Neuigkeiten von den Bregenzer Festspielen (5. Juli)

Der Freischütz ~ Bregenzer Festspiele ~ Probeneinblick - Maximilian Krummen (Kilian) ~ © Bregenzer Festspiele / Eva Cerv


Warum das Spiel auf dem See für Bariton Maximilian Krummen ein Heimspiel ist

Ein „Freischütz“-Probentag ist streng durchgetaktet

Oft ist der erste Eindruck entscheidend. Was für ein Vorstellungsgespräch gilt, gilt im übertragenen Sinne auch für den Beginn einer Oper: Im Freischütz ist es der reiche Bauer Kilian, der mit dem ersten Solo des Abends (»Schau’ der Herr mich an als König!«) den Rahmen des Dramas umreißt. Kilian lässt sich in dieser Szene nicht nur als Schützenkönig feiern; vielmehr kosten er und das halbe Dorf das Versagen des jungen Amtsschreibers Max aus. Max hat wieder nicht getroffen, wodurch in dieser archaischen Welt eine Hochzeit mit der von ihm angebeteten Förstertochter Agathe in weite Ferne rückt. Das bringt Max letztendlich in jene Gewissensnot, die ihn dazu bringt, sich mit dem Teufel einzulassen.

Eine besondere Verantwortung

Eine Aufführung mit der ersten Arie sozusagen »gut ins Go zu bringen«, sagt Maximilian Krummen, sei schon eine besondere Verantwortung. Er ist einer der beiden Sänger, die sich in dieser Premierensaison als Kilian auf der Seebühne abwechseln. Es wird zwischen Max und Kilian handgreiflich, verrät er, und sogleich spielt Wasser eine Rolle, was sich durch das ganze Stück in der Inszenierung von Philipp Stölzl ziehen wird. Durchaus körperlich herausfordernd wird dieser Freischütz, weiß Maximilian Krummen, seit vor drei Wochen die Proben begonnen haben. Er kommt mit dem Rad – ohne Strom, wohlgemerkt – und hält sich mit Joggen fit.

Ein Probentag für das Spiel auf dem See kann für die Sänger:innen mitunter ziemlich lang werden – auch wenn ihre Rolle, wie die des Kilian, eine verhältnismäßig kleine ist. Wenn um 10.30 Uhr auf der Seebühne zu den ersten Takten die szenischen Proben beginnen, hat sich Maximilian Krummen vorher schon zehn, fünfzehn Minuten lang eingesungen, sich Requisiten besorgt und das Probenkostüm übergezogen.

Um 13.30 Uhr ist für die Sänger:innen zwar vorerst Schluss auf der Seebühne, doch nachmittags folgen Anproben von Maske, Kostüm und andere Abstimmungen, bevor es von 19.00 bis 22.00 Uhr in die zweite Probensession des Tages geht. Aber immerhin: »Die Schlusszeiten sind heilig«, sagt Maximilian Krummen. Denn um 22.00 Uhr warten schon die Lichttechniker:innen darauf, bei den Beleuchtungsproben alle Details des Dorfes und der Wolfsschlucht ins rechte Licht setzen zu können: Ein Probentag bei den Bregenzer Festspielen ist streng durchgetaktet.

All das geschieht unter dem Diktat des Wettergottes. Denn bei den Proben am See ist es auch nicht ungewöhnlich, dass es an einem Tag wie aus Kübeln schüttet und am nächsten »Sonnencreme und Sonnenbrille für die Vormittagsprobe unerlässlich sind«, berichtet Maximilian Krummen. Mit den Bedingungen am Bodensee ist er bestens vertraut, auch wenn er derzeit am Staatstheater Braunschweig fix engagiert ist. Denn seine Eltern zogen von Fürth nach Radolfzell, als er noch ein Kind war. Bis zu seinem Musikstudium in Köln wuchs Maximilian Krummen am anderen Ende des Bodensees auf. Die Familie hat mit ihm jede der Seeproduktionen der Bregenzer Festspiele besucht. Sie haben auf ihn einen guten Eindruck hinterlassen. Nun schließt sich der Kreis und der junge Bariton ist für den Freischütz zu einem Heimspiel zurückgekehrt.


Fünf Fragen an Bühnen- und Kostümbildner Dietrich von Grebmer (Opernstudio)

Dietrich von Grebmer
© Bregenzer Festspiele / Dietmar Mathis

Vom Brautmodenversand zu Dantes Inferno

Zwei Einakter direkt hintereinander singen und spielen die jungen Künstler:innen des Opernstudios in diesem Jahr am Kornmarkt: Gioachino Rossinis Der Ehevertrag sowie Gianni Schicchi von Giacomo Puccini. Nur eine Bühne – nicht zwei – hat hingegen der Bühnen- und Kostümbildner Dietrich von Grebmer zur Verfügung. Für ihn eine »besonders willkommene Herausforderung«.

