
- Fünf Fragen an Stunt-Choreograph Ran Arthur Braun
- Festspiel-Bühnentechniker werden zu Seenot-Rettern
- Wer singt wann und warum? Die Besetzungen sind fixiert
- Publikumsliebling zurück auf der Seebühne ~ Packende Musik und Blutvergießen im Festspielhaus
- Deserta Immensità – Unendliche Einsamkeit
- Festival-Potpourri
„Die Festspiele sind eine Oase“
Fünf Fragen an Stunt-Choreograph Ran Arthur Braun
Ran Arthur Brauns Karriere startete als Pianist und Tenor. „Aber meine Stimme war leicht unterdurchschnittlich“, sagt er mit einem Lächeln. Bald fand er den besseren Weg für sich hinter der Bühne; unter anderem als Bühnenbildner, Regisseur und vor allem als Stunt-Koordinator. Der gebürtige Israeli, der in Polen lebt, kam vor 19 Jahren erstmals zu den Bregenzer Festspielen. Heuer ist er in Ernani, der Oper im Festspielhaus, als Stunt-Choreograph tätig – oder, wie er sagt, als Action-Director.
Welche Produktion war Ihre erste in Bregenz?
Das war Der Kuhhandel im Theater am Kornmarkt 2004, inszeniert von David Pountney (dem ehemaligen Festspiel-Intendanten, Anmerkung der Redaktion). Seitdem habe ich immer wieder gemerkt: Es ist schön, bei so einem Festival die Chance zu bekommen, gemeinsam mit Kolleg:innen persönlich zu wachsen. Einige von ihnen sind zu langjährigen Freund:innen geworden. Ein Beispiel ist Lotte de Beer, die Regisseurin von Ernani.
Wie fällt darüber hinaus Ihr Rückblick auf die vergangenen 19 Jahre aus?
Ich habe hier eine Menge lernen dürfen, bei Produktionen auf der Kornmarkt-Bühne über die Oper im Festspielhaus bis zum Spiel auf dem See. Das Besondere hier ist, dass die Festspielleitung uns Kreativität erlaubt. Das ist nicht überall so. Und Bregenz hat ein bisschen etwas von einer Oase. Nicht nur die Arbeit, sondern auch die Umgebung mit dem See macht hier viel Spaß und sorgt für Ausgleich zu den langen Arbeitstagen. Die Technik ist hier immer auf dem neuesten Stand. Mir gefällt auch der Ansatz, neben den großen Produktionen auf der Seebühne unbekanntere Werke zu präsentieren. Da übernehmen die Festspiele Verantwortung, generell Oper zu fördern.
Was hat sich in den vergangenen Jahren verändert?
Es ist deutlich spürbar, dass wir nach der Pandemie in noch größerer Konkurrenz zum Fernsehen und zu Streamingdiensten wie Netflix oder Amazon Prime stehen. Von diesen Medien ist das Publikum actionreiche Shows oder Filme gewohnt. Wir haben den Live-Vorteil: Die Zuschauer:innen nehmen das Stück mit allen Sinnen wahr und keine Techniker:innen können sie nachbearbeiten, bevor sie ausgestrahlt wird.
Sie unterrichten Bühnenkampf, beispielsweise am Royal Opera House Covent Garden in London. Wenn ich zu einem Ihrer Workshops kommen wollte: Was bräuchte ich vor allem – Muskeln? Mut?
Keins von beidem. Mit Arroganz oder Überheblichkeit wird es gefährlich, weil man sich dann der Gefahr nicht mehr bewusst ist. Sie müssen sie annehmen, denn die Gefahr ist immer da. Es ist nicht nötig, ein Muskelpaket zu sein. Ich bin ja weiß Gott selbst keins (lacht). Kopf und Herz müssen am rechten Fleck sein, das ist das Wichtigste. Und Offenheit.
Werden auch bei Ernani Stunts eine wichtige Rolle spielen?
Ja, wir haben acht Stuntleute dabei, so viele wie noch nie bei einer Oper im Festspielhaus. Mich faszinieren alle Elemente. Ich versuche, sie in die Stuntarbeit einzubeziehen. Sie ist für mich eine eigene Kunstform. In Kombination mit Musik werden die Stunts magisch. Das wird auch bei Ernani so sein. Details verrate ich noch nicht, bleiben Sie neugierig!
