Neuigkeiten von den Bregenzer Festspiele (9. August)

Der Freischütz ~ Bregenzer Festspiele ~ Backstage mit Julia Schultheis (Requisite) ~ © Bregenzer Festspiele / Eva Cerv


Was davor geschah…

Damit „Der Freischütz“ abends reibungslos über die Bühne gehen kann, arbeiten tagsüber viele Mitarbeiter;innen im Hintergrund

Ein Adler fällt vom Himmel, nach einem Schuss auf die Zielscheibe vor der Mühle raucht es, die Riesenschlange spuckt bedrohlich Feuer und eine Wasserleiche wird innerhalb weniger Minuten zur Brautjungfer. Damit all diese Aktionen während des Freischütz wie am Schnürchen laufen, sind die Abteilungen Requisite, Effekte und Kostüm/Garderobe Tag für Tag schon nachmittags in Einsatz.

Es ist 16 Uhr. Auf der Hinterbühne des halbversunkenen Freischütz-Dorfes ist es noch ruhig. Doch das wird sich bis zum Beginn der Vorstellung um 21 Uhr noch ändern. Denn bis dahin gibt es noch viel zu tun: Spezialeffekte werden vorbereitet, Requisiten eingerichtet und die Kostüme für die Dasteller:innen in die Garderoben gebracht.

Spezial-Handgriffe für Spezial-Effekte

Dominik Heß ist für die Spezialeffekte verantwortlich. Ohne sein Zutun würde das Gewehr in Max’ Hand beim Probeschuss keinen Schuss abfeuern. Aber so würde die Szene nicht wirken und vom Publikum wahrscheinlich als „unrealistisch“ bewertet werden. Also sorgt Dominik Heß dafür, dass es am Ende des Gewehrlaufs knallt und an der Einschussstelle Rauch aufsteigt. Seine Arbeit beginnt bereits um 16 Uhr. Dann tauscht er am Baum eine Büchse aus, die verkabelt ist und auf Signal explodiert. Auch am Gewehr zieht er ein Kabel durch den Lauf und aktiviert ein Funkgerät im Schaft. Anschließend tauscht er die Gasflaschen in der Kutsche, im Glockenturm und in der Schlange: Schließlich soll es auf der Bühne während der Wolfsschlucht an all diesen Stellen brennen.

Eine Vorbereitungsarbeit liegt in den Händen des Stuntteams: Am Kirchturm muss in 12 Metern Höhe ein Faden neu verknotet werden, damit das Kreuz auf seiner Spitze am Ende der Oper einknicken kann. Der Trick des Effekte-Teams, um das zu ermöglichen, ist einfach und wirkungsvoll zugleich: Die Flammen brennen den Faden durch. Wenn er reißt, klappt einer der beiden Arme des Kreuzes nach unten. Vor der Vorstellung klettert einer der Stunts, gut gesichert, flink nach oben, „repariert“ das Kreuz mit einem einfachen Faden und schon kann der Effekt einen weiteren Abend gezeigt werden.

Alle Tiere auf Position

Zeitgleich beginnt Julia Schultheis von der Requisite mit den Einrichtungsarbeiten. Der Sarg, den Kaspar in die Wolfsschlucht zieht, wird vorbereitet. Denn der Darsteller des Kaspars muss im Dunkeln blind den Totenkopf und den Mörser ertasten und aus dem Sarg ziehen können. Damit es beim Freikugelgießen keine Verzögerungen gibt, wurde die Szene immer wieder angepasst und umgeplant, Positionen verändert, Requisiten hinzugefügt oder wieder entfernt.

In der Szene mit dem Jägerchor weidet Kaspar triumphierend einen erlegten Hirsch aus. Auch diese Requisite wird vorher präpariert: Julia Schultheis stopft am Nachmittag täuschend echt aussehende Eingeweide in den Hirsch und bringt das Tier in die richtige Position.

Der Freischütz
Bregenzer Festspiele
Diana Ferri (Kostüm/Garderobe)
© Bregenzer Festspiele / Eva Cerv

20 Stunden Trocknungszeit

Nachmittags sind die Garderoben der Sänger:innen und des Stuntteams noch leer, denn Kostüme, Masken und Schuhe befinden sich noch in den Trocknungsräumen. Im Laufe einer Freischütz-Vorstellung werden alle Kostüme nass – manche mehr und manche weniger. Diana Ferri gehört zum sogenannten Garderobendienst. Ihre Aufgabe ist es, innerhalb von 20 Stunden alles wieder trocken zu bekommen. Dafür greift sie auf altbewährte Hilfsmittel zurück. Besonders nasse Kostüme werden schon am Abend geschleudert und in einem speziell beheizten und belüfteten Raum aufgehängt. Hier kommen auch Trocknungsgeräte zum Einsatz, deren Schläuche Elefantenrüsseln ähneln: Sie helfen dabei, die Schuhe auch von innen zu trocknen.