Das Opernstudio-Publikum darf sich auf einen heiteren Abend freuen. Was bedeutet das für Ihre Herangehensweise? Welchen Einfluss hat der Charakter des Stücks?

Er ist die Grundlage für meine Arbeit an Bühne und Kostüm. In enger Abstimmung mit der Regie entstehen erste Ideen und Ansätze, dann Skizzen, Entwürfe und ein Bühnenbildmodell. Schritt für Schritt geht es dann gemeinsam weiter. In den meisten Fällen hat man etwa ein Jahr Vorlaufzeit bis zur Premiere.

Wie werden die Kostüme für die beiden Werke aussehen?

Wir tauchen in zwei ganz unterschiedliche Kostümwelten ein. Beim Ehevertrag sind wir im Heute, in einer kühlen Geschäftswelt-Atmosphäre. Die Farben sind eher gedeckt und zurückhaltend – bis auf eine Figur. Mein Stichwort dazu lautet: Brautmodenversand. Bei Gianni Schicchi wird es dann skurril, fantasievoll, auch ein bisschen unheimlich. Diese gewisse Verfremdung und Übertreibung in Kostüm und Maske hilft, auch die älteren Rollen glaubwürdig zu machen, weil alle Sänger noch sehr jung sind. Drei Stichworte: Florenz, Dantes Inferno und Gothic Style. Mehr soll nicht verraten werden.

Die diesjährige Produktion ist ein Doppelabend. Wie lösen Sie das Problem, nur eine Bühne für zwei direkt aufeinanderfolgende Werke zu haben?

Ich hatte schnell eine Grundidee und habe drei drehbare Bühnenbild-Elemente entwickelt. In der Pause zwischen den Einaktern werden alle drei Elemente gedreht, außerdem tauschen wir Möbel und Requisiten aus. Natürlich hat auch die Beleuchtung einen großen Anteil daran, beide Opern in ganz unterschiedliche Atmosphären zu tauchen. Für mich ist es eine besonders willkommene Herausforderung, in kürzester Zeit und mit wenigen Mitteln ein völlig neues und unerwartetes Bild zu zaubern.

Regie führt Brigitte Fassbaender, mit der Sie schon oft zusammengearbeitet haben. Was schätzen Sie an ihr?

Mit Brigitte Fassbaender hat sich durch die langjährige intensive Zusammenarbeit ein großes gegenseitiges Vertrauen und auch eine schöne Freundschaft entwickelt. Ich schätze ihre Vielseitigkeit als Künstlerin, ihr Interesse und ihre Neugier an allem und jedem sowie ihren Humor. Wir arbeiten meistens an Komödien, das Schwierigste überhaupt, wie sie immer sagt. Daher muss der Humor auf einer gemeinsamen Ebene liegen. Sonst funktioniert es nicht.

In den Jahren 2018 und 2022 haben Sie – für Inszenierungen von Brigitte Fassbaender – Bühne und Kostüme für das Opernstudio gestaltet. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?

Unser Einstieg war Der Barbier von Sevilla. Ein großer Erfolg: Die Produktion wurde vom Staatstheater Meiningen übernommen. Dann kam Die Italienerin in Algier, und auch dieses Werk von Rossini war ein schönes und lustiges Abenteuer. Die Arbeit der Werkstätten für Bühne und Kostüme bei den Bregenzer Festspielen ist von hoher Qualität und großem Know-how geprägt. Das trägt maßgeblich zum Erfolg bei. Es ist auch schön, so junge Sänger:innen bei den ersten Schritten ihrer Karriere zu beobachten und zu begleiten. Das »Urlaubsfeeling«, das man in Bregenz ganz nebenbei mitnimmt, rundet die Arbeit hier perfekt ab.

Das Opernstudio am Kornmarkt mit den beiden Einaktern Der Ehevertrag und Gianni Schicchi feiert am 12. August Premiere. Weitere Vorstellungen folgen am 14., 16. und 17. August.

Beim dritten Festspielfrühstück am 11. August ist Kammersängerin Brigitte Fassbaender zu Gast, die dieses Jahr erneut das Opernstudio inszeniert. Beginn ist um 9.30 Uhr im Seefoyer des Festspielhauses. (tb)


Die Besetzungen des Spiels auf dem See sind fixiert

Probeneinblick „Der Freischütz“
© Bregenzer Festspiele / Eva Cerv

Wer singt wann und warum?

Traditionell verpflichten die Bregenzer Festspiele beim Spiel auf dem See mehrere Sänger:innen für einzelne Rollen. Bis zu drei Mitwirkende wechseln sich in einem Rotationssystem ab. Das schützt die Stimme vor Überbelastung und gewährt damit höchste Gesangsqualität.

