Nach langer Pause wieder am Staatstheater Mainz: Leoš Janáčeks »Kátja Kabanová«

Kátja Kabanová ~ Staatstheater Mainz ~ Kátja Kabanová (Nadja-Stefanoff) (© Andreas Etter)
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Gut 30 Jahre ist es her, dass am Staatstheater Mainz eine Oper des tschechischen Komponisten Leoš Janáček gespielt wurde. Wenn jetzt also Kátja Kabanová in der Originalsprache gesungen, auf dem Spielplan steht, ist das schon per se etwas Außergewöhnliches. Allein schon Janáčeks musikalische Sprache ist eine Entdeckung wert. Geboren 1854, dauerte es zwar bis er seinen eigenen Stil gefunden hatte und Erfolg hatte. Dafür werden viele seiner Opern (neben Kátja Kabanová sind dies vor allem Jenufa, Das schlaue Füchslein, Die Sache Makropolis und Aus einem Totenhaus) auch heute noch regelmäßig gespielt. Was Janáčeks Musik auszeichnet, sind seine vielfältigen Einfälle, seine konsequente Umsetzung der Sprachklänge darin und nicht zuletzt seine kraftvolle Orchestration.

Und genau diese lotet das Philharmonische Staatsorchester Mainz unter der Leitung von Paul-Johannes Kirschner famos aus, orchestrale Pracht nicht nur bei den hochdramatischen Stellen (wie bei der berühmten Gewitterszene). Auch von der sängerischen Seite überzeugt die Produktion. In der Titelrolle ist die Sopranistin Nadja Stefanoff zu erleben, die in der Vergangenheit schon oft starke Frauenpersönlichkeiten verkörperte. Die Figur der Kátja Kabanová passt da auf den ersten Blick nicht unmittelbar. Allerdings ist auch sie eine Frau, die auf ihre Art sehr autark ist. Immerhin nimmt sie mit der öffentlichen Preisgabe ihres Ehebruchs ihren Untergang in Kauf und will lieber gar nicht leben, als unglücklich mit einem Kompromiss. Sehr variationsreich führt Nadja Stefanoff ihre großen lyrischen Qualitäten mit vielen Klangfarben, bei gleichzeitig intensivem Ausdrucksspiel, vor.
Alexander Spemann kämpft als unentschlossener Ehemann Tichon und Steven Ebel als unbesonnener Liebhaber Boris. Energisch greift die boshafte und strenge Schwiegermutter Marfa der Gundula Hintz durch, wie sich auch Onkel Savjol (Derrick Ballard) vor allem von seiner groben Seite zeigt. Ein wohltuendes Gegenpaar in dieser verbitterten Gemeinschaft bildet das liebestolle Paar Varvara (sonnig strahlend: Mezzosopranistin Linda Sommerhage) und Vanja (mit angenehm samtiger Tenorstimme: Johannes Mayer). Als strenge Dorfgemeinschaft und als Sittenwächter bringt sich wohltönend der von Sebastian Hernandez Laverny einstudierte Chor des Staatstheater Mainz bei seinen wenigen Szenen ein.


Kátja Kabanová
Staatstheater Mainz
Kátja (Nadja Stefanoff), Tichon (Alexander Spemann),
Marfa (Gundula Hintz), Kind (Lotta Yilmaz)

© Andreas Etter

Die zeitlos gehaltene Inszenierung von Lydia Steier basiert auf ihrer Kátja Kabanová am Oldenburgischen Staatstheater aus dem Jahre 2012 und fokussiert sich sehr stark auf die letztlich einsame und melancholische Titelfigur. Die Beziehung zu Boris bleibt stets distanziert, dient sie doch nur als Versuch, aus der Enge auszubrechen. Zusätzlich gibt es ein kleines Mädchen als ihre Tochter, die das Geschehen beobachtet. Diese Fokussierung ist per se in Ordnung, allerdings wünscht man sich schon etwas mehr Pep, als nur eine herabschwebende Gondel oder der kollektiv durchgeführte Tod von Kátja. Auch wenn es manch kleine bemerkenswerte Szenen gibt, wirkt die Inszenierung insgesamt fast schon wie ein ausgedehntes Puppenrequiem.

Im düster gehaltenen Bühnenbild von Flurin Borg Madsen ist Kátjas Umwelt nicht existent. Lediglich ihre Behausung ist fragmentarisch als Bühnenelement vorhanden. Zunächst ist es nur von außen zu betrachten. Kátja schaut zur Ouvertüre verträumt aus einem Fenster im ersten Obergeschoss herab. Durch Einsatz der Drehbühne kommt auch eine Seitenwand mit Vogelzeichnungen zum Vorschein, als schönes Bild für ihren Wunsch auszubrechen und die Leichtigkeit eines Vögelchens zu haben (nebst einer Flusslandschaft). Weiter gedreht wird ein puppenhaushaftes Zimmer von innen sichtbar, das sich nach hinten verengt und nach oben offen ist. Um dieses Haus zieht dick eingekleidet die bigotte Dorfgemeinschaft. Auf der anderen Hauswand sind schließlich zahlreiche Arbeiterinnen an ihren Nähmaschinen zu sehen, die unter Kabanichas Fuchtel lauter kleine Puppen herstellen, die wie Miniaturen von Kátja Kabanová aussehen (eine Idee, die Steier auch für ihre Frankfurter Iolanta weiterentwickelt hat). Aufwendig gestaltet sind die auf folkloristischen Kolorit anspielende Kostüme von Ursula Kudrna, insbesondere die hoch geschlossenen schwarzen Kleider der Dorfbewohnerinnen (mitsamt ihres Kopfschmucks, den sogenannten Kokoschniks).

Am Ende viel freundlicher Applaus.


Markus Gründig, Januar 19


Kátja Kabanová
Oper in drei Akten
Von: Leoš Janáček
Libretto: Leoš Janáček nach Alexandr N. Ostrowskis Schauspiel Gewitter
Premiere am Staatstheater Mainz: 19. Januar 19 (Großes Haus)
Besuchte Vorstellung: 27. Januar 19

Musikalische Leitung: Paul-Johannes Kirschner
Inszenierung: Lydia Steier
Co-Regie: Milo Pablo Momm
Bühne: Flurin Borg Madsen
Kostüm: Ursula Kudrna
Kostümadaption: Sebastian Helminger
Licht: Ulrich Schneider
Chor: Sebastian Hernandez Laverny
Dramaturgie: Lars Gebhardt, Christin Hagemann

Besetzung:

Savjol Prokofjevitsch Dikoj: Derrick Ballard
Boris Grigorjevitsch: Steven Ebel
Marfa Ignatjevna Kabanová (Kabanicha): Gundula Hintz
Tichon Ivanytsch Kabanov: Alexander Spemann
Katherina (Kátja): Nadja Stefanoff
Vanja Kudrjasch: Johannes Mayer
Varvara: Linda Sommerhage
Kuligin: Dennis Sörös
Glascha: Maria Dehler
Fekluscha/Zena: Danaila Dimitrova
Muz: Igor Loseev / Anton Monetkin
Das Kind: Lotta Yilmaz / Emma-Sophie König

Chor des Staatstheater Mainz
Statisterie des Staatstheater Mainz
Philharmonisches Staatsorchester Mainz

www.staatstheater-mainz.de