Neuigkeiten von den Bregenzer Festspielen (12. Juli)

© Bregenzer Festspiele / mmodley


Sechs Kostümmalerinnen verleihen den Gewändern des Freischütz ihren speziellen, alten Look

Von Schleifpapier, Lack, Farbe und tausenden Strasssteinchen

Die kostümerfahrene Münchnerin Waltraud Münzhuber leitet die Werkstatt Kostümmalerei der Bregenzer Festspiele. Sie und ihr Team sorgen dafür, dass beim Freischütz die Gewänder an den richtigen Stellen Flecken haben, modrig aussehen oder im Scheinwerferlicht strahlen. „Hinter jedem Bühnenbild steht ein Farbkonzept, das auch für die Kostüme gilt. Grundsätzlich versuchen wir, die Geschichte des Freischütz dem Regiekonzept von Philipp Stölzl folgend stimmig zu erzählen.“

„Kunsthandwerk Kostümmalerei“

Mit Akribie bearbeitet Dorothee Melzer erst mit Schleifpapier, dann mit Farbe einen breiten Gürtel. Sie knickt das Leder da und dort ein paar Mal, damit es kleine Risse bekommt. Das wäre – Ältere erinnern sich an Robert Lembkes „heiteres Beruferaten“ im Fernsehen – eine typische Handbewegung bei „Was bin ich?“ gewesen: mit bestimmten Kniffen Kostüme „auf Alt“ machen. „Wir machen alles Dekorative am Kostüm“, erklärt Waltraud Münzhuber und listet so nebenbei auf, was bei Der Freischütz gefragt ist: „Thema Blut, Thema Dreck, Thema Ekel …“. Webers Oper spielt ganz der Schauerromantik verpflichtet mit der Lust am Schrecken.

Dorothee Melzer, die seit 30 Jahren am Theater in Frankfurt arbeitet und für die Bregenzer Festspiele Urlaub genommen hat, ist zusammen mit Waltraud diejenige mit der längsten Erfahrung im sechsköpfigen Team „Kunsthandwerk Kostümmalerei“. Waltraud Münzhuber ist neben ihrem zweiten Standbein als Handweberin seit 1999 als freischaffende Kostümmalerin tätig. Zuvor war sie neun Jahre an der Bayerischen Staatsoper engagiert.

Liebevolle Handarbeit

Kostümmalerei ist kein Lehrberuf, obwohl das immer wieder gewünscht wird. So hängt alles von „learning by doing“ ab. Was brauche ich – ein Beispiel von vielen zum Spiel auf dem See –, damit ein Kostümdetail aus Filz für die metallene Kufe eines Schlittschuhs gehalten wird? Am Ende waren es „sechs Schichten Transparentplastik –und der Effekt sieht total gut aus. Da hab’ ich mich richtig gefreut!“, erklärt Waltraud Münzhuber das Stück in ihrer Hand.

Augenscheinlicher für die Besucher:innen des Freischütz werden die Kostüme der Tänzerinnen des Wasserballetts in Ännchens Traumsequenz sein. Jeder der insgesamt neun Badeanzüge – einer dient als Reserve – ist mit tausenden glitzernden Strasssteinen besetzt. „Ich weiß gar nicht, wie viele es genau sind, aber jeder einzelne ist tatsächlich von Hand draufgeklebt. Das sind vier Stunden, die man an einem Kostüm sitzt.“ Die Kostüme der Wassergeister wiederum sollen „schimmelig und algig ausschauen, glänzen und dann auch noch wassertauglich sein. Da haben wir Stoffe und Farben auf verschiedenste Arten probiert.“

Ob alles nach Wunsch und Plan funktioniert, zeigt sich bei den Proben am Ende des Entstehungsprozesses. Der begann vor über einem Jahr. Die erste Besprechung mit der Kostümbildnerin fand noch vor dem Sommer 2023 in Bregenz statt. Ende August waren dann die ersten Stoffmuster bestellt und zusammengetragen, so dass „wir zu zweit zwei Wochen lang in Bregenz die ersten Muster gefärbt haben.“

Die ersten Kostüme gingen in die Schneiderei, kamen zum Färben und zwecks Veralterung zurück. Im Oktober und Februar trafen sich Waltraud Münzhuber und eine Kollegin noch einmal zwei Wochen in Bregenz. „Im April waren wir schon zu viert hier“, berichtet sie, um die Kostüme für den Chor zu finalisieren. Ab 27. Mai war die Werkstatt Kostümmalerei dann voll besetzt. Es sind schließlich 150 Kostüme, die für den Freischütz notwendig sind, und jedes davon ist ein Einzelstück.