Von der Wasserleiche zur Brautjungfer in vier Minuten

Besonders beeindruckend und derzeit wohl das beliebteste Fotomotiv bei Führungen auf die Hinterbühne ist der Wäscheständer voller Wasserleichenmasken. Jede dieser Maske ist individuell grauenhaft gestaltet – damit im Freischütz keine Wasserleiche der anderen gleicht. Der Garderobendienst legt die Masken vor der Vorstellung den einzelnen Stuntleuten an ihren Platz. Die Stuntleute müssen während der Oper mehrmals ihr Kostüm wechseln: Auch dabei hilft Diana Ferri vom Garderobendienst. In einer perfekt einstudierten „Choreographie“ verwandelt sie eine Stuntfrau in nur vier Minuten von der furchterregenden Wasserleiche in eine bezaubernde Brautjungfer.

All die vielen Handgriffe, die hinter der Bühne notwendig sind, damit das Publikum einen faszinierenden Opernabend erleben kann, sind den Beteiligten während der Proben längst in Fleisch und Blut übergegangen. Wenn die Sänger:innen auf die Hinterbühne kommen, sind alle Kostüme und Schuhe in den Garderoben vorbereitet, die Requisiten an ihrem Platz und die Spezialeffekte eingerichtet. Auf der Hinterbühne herrscht nun reges Treiben, die Stimmung ist voller gespannter Vorfreude. Pünktlich um 21 Uhr ertönt die Freischütz-Ouvertüre. Und Action!


Publikumsservice: Die aufmerksamen Visitenkarten der Bregenzer Festspiele

Bregenzer Festspiele: Publikumsservice
© Bregenzer Festspiele / Eva Cerv

Grundsätzlich hilfsbereit und zuvorkommend – 60 Frauen und Männer sind die unmittelbaren Ansprechpersonen

Bei ausverkauften Vorstellungen von Der Freischütz werden 6719 Gäste von den Platzeinweiser:innen schnellstmöglich zu ihren Sitzplätzen geleitet. Andere Mitarbeiter:innen kümmern sich um den Einlass oder begrüßen Gäste, die mit dem Schiff anreisen. Doch damit ist das Tätigkeitsfeld des Publikumsdienstes noch lange nicht erschöpft.

Wenn Der Freischütz gespielt wird, dann sind an jedem dieser Abende auch 60 Mitglieder des Publikumsservice im Einsatz. Sie sind die Ansprechpersonen der Besucher:innen, sorgen als Schnittstelle zur Abendspielleitung für einen reibungslosen Ablauf „diesseits“ der Seebühne und tragen mit ihrer positiven Art zum unvergesslichen Gesamterlebnis bei.

Eine von ihnen ist Judith Mück. Sie studiert Musikwissenschaft in Graz und ist bereits den vierten Sommer Teil des Teams: „Der Publikumsservice ist auf der Seetribüne nach Aufgängen eingeteilt. Das bedeutet, man arbeitet immer am gleichen Aufgang: Ich bin bei C.“ Arbeitsbeginn während der Festspielzeit ist normalerweise eineinhalb Stunden vor Vorstellungsbeginn. Einige Leute aus dem Publikumsservice sind schon während der Proben des Spiels auf dem See im Einsatz, denn wenn die Tribüne zwischen den Proben fürs Publikum zugänglich ist, müssen die Menschen beim Beginn der Abendprobe sanft, aber bestimmt zum Verlassen derselben aufgefordert werden. So sei man auch bei der Erarbeitung des Spiels auf dem See mit dabei, was Judith Mück sehr spannend findet.

