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Vom 7. bis 16. Februar zweite Ausgabe des Erfolgsfestivals
Die Elbphilharmonie feiert zusammen mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester die Musik der Gegenwart und ihre Bedeutung für das Konzertleben. Das Festival »Elbphilharmonie Visions« widmet sich vom 7. bis 16. Februar eine Woche lang intensiv dem Abenteuer neuer Klänge. Alle Werke wurden im 21. Jahrhundert komponiert, alle sind im ikonischen Großen Saal der Elbphilharmonie zu hören.
Eine »Momentaufnahme der gegenwärtigen Musikwelt« nennt der Initiator und Chefdirigent des NDR Elbphilharmonie Orchesters Alan Gilbert das Festival, das in seiner zweiten Ausgabe wieder einige der aufregendsten Orchesterwerke jüngster Zeit präsentiert. Zu den aufgeführten Komponist:innen gehören Clara Iannotta, Mark Andre, Francesca Verunelli, Magnus Lindberg, Bernhard Gander, Olga Neuwirth und Helmut Lachenmann. Der junge britische Grenzgänger Alex Paxton, der Videospiel-Soundtracks, virtuose Kammermusik und Jazz-Improvisation verschmilzt, erhält den eigens gestifteten Claussen-Simon-Kompositionspreis; sein neues Orchesterwerk wird im Eröffnungskonzert uraufgeführt.
»Elbphilharmonie Visions« ist auch eine Leistungsschau einiger der besten Rundfunkorchester aus Deutschland und Österreich, die sich seit jeher um die zeitgenössische Musik besonders verdient machen. Dem Publikum bietet sich die Möglichkeit, den Visionen der Künstler:innen bei den kompakten Konzerten ganz nahe zu kommen: An allen Abenden kommen Komponist:innen und Musiker:innen in kurzen Bühnengesprächen live zu Wort.
Tickets sind auf elbphilharmonie.de erhältlich.
Den Festival-Auftakt bestreitet das NDR Elbphilharmonie Orchester unter Alan Gilbert. Nach der Uraufführung des neuen Werks von Alex Paxton erklingt mit »Urworte« von Bernd Richard Deutsch nach dem gleichnamigen Gedicht von Goethe eine weitere Uraufführung (7.2.). Tasten, Hämmer, Schlägel: Alberto Posadas erkundet die klanglichen Möglichkeiten des Klaviers.
Das SWR Symphonieorchester unter der Leitung von Emilio Pomàrico kontrastiert sein »Königsberger Klavierkonzert« mit Johannes Maria Stauds Schlagzeugkonzert »Whereas the Reality Trembles« (8.2.). Das WDR Sinfonieorchester spielt Olga Neuwirths 2014 vollendetes Orchesterwerk »Masaot / Clocks Without Hands«, in dem sie sich kompositorisch um »den vielstimmigen Gesang« ihrer »zersplitterten Herkunft« herumbewegt. Georges Lentz’ Violinkonzert »… To Beam in Distant Heavens …« wurde von der Geigerin Arabella Steinbacher inspiriert, der bei der Aufführung in der Elbphilharmonie nicht nur lyrischer Ausdruck, sondern auch halsbrecherische Virtuosität abverlangt wird (9.2.).
Unter der Leitung des niederländischen Dirigenten Bas Wiegers präsentiert das ORF Radio-Symphonieorchester Wien das 2024 uraufgeführte Stück »From Scratch« von Francesca Verunelli, in dem die Musik wortwörtlich »vom Grund auf« gebaut wird. Solistin am Schlagzeug ist Vanessa Porter, die 2023 als »Rising Star« in der Elbphilharmonie gefeiert wurde. Für seine »Echografien« hat Mark Andre vier Kirchenräume akustisch vermessen und aus den einzigartigen »Fingerabdrücken« jedes Raums sinnliche Klangstudien konstruiert. Bernhard Gander hat ein ausgeprägtes Faible für Heavy Metal – und das hört man auch den stampfenden Rhythmen und an Gitarrenriffs erinnernden Orchestersounds in »Blood Beat« an (13.2.).