Je intensiver die Proben werden, umso mehr kurzfristige Änderungswünsche gibt es, die das Team um Waltraud Münzhuber aber nicht aus der Ruhe zu bringen scheinen. Am vergangenen Samstag fand die Klavierhauptprobe auf der Seebühne statt, berichtet sie, das erste Mal unter den Lichtbedingungen wie bei den späteren Aufführungen. Sie zeigt eine handschriftliche Liste mit Anpassungswünschen für die Kostüme. „Die Liste ist relativ kurz“, merkt sie beiläufig an. Sie und das Team haben demnach vorab gut gearbeitet. Waltraud Münzhuber nickt.


Fünf Fragen an Lichtdesigner Florian Schmitt „Der Freischütz“

Florian Schmitt
© Bregenzer Festspiele / Lisa Mathis

„Wir bringen Tag und Nacht auf die Bühne“

Zum zweiten Mal nach Rigoletto ist Florian Schmitt beim Spiel auf dem See dabei. Gemeinsam mit Regisseur und Bühnenbildner Philipp Stölzl zeichnet er für das Freischütz-Lichtdesign verantwortlich. Rund 200 Lichtstimmungen sind entstanden, die die jeweils richtige Atmosphäre auf die Bühne zaubern. Im Interview spricht der 39-Jährige aus Oberhausen (Nordrhein-Westfalen) über die tägliche Team-Arbeit und technische Herausforderungen auf der größten Seebühne der Welt.

Sie haben 2019 erstmals bei den Bregenzer Festspielen mitgearbeitet. Was waren Ihre ersten Eindrücke?

Ich kannte bis dahin nur die Bühnenbilder und den James-Bond-Film. Das erste Mal hierher zu kommen, war schon sehr beeindruckend – allein schon die Naturkulisse des Sees. Damals war gerade der Rigoletto-Clown im Bau. Ich habe gemerkt: Das ist hier absolut ausgeklügelt und technisch auf sehr hohem Niveau. Eine Open-Air-Bühne mit diesen Dimensionen war Neuland für mich. Ich habe mich aber schnell an die Situation gewöhnt, auch weil ich gleich sehr gut aufgenommen wurde.

Rigoletto war Ihre erste Zusammenarbeit mit Philipp Stölzl. Wie hat sie funktioniert?

Wenn man das erste Mal mit jemandem zusammenarbeitet, muss man zunächst herausfinden: Was will der andere? Philipp hat genaue Vorstellungen. Er spricht viel in Stimmungen und Gefühlen, die es dann technisch umzusetzen gilt. Wir hatten schnell einen guten Draht zueinander. Die Kommunikation im gesamten Team war von Anfang an sehr angenehm, weil es sehr professionell ist und es keine Hierarchien gibt. Das gilt auch für diese Produktion. Auch menschlich hat es sofort funktioniert. Philipp ist, genau wie ich, kein klassischer Theatermensch.

Worauf kommt es beim Lichtdesign für den Freischütz an?

Unsere Aufgabe ist, sowohl Tages- als auch Nachtsituationen abzubilden. Tagsüber sind wir in einer Art Eiswelt, nachts ist es dunkel und schummrig, dazu kommt die Wolfsschlucht. Es geht darum, die einzelnen Spielbereiche und unterschiedlichen Szenen lichttechnisch voneinander abzugrenzen. In einem Theater ist der Wechsel von einer Welt in eine andere viel leichter. Bei einer Outdoor-Bühne ist dafür das Licht entscheidend. Es hilft dem Publikum zu verstehen, wo die Handlung gerade spielt.

Was sind die größten Herausforderungen für Sie?