Insgesamt 28 Mal steht die romantische Oper Der Freischütz von Carl Maria von Weber bei den Bregenzer Festspielen in diesem Jahr auf dem Programm. Das ist nur mit Mehrfachbesetzungen zu bewerkstelligen. Wer aber singt wann und wer entscheidet nach welchen Kriterien?

Außergewöhnlich wie das Spiel auf dem See selbst sind auch bestimmte Notwendigkeiten zur Durchführung des Aushängeschildes der Bregenzer Festspiele. Weil in kurzer Zeit sehr viele Aufführungen über die Bühne gehen, sind es beim Freischütz gleich vier große Rollen, die dreifach besetzt werden: Agathe, Ännchen, Kaspar und Max.

»Die Partien sind nicht nur stimmlich extrem anspruchsvoll, auch körperlich verlangen wir unseren Sänger:innen einiges ab«, erklärt der künstlerische Betriebsdirektor der Bregenzer Festspiele, Michael Csar. »Wind und Wetter, die enormen Dimensionen der Seebühne und ein Regiekonzept, bei dem die Darsteller:innen am, im und manchmal sogar unter Wasser spielen – all das ist mit einer normalen Opernbühne kaum vergleichbar.«

Auch wenn jeder topfit ist, gegen Krankheit ist niemand gefeit. Es reicht eine Verkühlung, um pausieren zu müssen. Bei einer Dreifachbesetzung der großen, und doppelter Besetzung der anderen Partien sitzt das Leading Team ruhiger. Man weiß, es ist immer jemand da, der eventuelle Ausfälle abdeckt. Die Mehrfachbesetzungen sind – bei rund 7000 Besucher:innen pro Vorstellung – auch betriebswirtschaftlich sinnvoll, um mögliche Risiken zu reduzieren.

Wenn die einzelne Künstlerin und der einzelne Künstler normalerweise nur alle drei Nächte an der Reihe sind, ergibt sich daraus auch ein gewisser Luxus, den sich Bregenz leisten kann: Nach Probenbeginn bleiben rund drei Wochen Zeit herauszufinden, wer mit wem optimal harmoniert – sowohl musikalisch als auch szenisch. »Es werden alle Konstellationen durchgespielt«, sagt Michael Csar, »und am Ende gibt es keine bessere oder schlechtere Besetzung, sondern drei sehr gut aufeinander abgestimmte, wo Klang und Chemie stimmen.«

Die Entscheidung wird in sehr enger Abstimmung zwischen Intendantin Elisabeth Sobotka, Michael Csar, der Musikalischen Leitung und dem Regieteam etwa zwei Wochen vor der Premiere gefällt. Zu den Kriterien gehört auch die Einschätzung, ob sich jemand auf der riesigen Seebühne bis zum Anschlag gefordert fühlt oder tiefenentspannt mit der Gesamtsituation zurechtkommt. Das kann das Regieteam aus der Nähe am besten beurteilen.

Premierenbesetzung 17. Juli 2024:

Ottokar: Liviu Holender
Kuno: Franz Hawlata
Agathe: Nikola Hillebrand
Ännchen: Katharina Ruckgaber
Kaspar: Christof Fischesser
Max: Mauro Peter
Samiel: Moritz von Treuenfels
Ein Eremit: Andreas Wolf
Kilian: Maximilian Krummen
Brautjungfern: Theresa Gauß, Sarah Kling

Musikalische Leitung: Enrique Mazzola

Das ganze Premieren-Ensemble sowie die Besetzungen der weiteren Vorstellungen 2024 finden sich auf der Webseite der Bregenzer Festspiele: bregenzerfestspiele.com.


Insta-Insider: Bregenzer Festspiele ganz persönlich

Ein 90 Meter langer Oktopus entsteht

Nicht nur am Bodensee wird fleißig gewerkelt: Der portugiesische Künstler Hugo Canoilas arbeitet in einer riesigen Halle in der Nähe von Wien an dem knapp 90 Meter langen „Oktopus-Tuch“, das Mitte August Teil des Bühnenbilds von Hold Your Breath auf der Werkstattbühne sein wird. instagram.com


Konzert des Sinfonía por el Perú Youth Choir

Junge Festspiele

Neu im Programm: Konzert des Sinfonía por el Perú Youth Choir am 13. Juli 2024 um 16.30 Uhr im Festspielhaus Bregenz. bregenzerfestspiele.com


Erklärte Opernkulisse

Am Samstag, 6. Juli 2024, findet zum dritten Mal die 20-minütige Bühnenpräsentation von Der Freischütz statt. bregenzerfestspiele.com


Die Bregenzer Festspiele 2024 finden von 17. Juli bis 18. August statt.
Tickets und Infos unter bregenzerfestspiele.com und Telefon 0043 5574 4076.