Seit dem Vogelhändler 1984 dabei

Mehr als 30 Jahre lang, von 1984 bis 2016, wies auch Rosi Winkler auf der Seetribüne Plätze an, gab tausendfach Auskunft oder sorgte dafür, dass verlorene Gegenstände eingesammelt wurden und nach Möglichkeit wieder den Weg zu ihren Besitzer:innen fanden. Vor sieben Jahren hat sie „draußen“ Schluss gemacht. Doch im Festspielhaus, auf der Werkstattbühne oder im Landestheater ist Rosi Winkler trotz ihres fortgeschrittenen Alters noch immer regelmäßig anzutreffen. Was 1984 als Vertretung für ihren studierenden Sohn bei Carl Zellers Der Vogelhändler als Spiel auf dem See begann, entwickelte sich im Laufe der Jahre zur überwiegend abendlichen Ganzjahresbeschäftigung für alle Veranstaltungsarten im Festspielhaus: „Mir gefällt das, man bekommt viel Kultur mit. Und in meinem Alter ist es einfach gut, etwas zu tun!“

Seebühne oder Festspielhaus, da gebe es durchaus große Unterschiede. Die Leute würden sich anders verhalten, sagt Rosi Winkler, will aber nur so viel verraten: Auf der Seetribüne sei die Hektik manchmal etwas größer, vor allem bei wankelmütigem Wetter.

Auch deshalb gibt es vor jeder Vorstellung, drinnen wie draußen, eine gemeinsame Besprechung aller Mitglieder:innen des Publikumsservice. Was ist heute zu erwarten, ist etwas anders als sonst? Braucht jemand besondere Hilfe? „Genau deshalb mache ich das gerne: Weil ich helfen kann und weil ich gerne unter Menschen bin“, resümiert Rosi Winkler. Dass sie Andrea Bocelli zum Klavier begleiten durfte oder 2008, wie sie noch ganz genau erinnert „beim Aufgang C“ den Pianisten Lang Lang über die Tribüne zu seinem Flügel vor der Tosca-Kulisse geleitet hat, waren zwei ihrer vielen Highlights ihrer langjährigen Tätigkeit.

„Wo sitzt eigentlich das Orchester?“

Die Mitarbeiter:innen des Publikumsservice sind darauf geschult, aufmerksam zu sein und zuvorkommend auf die Gäste zuzugehen, um ihre unmittelbare Kernaufgabe, die Begleitung zu den Sitzplätzen und den reibungslose Auslass nach der Vorstellung zu erfüllen. Dazwischen wird es ruhig, aber gibt keine Pause, denn der zugeteilte Bereich der Tribüne wird laufend beobachtet: Schließlich kann bei mehreren Tausend Gästen immer etwas passieren. Medizinische Zwischenfälle sind zum Glück äußerst selten, aber dann ist schnelles und gezieltes Handeln in Zusammenarbeit mit den Helfern der Blaulichtorganisationen gefragt. Was sind die häufigsten Fragen an den Publikumsservice, abgesehen von der Frage nach dem Sitzplatz? „‚Wo sitzt eigentlich das Orchester? und Wo kann man danach etwas trinken?“, ergänzt Judith Mück die „Top 3 Fragen“.

„Irgendetwas bleibt immer liegen“

Ob draußen oder drinnen, wenn sich die Reihen buchstäblich gelichtet haben, den Gehbehinderten beim Verlassen des Saales geholfen wurde, beginnt der letzte Akt des Publikumsservice: die Suche nach verlorenen Gegenständen. Alle Fundstücke, auch diejenigen, die in der Garderobe hängen geblieben sind, werden fein säuberlich beschriftet und zum Portier gebracht. Denn die Portiersloge ist rund um die Uhr besetzt. Was sind das für Fundstücke? „Sitzkissen, Kosmetikartikel, die aus der Tasche fallen, aber auch mal Schuhe“, erzählt Judith Mück, und Rosi Winkler ergänzt: „Regenschirme, Handtaschen, manchmal auch Handys.“ Nach 40 Jahren weiß sie nur zu gut: „Irgendetwas bleibt immer liegen“


Symphonieorchester für eine Woche

Die Orchesterakademie bietet Nachwuchsmusiker:innen wertvollen Austausch mit erfahrenen Top-Musiker:innen

„Bei so einem Konzert bekommt man als junger Musiker die Möglichkeit, voller Begeisterung zu spielen. Ich glaube, diese Energie überträgt sich auch auf das Publikum“, erzählt der 26-jährige Jan-Lukas Willms voller Vorfreude. „Das stimmt, bei so jungen Orchestermusiker:innen spürt man eine andere Atmosphäre“, bestätigt Reinhard Wieser. Der erste Klarinettist der Wiener Symphoniker weiß genau, wovon er spricht: Der 58-Jährige ist einer der Dozent:innen der Orchesterakademie Bregenz, die den Nachwuchs auf den großen Auftritt am Sonntag vorbereitet. Das Programm ist anspruchsvoll.

