Oper Frankfurt: Imposante musikalische Eindrücke bei »Der ferne Klang«

Der ferne Klang ~ Oper Frankfurt ~ Grete Graumann (Jennifer Halloway) ~ © Barbara Aumüller (www.szenenfoto.de)

kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Franz Schreker (1878-1934) ist in Frankfurt/M kein Unbekannter, wurden doch drei seiner Opern hier uraufgeführt. Der aus einfachen Verhältnissen stammende sorgte, nachdem der Vater früh verstorben war, bereits mit 14-Jahren als Organist für den Lebensunterhalt der Familie. Er studierte in Wien Musik und arbeitete zunächst in verschiedenen Berufen, war Chordirigent der Wiener Volksoper und lehrte an der Wiener Musikakademie. 1920 wurde er Direktor der Hochschule für Musik in Berlin. Diese eigentlich unkündbare Position musste er 1932 aufgrund der nationalsozialistischen Politik aufgeben, von der anschließenden Tätigkeiten an der Preußischen Akademie der Künste wurde er bereits ein Jahr später zwangspensioniert. Er verstarb 1934 an den Folgen eines Schlaganfalls. Geprägt wurde Franz Schreker von der Wiener Moderne, um Persönlichkeiten wie Sigmund Freud, Arthur Schnitzler, Hugo von Hofmannsthal und Gustav Klimt. Mit seiner 1912 in Frankfurt/M uraufgeführten Oper über einen erfolglosen Komponisten Der ferne Klang gelang ihm der große Durchbruch und er wurde als avantgardistischer Vertreter der nachwagnerianischen Moderne gefeiert. Konnte sich sein Œuvre wegen der politischen Umstände (1. Weltkrieg und NS-Diktatur) auch nicht langfristig durchsetzen, vergessen ist er nicht.

Erstmals seit den 1920er Jahren wird nun Der ferne Klang wieder am Ort seiner Uraufführung gespielt. Die Oper in drei Aufzügen ist musikalischer Stimmungszauber pur. Dieser steht als Chiffre über Schreckers gesamtem Schaffen und der Frankfurter Generalmusikdirektor Sebastian Weigle entfaltet ihn am Pult des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters differenziell und mit magischem Geschick. Es ist ein Abend, der sich in erster Linie als mustergültiges und traumhaftes Hörtheater erschließt, eine tönende Transzendenz, die vom Spiel zahlreicher Einzelinstrumente untermauert wird.


Der ferne Klang
Oper Frankfurt
v.l.n.r. Alter Fritz (Martin Georgi), Grete Graumann (Jennifer Holloway),
Fritz (Ian Koziara) und Alte Grete (Steffie Sehling)
© Barbara Aumüller ~ www.szenenfoto.de

Passend dazu verzichtet der venezianische Regisseur Damiano Michieletto auf eine naturalistische Kulisse. Er erzählt die Geschichte um Wirklichkeit und Wunschbild als verschleierte Suche nach der verlorenen Zeit. So stellt er dem Paar Grete und Fritz ein altes Paar (Steffie Sehling, Martin Georgi) an die Seite, das sie lose begleitet und dem es sich optisch immer stärker annähert. Zudem gibt es wiederholt im hinter dünnen Vorhängen vage gehaltenen Hintergrund, eine Altersheimgesellschaft im Tagesraum zu sehen (was einen dekorativen Charakter hat). Großformatige Videoprojektionen, abstrakter und konkreter Art, intensivieren die traumhafte metaphorische Suche nach dem Lebensglück von Grete und Fritz (Video: Roland Horvath, Carmen Zimmermann). Dabei spielen Musikinstrumente eine besondere Rolle, insbesondere eine Harfe, als Anspielung auf Fritzs´ Sehnsucht (und den Titel seiner Oper). Auf der terrassenförmig angelegten weißen Bühne von Paolo Fantin werden die Handlungsorte wie Kleinstadt und Tanzetablissement in den Kostümen von Klaus Bruns deutlich. Am Ende klingen Fragen nach, was im Leben zählt, was dem Leben Sinn gibt.


