hatten den Begriff der Freiheit schon als Floskel der politischen Rhetorik ad acta gelegt und die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Freiräume unseres alltäglichen Lebens als gegeben hingenommen. Aber seitdem ein Krieg im Herzen Europas begonnen wurde und westliche Politiker:innen dazu aufrufen, gemeinsam die Freiheit der demokratischen Gesellschaften zu verteidigen, hat der Begriff eine neue Relevanz bekommen. Dabei ist die Bedeutung des Wortes „Freiheit“ weder eindeutig noch allgemeingültig. Rechte Populist:innen versuchen, die Freiheit für sich zu vereinnahmen, „Querdenker“ wähnen sich im Freiheitskampf gegen eine „Corona-Diktatur“, während Ökonom:innen den „Preis der Freiheit“ berechnen. Das macht die Freiheit zu einer Urkraft des Politischen und zur sozialen Frage. Für den Freiheitsdichter Friedrich Schiller ist der Wert der Freiheit existenziell. Sein Marquis Posa in Don Carlos unterstützt den Freiheitskampf der niederländischen Provinzen und fordert „Gedankenfreiheit“ für die Menschheit insgesamt. Es sind die Ziele der Aufklärung, an die Posa glaubt: an das Recht auf individuelle Selbstbestimmung und die Macht der eigenen Vernunft. Die Kultur der Freiheit ist für Schiller eine Voraussetzung für Gerechtigkeit und Wohlergehen. Auch die französische Widerstandskämpferin Anne Beaumanoir, der Anne Weber in ihrer literarischen Biografie Annette, ein Heldinnenepos ein Denkmal gesetzt hat, steht in dieser Tradition. Erst kämpfte sie auf Seiten der Résistance gegen den Nationalsozialismus und in den 50er Jahren für die Unabhängigkeit Algeriens.
In seinem Stück Der Triumph der Waldrebe in Europa stellt Clemens J. Setz eine provozierende Frage: Was passiert, wenn ein Verstorbener in den sozialen Medien weiterlebt? Was bedeuten Freiheit und Privatheit in der digitalen Welt? Gibt es Unsterblichkeit im Netz? Gernot Grünewald beschäftigt sich in seinem Theaterprojekt mit Fluch und Segen der künstlichen Intelligenz. Mit Maschinen, die unser Leben erleichtern sollen, aber auch Ängste produzieren. Angst vor Kontrollverlust und davor, dass der Mensch von der KI beherrscht wird und seine Freiheit verliert. „Der gefährlichste Feind der Wahrheit und Freiheit bei uns – das ist die kompakte Majorität“, heißt es in Ein Volksfeind. Henrik Ibsens Badearzt Stockmann ist ein fanatischer Einzelkämpfer, der seine persönliche Freiheit gegen die Allgemeinheit verteidigt. EinSchauspiel, in dem gezeigt wird, wie demokratische Freiheiten auf dem Spiel stehen, wenn sie mit wirtschaftlichen Interessen konkurrieren. Das Musical Cabaret erzählt, wie sich das ausschweifende Nachtleben im Berlin der 1930er Jahre durch den Aufstieg der Nationalsozialisten verändert und ein Regime der Unfreiheit entsteht. Im Gegensatz dazu feiert unser diesjähriges Familienstück Momo die wiedergewonnene, die „befreite Zeit“. Michael Ende führt uns in seinem Märchenroman in eine magische Welt jenseits ökonomischer Zwänge.
William Shakespeares Der Sturm ist ein Stück, in dem es um den Besitz absoluter Macht geht und wie man sie freiwillig aufgibt. Der Zauberer Prospero hat sich die Naturgeister Ariel und Caliban untertan gemacht. Mit seiner Magie beherrscht er die Natur, erschafft Welten und vernichtet sie. Im Sturm erzählt Shakespeare seine Version der Schöpfungsgeschichte. Auf die Gefährdung der Schöpfung in der heutigen Zeit verweist der Künstler Stephan Kaluza. In seiner Video-Installation Genesis projiziert er Bilder von Regenwäldern auf markante Gebäude im Stuttgarter Stadtraum. Dazu kreieren die Staatsoper, das Stuttgarter Ballett und das Kunstmuseum Stuttgart künstlerische Interventionen, die im Rahmen eines Klimawochenendes aufgeführt werden.