Bregenzer Festspiele: Orchesterakademie
© Bregenzer Festspiele / Eva Cerv

Hilfreiches Feedback

Jan-Lukas Willms, Student an der Universität der Künste in Berlin, konnte sich im Auswahlverfahren der Akademie durchsetzen. Er nahm ein rund 20-minütiges Video auf und schickte es nach Wien. Zum einen spielte er mit Mozarts Klarinettenkonzert einen „Vorspiel-Klassiker“, zum anderen Ausschnitte aus dem Konzertprogramm in Bregenz, wo er zwischen der Standard-B-Klarinette und der kleineren Es-Klarinette wechselt. Nach dem Sommer wird der junge Mann am Niedersächsischen Staatstheater Hannover seine erste Stelle in einem professionellen Orchester antreten. Die Orchesterakademie sieht er als willkommene Gelegenheit, „um mich ‚aufzuwärmen‘ und Feedback zu bekommen“.

„Eigentlich schon wie in einem Profiorchester“

Vor zwei Jahren haben die Wiener Symphoniker, die Bregenzer Festspiele und die Stella Vorarlberg Privathochschule für Musik die Orchesterakademie ins Leben gerufen – als wichtiges Zeichen für den künstlerischen Nachwuchs. Für eine Woche kommt ein komplettes Symphonieorchester zusammen: 81 Musiker:innen im Alter zwischen 17 und 27 Jahren treffen auf gut ein Dutzend Dozent:innen, eine:n für jedes Instrument. Reinhard Wieser ist für die Klarinetten verantwortlich. Seine Erfahrung kann sich sehen lassen: 1985 fing er bei den Wiener Symphonikern an, seit knapp 30 Jahren unterrichtet er an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien.

Am vergangenen Wochenende haben die sogenannten Stimmproben begonnen, bei denen sich die einzelnen Instrumentengruppen aufeinander einstellen. „Die jungen Kolleg:innen haben sich fantastisch vorbereitet“, lobt Wieser. „Das ist schon wie in einem Profiorchester, dass die Probe nicht zum Üben da ist, sondern von Anfang an die Interpretation geformt wird.“ Am Montag wurde erstmals mit dem gesamten Orchester unter der Leitung von Chefdirigent Daniel Cohen geprobt.

Mehr als ein Solist

Das Ergebnis ihrer Arbeit wird ein vielschichtiges Programm sein. Dazu zählt Arnold Schönbergs Kammersymphonie Nr. 1, ein „extrem schweres Werk an der Schwelle zur Moderne, bei dem die jungen Kolleg:innen sehr viel lernen können“, wie Wieser sagt. „Das Schöne an diesem Stück ist, dass die meisten Instrumente auch solistisch eingesetzt sind und so alle ihre besonderen Momente haben.“

Das gilt auch für Béla Bartóks Konzert für Orchester – für Wieser eines der effektvollsten Orchesterwerke überhaupt. „Wir sind alle gleichermaßen gefordert, Zeit zum Ausruhen gibt es kaum“, stimmt Willms zu. Hinzu kommen Orchesterlieder von Richard Strauss und ein Ausschnitt aus seiner Oper Der Rosenkavalier, interpretiert von der deutschen Sopranistin Marlis Petersen. „Sie allein ist schon ein Grund, nach Bregenz zu kommen“, sagt Reinhard Wieser. „Für jede:n Musiker:in ist es unglaublich wertvoll, mit Sänger:innen zu arbeiten. Bei ihnen kann man immer etwas lernen, in der Phrasierung, in der Gestaltung.“

Das Konzert der Orchesterakademie findet am Sonntag, 11. August im Großen Saal des Festspielhauses statt, Beginn ist um 11 Uhr. Es dirigiert Daniel Cohen, als Solistin ist Marlis Petersen (Sopran) zu erleben. Auf dem Programm stehen Arnold Schönbergs Kammersinfonie Nr. 1 für großes Orchester, ausgewählte Orchesterlieder von Richard Strauss, ferner ein Ausschnitt aus seiner Oper Der Rosenkavalier sowie Béla Bartóks Konzert für Orchester. (tb)


Die Bregenzer Festspiele 2024 finden von 17. Juli bis 18. August statt.
Tickets und Infos unter bregenzerfestspiele.com und Telefon 0043 5574 4076.