Der ferne Klang
Oper Frankfurt
Fritz (Ian Koziara)
© Barbara Aumüller ~ www.szenenfoto.de

Ihr Debüt an der Oper Frankfurt geben bei dieser Produktion die US-Amerikaner Jennifer Holloway (Grete Graumann, die eigentliche Hauptfigur) und Ian Koziara (Fritz). Sopranistin Jennifer Halloway zeigt die sich im Zeitlauf verändernde Grete, von der frisch verliebten jungen Frau, über die suizidbereite Verzweifelte, zur begehrten Halbweltkönigin bis hin zur gefallenen Straßenprostituierte, mit hoher darstellerischer Intensität und brillanter vokaler Vielfalt. Der junge Tenor Ian Koziara verleiht dem in sich zerrissenen Fritz, dem vergeblichen Sucher das Glück in Töne zu fassen, ein markantes Format und Klangschönheit.

Opulent ist die Besetzung der vielen Rollen bis hinein zu den Nebenfiguren, wie mit dem künftigen Ensemblemitglied Anthony Robin Schneider als Wirt des Gasthauses “Zum Schwan”, Iurii Samoilov als Schmierenschauspieler, Magnús Baldvinsson und Barbara Zechmeister als Gretes Eltern, Dietrich Volle als Dr. Vigelius, Nadine Secunde als ein altes Weib, Gordon Bintner als Graf und Sebastian Geyer als Freund Rudolf (dazu Julia Dawson als Mizi, Bianca Andrew als Milli / Die Kellnerin, Julia Moorman als Mary, Kelsey Lauritano als eine Spanierin, Iain MacNeil als der Baron, Theo Lebow als der Chevalier / 1. Chorist, Hans-Jürgen Lazar als ein zweifelhaftes Individuum und Anatolii Suprun als ein Polizeimann / Ein Diener). Sehr präsent gibt sich der von Tilman Michael einstudierte Chor der Oper Frankfurt bei der Wirtshaus- und der Ballszene.

Starker Applaus vom überaus begeisterten Publikum.


Markus Gründig, April 19


Der ferne Klang
Oper Frankfurt
Grete Graumann (Jennifer Holloway), Fritz (Ian Koziara)
© Barbara Aumüller (www.szenenfoto.de)

Der ferne Klang
Oper in drei Aufzügen
Von: Franz Schreker
Uraufführung: 18. August 1912 (Frankfurt/M, Oper Frankfurt)

Premiere an der Oper Frankfurt: 31. März 19
Besuchte Vorstellung: 13. April 19

Musikalische Leitung: Sebastian Weigle / Florian Erdl
Regie: Damiano Michieletto
Bühnenbild: Paolo Fantin
Kostüme: Klaus Bruns
Video: Roland Horvath, Carmen Zimmermann
Licht: Alessandro Carletti
Chor: Tilman Michael
Dramaturgie: Norbert Abels

Besetzung:

Grete Graumann: Jennifer Holloway
Fritz: Ian Koziara
Wirt des Gasthauses “Zum Schwan”: Anthony Robin Schneider
Ein Schmierenschauspieler: Iurii Samoilov
Der alte Graumann / 2. Chorist: Magnús Baldvinsson
Seine Frau: Barbara Zechmeister
Dr. Vigelius: Dietrich Volle
Ein altes Weib: Nadine Secunde
Mizi: Julia Dawson
Milli / Die Kellnerin: Bianca Andrew
Mary: Julia Moorman
Eine Spanierin: Kelsey Lauritano
Der Graf: Gordon Bintner
Der Baron: Iain MacNeil
Der Chevalier / 1. Chorist: Theo Lebow
Rudolf: Sebastian Geyer
Ein zweifelhaftes Individuum: Hans-Jürgen Lazar
Ein Polizeimann / Ein Diener: Anatolii Suprun

Chor der Oper Frankfurt
Frankfurter Opern- und Museumsorchester


Die Oper Frankfurt widmet diese Neuproduktion von Franz Schrekers am 18. August 1912 in Frankfurt uraufgeführter Oper Michael Gielen (1927-2019), der von 1977 bis 1987 Generalmusikdirektor der Oper Frankfurt und Leiter der Museumskonzerte in Frankfurt am Main war.

www.oper-frankfurt.de