Angesichts des Klimawandels fordert die amerikanische Autorin Maggie Nelson „die zunehmend überholten Debatten über Freiheit als eine Frage von mehr oder weniger staatlicher Regulierung und Totalitarismus vs. Demokratie hinter uns zu lassen und Freiheit fortan ökologisch zu denken, wozu auch gehört, mit den Grenzen und Möglichkeiten unserer gemeinsamen Umwelt zu rechnen und nicht auf Mauern, Gräben, Ethnostaaten, Apokalypse-Rückzugsorte, Schatzkammern oder Raumschiffe zu hoffen, um uns von ihr abzuschotten“. Der Wert der Freiheit zeigt sich erst in der Praxis und muss stets aufs Neue ausgehandelt werden. Mit den neuen Inszenierungen, Theaterstücken und Koproduktionsprojekten stellt
sich das Schauspiel Stuttgart in der Spielzeit 2022/23 dieser Aufgabe.
Ein weiteres Highlight der Spielzeit 2022/23 wird die Verleihung des zweiten Europäischen Dramatiker:innen Preises an die Britin Caryl Churchill und des Europäischen Nachwuchsdramatiker:innen Preises an die Ukrainerin Lena Lagushonkova sein. Schirmherr ist Ministerpräsident Winfried Kretschmann, gefördert werden die Preise vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst und dem Förderverein der Staatstheater (Hauptpreis) sowie der SRH Holding (Nachwuchspreis). Die Preisverleihung findet im Rahmen eines Festwochenendes vom 18. bis 20. November 2022 im Schauspielhaus statt.
Nach langer Corona-Pause wird Harald Schmidt für drei Termine auf die Bühne des Schauspielhauses zurückkehren: mit ironisch-spitzer Zunge und großer Theaterleidenschaft kommentiert Schmidt am 21. und 25. (öffentlich) sowie 26. September 2022 (exklusiv für Schauspiel-Abonnent:innen und den Schauspiel-Freundeskreis) den Spielplan für die Spielzeit 2022/23. Eine weitere Zusammenarbeit als Ersatz für ECHT SCHMIDT ist in Arbeit.
Gespräche mit Schulen und Bildungseinrichtungen in der Region Stuttgart zeigen: Die aktuellen Krisen hinterlassen Spuren, die Zugänge zu Kulturveranstaltungen und Kultureller Bildung gefährden. Infolge dieser Entwicklung intensiviert die Theatervermittlung des Schauspiels Stuttgart weiter ihre Bemühungen, dem Recht auf kulturelle Teilhabe gerecht zu werden und sich durch die Öffnung des Theaters für mehr Partizipation, Teilhabe und Kultur für alle einzusetzen. Für Menschen aller Altersklassen stehen daher auch in dieser Spielzeit wieder abwechslungsreiche Angebote zur Flankierung von Vorstellungsbesuchen und zum Mitmachen und selbst Aktivwerden im Programm (Spielclubs, interaktive Einführungen, partizipative Theaterprojekte, Theaterlabyrinth, Diskursformate, EINMISCHEN). Für Pädagog:innen, Schulen und andere Bildungsinstitutionen gibt es Workshops, Projekt- und Kulturtage (in Kooperation mit der Staatsgalerie Stuttgart), Theaterführungen, Probenbesuche, Begleitmaterialien und Fortbildungen. Auch zum neuen Schuljahr können Schulen aller Schulformen am erfolgreichen Partnerschulprogramm des Schauspiels Stuttgart teilnehmen.
Nach der pandemiebedingten Pause setzt Intendant Burkhard C. Kosminski zudem seine Hausbesuche und Schulbesuche fort. Interessierte wenden sich an das Intendanzbüro bzw. die intendanz.schauspiel@staatstheater-stuttgart.de (Hausbesuche) bzw. gruppen. schauspiel@staatstheater-stuttgart.de (Schulbesuche).
Die Spielpläne für September und Oktober 2022 sind ab dem 1. Juni online, der
Kartenverkauf beginnt am 5. Juli 2022. Abonnements für die neue Spielzeit 2022/23 können ab dem 4. Juli gezeichnet werden.