Die NDR Radiophilharmonie und Dirigent Pierre Bleuse präsentieren das Werk »Moult« der italienischen Komponistin Clara Iannotta, die mal flüchtigen und zerbrechlichen Klängen Raum gibt, mal die »Musik bluten lassen« will. In Arnulf Herrmanns »Tour de Trance« für Sopran und Orchester übernimmt den Solopart, wie auch schon bei der Uraufführung, die Opernsängerin Anja Petersen (14.2.).
Mit Orchestermusik, die an den Klang einer indischen Langhalslaute erinnert, eröffnet das hr-Sinfonieorchester unter der Leitung von Matthias Hermann sein Konzert: In »Sympathetic Resonance« deutet der britische Komponist Christian Mason den Klangkörper zu einer riesigen Tambura um. Dafür stellt er einen Flügel vor das Orchester, der aber nicht selbst gespielt wird. Stattdessen blasen Trompeten und Posaunen ihre Töne in ihn hinein und schaffen einen einzigartigen Klang.
Blechbläser stehen mit Helmut Lachenmanns »My Melodies« für acht Hörner und Orchester auch in der zweiten Programmhälfte im Mittelpunkt (15.2.). Zum Abschluss vereint das letzte Konzert von »Visions« ein Solokonzert des Finnen Magnus Lindberg für den Bratschen-Star der Neuen Musik Lawrence Power mit zwei Orchesterstücken von äußerst bildhafter Klangsprache: »Responses« von Dalit Warshaw ist eine Liebeserklärung an die Musik von Johannes Brahms. Das Stück »Tocar y Luchar« (»Spielen und Kämpfen«) des britisch-japanischen Komponisten Dai Fujikura wurde ursprünglich für das Orchester von »El Sistema« in Venezuela komponiert (16.2.).
Alex Paxton, 1990 in Manchester geboren, ist Komponist und improvisierender Posaunist. Er studierte Jazz und Komposition in London an der Royal Academy of Music und am Royal College of Music. Seine Musik wurde bereits von namhaften Orchestern und Ensembles aufgeführt, darunter das Ensemble Modern, die London Sinfonietta, das London Symphony Orchestra, das London Philharmonic Orchestra und das Nouvel Ensemble Contemporain. Im Jahr 2021 wurde er mit dem Ivor Novello Composer Award ausgezeichnet, 2023 erhielt er den Hindemith-Preis.
Zu seinen Werken gehören u. a. »NOW ER ARE DUH-DUR« für großes Ensemble, »RAINY RAIN RAIN« für sechs Sänger und Klavier und »PRAYER with Strings«. Alex Paxton hat bisher sechs Opern geschrieben, darunter »NOGGIN and the WHALE«, »WOOLF MUSIC« und »BEL and the DRAGON«. Seine Musik wird von Ricordi (Berlin) veröffentlicht. Am 2.12. hat Paxton, begleitet von Live-Projektionen des Hamburger Künstler-Kollektivs »visuell«, im Kaistudio 1 der Elbphilharmonie sein Album »Music for Bosch People« in Quartett-Besetzung vorgestellt. Im Rahmen von »Elbphilharmonie Visions« erhält er den Claussen-Simon-Kompositionspreis.
Claussen-Simon-Kompositionspreis
Der Claussen-Simon-Kompositionspreis ermöglicht einer:m jungen Komponisten:in die Uraufführung eines groß angelegten Werks in einem musikalisch exzellenten Rahmen und bietet zugleich inhaltliche und organisatorische Begleitung im Laufe des Kompositionsprozesses. Durch die Zusammenarbeit der drei renommierten Institutionen erfährt der:die Ausgezeichnete umfassende Förderung, Vermittlung wertvoller Erfahrungen und aktive Unterstützung bei der professionellen Etablierung als Komponist:in. Zentral ist der direkte Austausch mit Dirigent, Orchester, Konzerthaus und Stiftung. Bei der ersten Ausgabe von »Elbphilharmonie Visions« im Jahr 2023 hatte das preisgekrönte Werk »Flügel« der schwedischen Komponistin Lisa Streich für große Begeisterung bei Publikum und Kritik gesorgt.