Das ist vor allem die Situation, dass wir in einem Wasserbecken spielen. Und das Bühnenbild reicht bis zur ersten Zuschauerreihe heran, das gab es hier noch nie. Das Publikum soll nicht ständig durch Wasser-Reflexionen geblendet werden. Deshalb leuchten wir sehr viel von der Seite statt von hinten. Anders als beispielsweise bei Rigoletto wird außerdem das komplette Bühnenbild bespielt, von ganz oben auf dem Berg bis zur Kirchturmspitze. Das heißt für uns, mit verhältnismäßig wenig Lampen überall hinzukommen. Auf der Bühne sind teilweise bis zu 100 Leute gleichzeitig, die natürlich alle zu sehen sein sollen. Die Kunst liegt darin, so wenig Beleuchtungstürme aufzustellen wie möglich, weil sie im Bild stören.

Als Lichtdesigner für die Seebühne haben Sie zu einer ungewöhnlichen Zeit Feierabend, besonders jetzt in der heißen Phase …

Bei so einer Freiluftveranstaltung können wir erst arbeiten, wenn es dunkel ist. Die szenische Probe am Abend startet zur Originalzeit, also um 21.15 Uhr. Ich filme mit einer kleinen Kamera mit, damit wir anhand des Videomaterials überprüfen können, was noch nicht funktioniert. Diesen Korrekturen widmen wir uns direkt danach in der Beleuchtungsprobe, die bis 2.30 oder 3.00 Uhr dauert. Das geht noch bis zum morgigen Samstag so. Am Mittwoch ist Premiere. Wenn alle drei Besetzungen einmal auf der Bühne gestanden haben, ist mein Auftrag erledigt.


Eröffnungsfeier zum Start der 78. Bregenzer Festspiele am Mittwochvormittag

Bregenzer Festspiele, Eröffnung Vorjahr (19.07.2023)
© Bregenzer Festspiele / Lisa Mathis

Am kommenden Mittwoch ist es so weit: Die 78. Bregenzer Festspiele werden von Bundespräsident Alexander van der Bellen feierlich eröffnet. In einer einstündigen Eröffnungsfeier auf der Bühne des Festspielhauses wird die Vielfalt der Bregenzer Festspiele zu erleben sein. Beginn ist um 10.30 Uhr. Als Festredner werden neben dem Bundespräsidenten auch der Vizekanzler und Kulturminister Werner Kogler sowie Festspielpräsident Hans-Peter Metzler erwartet.

Höhepunkte des diesjährigen Festspielsommers

Der Festakt wird live in ORF 2 und 3sat übertragen. Die 1.850 geladenen Gäste im Saal und das Fernsehpublikum erleben einen einstündigen Streifzug durch den diesjährigen Festspielsommer. Es spielen die Wiener Symphoniker unter der Leitung von Enrique Mazzola, Yi-Chen Lin und Claire Levacher.

Nach knapp 70 Minuten schließt sich der Kreis: Waren zu Beginn des Festaktes die Landes- und die Bundeshymne zu hören, so erklingt zum Abschluss die Europahymne, Beethovens „Ode an die Freude“. Danach geht es weiter mit dem Festspielempfang am Platz der Wiener Symphoniker, für den vor allem das Land Vorarlberg verantwortlich zeichnet.


Insta-Insider: Bregenzer Festspiele ganz persönlich

Marvelous – also wunderbar – findet Conductor in Residence Enrique Mazzola seinen Ausflug auf den Bregenzer Hausberg Pfänder. instagram.com


Young People’s Night

Am Samstag, 13. Juli 2024 öffnen die Bregenzer Festspiele exklusiv für Jugendliche ihr Pforten. Auf dem Programm stehen das Spiel auf dem See, Workshops, Führungen und mehr.
Zum Programm: bregenzerfestspiele.com


Festspiel-Frühstück 1

Erleben Sie Bühnenbildner und Regisseur Philipp Stölzl von seiner persönlichen und privaten Seite.
Wann: 14. Juli, 9.30 Uhr
Wo: Festspielhaus Bregenz

Mehr darüber: bregenzerfestspiele.com


Die Bregenzer Festspiele 2024 finden von 17. Juli bis 18. August statt.
Tickets und Infos unter bregenzerfestspiele.com und Telefon 0043 5574 4076.