Die Bregenzer Festspiele 2023 werden am 19. Juli mit Giuseppe Verdis Ernani eröffnet. Die Premiere ist ausverkauft, für die folgenden Vorstellungen am 23. und 31. Juli gibt es noch Karten.
Festspiel-Bühnentechniker werden zu Seenot-Rettern
Vier Mitarbeiter der Seebühnentechnik sind am Mittwochabend (5.7.23) zu Lebensrettern geworden. Es war gegen 20.00 Uhr als die vier Ruderboote aus Richtung des Bregenzer Hafens kommend hinter der Seebühne vorbei ruderten. Zu der Zeit waren die Wellen so stark, dass sich die Ruderboote mit Wasser füllten und im Bereich des Seezeichens 67 in der Nähe der Seebühne teils kenterten.

© Bregenzer Festspiele/ Eva Cerv
Wasserrettungs-Schulung macht sich bezahlt
Tobi, Frank, Sami und Markus zögerten nicht und starteten die Rettungsaktion mit den zwei Arbeitsbooten „Rosa“ und „Grace“. Die gekenterten Personen waren durch das Rudern davor bereits sehr erschöpft und mussten erst Kräfte am Bootsrand sammeln, bevor sie herausgezogen werden konnten. Für die Bühnentechniker waren die Handgriffe bei der Rettung gut eingespielt. Erst diesen Montag hatten sie eine Schulung zur Wasserrettung.

© Bregenzer Festspiele/ Eva Cerv
„Höchstes Lob an die Bregenzer Festspiele“
Einer der geretteten Ruderer betonte, wie froh die gesamte Rudertruppe sei, dass die Mitarbeiter der Bregenzer Festspiele so schnell reagiert hatten. „Wir wären sonst noch länger im kalten Wasser gewesen. Wir sind auch rundum versorgt worden. Wir haben Handtücher bekommen, unsere Klamotten wurden in den Trockner gegeben, wir wurden mit Ersatzkleidung versorgt und wir haben sogar Tee und Suppe bekommen. Ein höchstes Lob an die Bregenzer Festspiele!“
Elisabeth Sobotka: „Bin stolz auf unsere Techniker“
Nach etwa zehn Minuten trafen die Einsatzkräfte ein. Wasserrettung, Polizei und Feuerwehr waren vor Ort. Bei dem Unfall wurde niemand verletzt. Intendantin Elisabeth Sobotka zeigte sich angetan vom Rettungseinsatz. Im Zuge des gestrigen Pressetages (6.7.) betonte sie vor rund 40 Journalistinnen und Journalisten, wie stolz sie auf die Bühnentechniker sei.
Während der Rettungsaktion ist die Probe zu Madame Butterfly ohne Unterbrechungen weitergelaufen.
Wer singt wann und warum? Die Besetzungen sind fixiert

Bregenzer Festspiele
Ensemble
© Ralph Larmann
Bei der Premiere von Madame Butterfly am 20. Juli wird Barno Ismatullaeva die Titelrolle singen, als Suzuki, B. F. Pinkerton und Sharpless werden Annalisa Stroppa, Otar Jorjikia und Brett Polegato auf der Seebühne zu sehen sein.
Traditionell verpflichten die Bregenzer Festspiele beim Spiel auf dem See mehrere Sänger:innen für einzelne Rollen. Bis zu drei Mitwirkende wechseln sich in einem Rotationssystem ab. Das schützt die Stimme vor Überbelastung und gewährt damit höchste Gesangsqualität.
Insgesamt 26-mal steht Giacomo Puccinis Oper in drei Akten bei den Bregenzer Festspielen in diesem Jahr auf dem Programm. Das ist nur mit Mehrfachbesetzungen zu bewerkstelligen. Wer aber singt wann und wer entscheidet nach welchen Kriterien?