Die Premieren:
Ein Volksfeind
von Henrik Ibsen
Inszenierung:
Burkhard C. Kosminski
Premiere: Sa, 24. Sep 22
Schauspielhaus
Der Triumph der Waldrebe in Europa
von Clemens J. Setz
Inszenierung: Nick Hartnagel
Uraufführung: Fr, 14. Okt 22
Kammertheater
Der gute Mensch von Sezuan
von Bertolt Brecht
Inszenierung: Tina Lanik
Premiere: Sa, 15. Okt 22
Schauspielhaus
Die Präsidentinnen
von Werner Schwab
Inszenierung: Amélie Niermeyer
Premiere: Sa, 22. Okt 22
Schauspielhaus
Annette, ein Heldinnenepos
von Anne Weber
Inszenierung: Dušan David Pařízek
Premiere: Sa, 05. Nov 22
Schauspielhaus
Momo
von Michael Ende
Inszenierung: Sophia Bodamer
Premiere: Sa, 26. Nov 22
Schauspielhaus
The magic key
Ein Hiphop-Musical von
Marthe Meinhold, Marius Schötz
und Ensemble
Inszenierung und Text:
Marthe Meinhold & Marius Schötz
Uraufführung: Sa, 03. Dez 22
Kammertheater
Life can be so nice
von Anne Lepper
Inszenierung: Jessica Glause
Uraufführung: Sa, 07. Jan 23
Kammertheater
Don Carlos
von Friedrich Schiller
Inszenierung: David Bösch
Premiere: Sa, 14. Jan 23
Schauspielhaus
Die Rache ist mein
von Marie NDiaye
Inszenierung: Annalisa Engheben
Uraufführung: Sa, 11. Mär 23
Kammertheater
Cabaret
Musical von Joe Masteroff,
John Kander und Fred Ebb
Inszenierung: Calixto Bieito
Premiere: Sa, 18. Mär 23
Schauspielhaus
Der Sturm
von William Shakespeare
Inszenierung:
Burkhard C. Kosminski
Premiere: Sa, 22. Apr 23
Schauspielhaus
Projekt KI
von Gernot Grünewald
Uraufführung: Sa, 06. Mai 23
stadtraum
forecast:ödipus
living on a damaged planet
von Thomas Köck
Inszenierung: Stefan Pucher
Uraufführung: Sa, 13. Mai 23
Schauspielhaus
GENESIS
Ein Video-Projekt mit Interaktion im Stadtraum von Stephan Kaluza, Cornelius Meister und Burkhard C. Kosminski
zweite Hälfte der Spielzeit
Stadtraum
Eine Kooperation mit der Staatsoper Stuttgart, dem Stuttgarter Ballett und dem Kunstmuseum Stuttgart
Eine Bachelor-Inszenierung
Premiere: Fr, 20. Jan 23
NORD
Eine Kooperation mit der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg
Eine inszenierung der HMDK
Premiere: Do, 23. Feb 23
nord
Eine Kooperation mit der Staatlichen Hochschule für Darstellende Kunst und Musik, Stuttgart
Wiederaufnahmen:
18 Briefe und eine Fabel aus Belarus
von Maryna Mikhalchuk
mit Texten aus Camel Travel
von Volha Hapeyeva
Inszenierung: Maryna Mikhalchuk
Am Ende Licht (DSE)
von Simon Stephens
Inszenierung: Elmar Goerden
Black Box. Phantomtheater für 1 Person
von Stefan Kaegi / Rimini Protokoll
Inszenierung:
Stefan Kaegi / Rimini Protokoll
Der Besuch der alten Dame
von Friedrich Dürrenmatt
mit einem Text von Peter Michalzik
Inszenierung:
Burkhard C. Kosminski
Der Würgeengel
nach dem Film von Luis Buñuel
Inszenierung: Viktor Bodó
Don Juan
Lustspiel von Molière
Inszenierung: Achim Freyer
Fabian oder Der Gang vor die Hunde
von Erich Kästner
Inszenierung: Viktor Bodó
Fly Ganymed (DE)
von Paulus Hochgatterer
Inszenierung:
Nikolaus Habjan
Eine Kooperation mit der
Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart, Studiengang Figurentheater
Lorbeer (UA)
von Enis Maci
Inszenierung: Franz-Xaver Mayr
Maria Stuart
von Friedrich Schiller
Inszenierung: Michael Talke
Ökozid (UA)
Ein Modellversuch von
Andres Veiel & Jutta Doberstein
Inszenierung:
Burkhard C. Kosminski
Schuld und Sühne
nach dem Roman von
Fjodor M. Dostojewski
Inszenierung: Oliver Frljić
Siebzehn Skizzen aus der Dunkelheit (UA)
nach Arthur Schnitzlers Reigen
von Roland Schimmelpfennig
Inszenierung: Tina Lanik
Verbrennungen
von Wajdi Mouawad
Inszenierung:
Burkhard C. Kosminski
WASTE! (UA)
Ein Dokumentar-Märchen
von Gianina Cărbunariu
Inszenierung: Gianina Cărbunariu
Woyzeck
von Georg Büchner
Inszenierung: Zino Wey
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