Außergewöhnlich wie das Spiel auf dem See selbst, sind auch bestimmte Notwendigkeiten für das Aushängeschild der Bregenzer Festspiele. Weil in kurzer Zeit sehr viele Aufführungen über die Bühne gehen, sind es bei Madame Butterfly gleich vier große Rollen, die dreifach besetzt werden: Sharpless, Suzuki, B. F. Pinkerton und die der Geisha Cio-Cio-San, genannt Butterfly. „Das sind Partien, die man nicht sechsmal die Woche singen kann und sollte“, erklärt der künstlerische Betriebsdirektor der Bregenzer Festspiele, Michael Csar. „Hinzu kommen die äußeren Bedingungen. Wir spielen ja im Freien, das Wetter kann jeden Abend anders sein; die große, zum Teil steile Bühne mit ihren langen Wegen …das ist alles sehr belastend.“
Auch wenn jeder topfit ist, gegen Krankheit ist niemand gefeit. Es reicht eine Verkühlung, um pausieren zu müssen. Bei einer Dreifachbesetzung der großen und doppelter Besetzung der anderen Partien sitzt das Leading Team ruhiger, wenn es weiß, es ist immer jemand da, der Ausfälle abdeckt. Die Mehrfachbesetzungen sind – bei rund 7000 Besucher:innenn bei einer einzelnen Vorstellung – auch betriebswirtschaftlich sinnvoll, um mögliche Risiken zu reduzieren.
Wenn die einzelne Künstlerin und der einzelne Künstler normalerweise nur alle drei Nächte an der Reihe ist, ergibt sich draus auch ein gewisser Luxus, den sich Bregenz leisten kann: Nach Probenbeginn bleiben rund drei Wochen Zeit herauszufinden, wer mit wem optimal harmoniert. Sowohl musikalisch als auch szenisch. „Es werden alle Konstellationen durchgespielt“, sagt Michael Csar, „wobei es da kein schlechter oder besser gibt. Aber, um ein Beispiel zu nennen, bei einem Liebespaar sollte auch die Chemie zwischen Sängerin und Sänger stimmen.“
Die Entscheidung fällt in sehr enger Abstimmung zwischen Intendantin Elisabeth Sobotka, Michael Csar, dem Dirigenten und dem Regieteam etwa zwei Wochen vor der Premiere. Zu den Kriterien gehört auch die Einschätzung, ob sich jemand auf der riesigen Seebühne bis an den Rand gefordert fühlt oder tiefenentspannt mit der Gesamtsituation zurechtkommt. Das kann das Regieteam aus der Nähe am besten beurteilen.
Das ganze Premieren-Ensemble sowie die Besetzungen weiterer Vorstellungen 2023 findet sich demnächst auf der Webseite der Bregenzer Festspiele.
Ein Publikumsliebling kehrt zurück zur Seebühne ~ Packende Musik und Blutvergießen im Festspielhaus
Ein Publikumsliebling kehrt zurück zur Seebühne, im Festspielhaus entspinnt sich ein packendes Operndrama, und auf der Werkstattbühne entfaltet sich Unerhörtes und Ungesehenes. Darüber hinaus locken nicht nur große und kleine, sondern auch unkonventionelle Konzerte sowie ein Opernstudio und Schauspiel. Die 77. Bregenzer Festspiele bieten ein breites, kontrastreiches Programm für nahezu 215.000 Besucher und Besucherinnen.
Ruhig treibt das Blatt Papier im Bodensee. Seine gewellte, zerknitterte Form zeugt von einer langen Verweildauer in der Natur. Es droht zu zerreißen, wirkt zart und verletzlich. Wie die Seele der japanischen Geisha Cio-Cio-San, genannt Butterfly.
Die Versuchung sei manchmal groß, eine Inszenierung in der zweiten Spielzeit weiterzuentwickeln, doch bei Madame Butterfly bliebe praktisch alles, wie es ist, erläutert Regisseur Andreas Homoki. Das Erfolgskonzept der im vergangenen Jahr erstmals bei den Bregenzer Festspielen gezeigten Oper von Giacomo Puccini soll unverändert auch im zweiten Sommer bis zu 185.000 Besucher und Besucherinnen begeistern. Das Spiel auf dem See avancierte im letztjährigen Festivalsommer zum ausverkauften Publikumsliebling der Bregenzer Festspiele. Am 20. Juli feiert die „japanische Tragödie“ ihre Wiederaufnahme-Premiere.

Saimir Pirgu, Enrique Mazzola, Elisabeth Sobotka, Lotte de Beer
© Anja Köhler ~ andereart.de
26 Aufführungen stehen am Programm
Die Vorbereitungen für die Opernproduktion auf der Seebühne biegen dieser Tage auf die Zielgerade ein: Nach der Klavierhauptprobe am kommenden Samstag komplettieren ab Montag die Wiener Symphoniker das Spiel auf dem See bei fünf sogenannten BO-Proben (Bühnen- und Orchesterproben), es folgen die Orchesterhauptprobe mit jungem Publikum bei der Young People’s Night, dann die Generalprobe – und 26 Aufführungen während des rund fünfwöchigen Festspielsommers 2023. Die musikalische Leitung haben Enrique Mazzola und Yi-Chen Lin, das Bühnenbild entwarf Michael Levine, Kostümbildner ist Antony McDonald.
Madame Butterfly sei nicht nur ein musikalisch enorm schönes und von der Handlung her aufrüttelndes Werk, sondern auch ein kritisches, zeitaktuelles Stück. „Die Oper kritisiert schonungslos US-amerikanische und europäische Arroganz gegenüber anderen Kulturen. Dieser Aspekt ist ein deutlicher Teil der Inszenierung“, sagt Regisseur Andreas Homoki.
Tickets sind verfügbar
Rund 85 Prozent der rund 185.000 aufgelegten Tickets (inkl. Young People’s Night und Generalprobe) für das Spiel auf dem See sind derzeit gebucht. Für Aufführungen vor allem im August sind noch Plätze verfügbar. Insgesamt sind für die Bregenzer Festspiele 2023 rund 215.000 Tickets aufgelegt.
Oper im Festspielhaus: Ehre und Liebe, Mord und Rache bei Ernani
Im Festspielhaus möchte Regisseurin Lotte de Beer mit Ernani eine Geschichte über das „unvollkommene Wesen namens Mensch“ auf die Bühne bringen. Giuseppe Verdis packendes Drama um Liebe und Rache eröffnet am 19. Juli die 77. Bregenzer Festspiele. Die Oper habe seit Langem auf ihrem Wunschzettel gestanden, sagt Lotte de Beer. Jeder Figur wohne eine krasse Widersprüchlichkeit inne: „Alle sprechen über Ehre, Liebe, Glück und Freundschaft, doch was sie tun, ist Rache üben und Blut vergießen, Mord und Selbstmord. Es wird viel Blut vergossen.“ Der zum Entstehungszeitpunkt erst 31-jährige Verdi schafft es wie kaum ein anderer, diese gegensätzlichen Gefühlszustände in packende Musik zu übertragen. „Die Grundidee Giuseppe Verdis ist faszinierend, nämlich eine groteske Psychologie der Charaktere zu schaffen, um sie in kontrastreiche, emotionsgeladene Musik zu verwandeln“, sagt Enrique Mazzola, Residenzdirigent der Bregenzer Festspiele und neben der Oper im Festspielhaus auch Dirigent beim Spiel auf dem See.
Ausstatter ist Christoph Hetzer, der gemeinsam mit Lotte de Beer und Enrique Mazzola bereits 2017 die Oper im Festspielhaus Moses in Ägypten realisierte. Insgesamt stehen drei Aufführungen am Programm. Ernani bescherte Verdi den endgültigen Durchbruch als Komponist und entwickelte sich zu einer seiner meistgespielten Opern im 19. Jahrhundert. Die 1844 uraufgeführte Oper stand zuletzt 1987 auf dem Spielplan des Sommerfestivals. Es spielen die Wiener Symphoniker.
Deserta Immensità – Unendliche Einsamkeit
Die Bregenzer Festspiele und Lieca präsentieren Fotografien von Emanuele Scorcelletti
Die Ausstellung findet während der Bregenzer Festspiele im Foyer des Festspielhauses statt. Der Eintritt ist kostenlos.
Festival-Potpourri
Back in Town: Barno Ismatullaeva aka Madame Butterfly ist wieder zurück in Bregenz und genießt den Tag vom Festland aus. instagram.com
Die Vorfreude steigt: Annalisa Stroppa kann den Start des Spiels auf dem See kaum mehr erwarten und zeigt sich in ihrer Rolle als Suzuki gemeinsam mit ihrem kleinen Co-Star Dolore. instagram.com
Wolkig mit der Aussicht auf Madame Butterfly: Der musikalische Leiter Enrique Mazzola freut sich auf die Proben auf der „marvellous lakestage“. instagram.com
Hinter den Kulissen: Auch der Cast von Ernani hat viel Spaß in der Pause rund um ihren Arbeitsplatz. ww.instagram.com
Die Bregenzer Festspiele 2023 finden von 19. Juli bis 20. August statt.
Tickets und Infos unter bregenzerfestspiele.com und Telefon 0043 5574 4076.