
Vielfältiges Programm in pandemisch durchzogener Spielzeit
Die Schauspielhaus Zürich AG veröffentlicht anlässlich der Generalversammlung vom 24. Januar 2023 ihren Geschäftsbericht der Spielzeit 2021/22. In der dritten Spielzeit unter der Intendanz von Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg konnte erstmals das gesamte Programm vor Publikum gezeigt werden.
Die Pandemie beeinflusste indes auch dieses Berichtsjahr massgeblich. Insgesamt wurden 18 Premieren gezeigt. Zu den meistbesuchten neuen Stücken der Spielzeit gehörten u. a. Der Besuch der alten Dame und das Familienstück König der Frösche, inszeniert von Co-Intendant Nicolas Stemann, sowie Milo Raus Wilhelm Tell.
Rund 80’000 Zuschauer*innen besuchten insgesamt 464 Veranstaltungen des Schauspielhauses. Eine wesentliche Rolle spielten Gastspiele und Einladungen zu internationalen Festivals – u. a. an die Biennale di Venezia und die Wiener Festwochen: 60 Vorstellungen wurden außerhalb von Zürich gespielt. Nicolas Stemann gestaltete als Associate Artist das Holland Festival mit, bei dem vier Produktionen des Schauspielhaus Zürich zu sehen waren.
Die bereits mehrfach preisgekrönte Inszenierung Einfach das Ende der Welt von Christopher Rüping wurde zusätzlich mit dem NESTROY-Preis ausgezeichnet. Der Kurt-Hübner-Regiepreis ging an Leonie Böhm für ihre Medea*-Inszenierung. Trotz der künstlerischen Ergiebigkeit des Programms entsprach das Publikumsaufkommen, vor allem ab Januar 2022, nicht den Erwartungen. Die Jahresrechnung schließt zum dritten Mal in Folge mit einer Null dank der Auflösung von Covid-Rückstellungen. Die Einnahmen aus Sponsoring und Fundraising nahmen zu, dank der langjährigen Partnerschaften mit dem Migros Kulturprozent, Swiss Re und der Zürcher Kantonalbank, Stiftungen, privaten Gönner*innen sowie neuen Unterstützer*innen.
Nach zwei Spielzeiten, die stark von der Pandemie geprägt waren, konnte im Berichtsjahr endlich wieder das gesamte Programm live vor Publikum gezeigt werden – dank Impfstoffen und gelockerten Covid-Massnahmen. Neben dem Maskenobligatorium setzte das Schauspielhaus dabei bis Anfang April 2022 auf eine Zweidrittel-Besetzung der verfügbaren Plätze. In diesem Kontext verbuchte der Pfauen in der Spielzeit 2021/22 insgesamt 55’542 Eintritte (57% Auslastung). Am besten besucht wurde Der Besuch der alten Dame (12’528 Eintritte) von Nicolas Stemann, gefolgt von Wilhelm Tell (7’521 Eintritte) in der Inszenierung von Milo Rau sowie von Stemanns Familienstück König der Frösche (7’330 Eintritte).
In der Schiffbau-Halle wurden insgesamt 57 Vorstellungen vor total 10’836 Zuschauer*innen gezeigt (64% Auslastung). Die meisten Eintritte an dieser Spielstätte verbuchte das Stück Kurze Interviews mit fiesen Männern in der Inszenierung von Yana Ross (3’551 Eintritte).
In der Box wurden in 80 Vorstellungen insgesamt 9’186 Eintritte gezählt, wobei Bullestress in der Regie von Suna Gürler (2’452 Eintritte) und Orpheus, inszeniert von Wu Tsang und von dem Kollektiv Moved by the Motion (1’405 Eintritte), am besten besucht waren.
Im Laufe der Spielzeit mussten 44 Vorstellungen – und damit fast 9% aller geplanten Aufführungen – wegen Erkrankungen im Ensemble abgesagt werden.
Kooperationen und Gastspiele
In Kooperation mit der Kunsthalle Zürich brachte Trajal Harrell im März 2022 seine Trilogie Porca Miseria zum Abschluss, indem das Tanzstück Deathbed, getanzt vom Schauspielhaus Zürich Dance Ensemble, im Löwenbräu-Areal Weltpremiere feierte. Ebenfalls Teil der Zusammenarbeit mit der Kunsthalle war das Projekt Dancer of the Year, das auf Trajal Harrells Auszeichnung als Tänzer des Jahres 2019 zurückgeht.
Zu den Höhepunkten der Gastspielsaison gehörten die Einladungen zur Biennale Venedig, zum Holland Festival in Amsterdam sowie zu den Wiener Festwochen: In Venedig waren Yana Ross’ Inszenierung Kurze Interviews mit fiesen Männern – 22 Arten der Einsamkeit zu sehen – sowie im Arsenale-Areal Wu Tsangs Videoinstallation Of Whales, die auf ihrem Film Moby Dick; or,The Whale basiert. Der Film, der im März 2022 mit Live-Begleitung des Zürcher Kammerorchesters im Pfauen Premiere gefeiert hatte, wurde im April vor internationalem Publikum im venezianischen Teatro Goldoni gezeigt. Die Realisierung wurde dank der Unterstützung durch die LUMA Foundation, TBA21-Academy, die Hartwig Art Foundation und durch private Gönner*innen ermöglicht.
Das 75.Holland Festival wurde vom Co-Intendanten Nicolas Stemann in seiner Rolle als Associate Artist gemeinsam mit Angélique Kidjo kuratiert. Neben seiner eigenen Inszenierung Der Besuch der alten Dame wurden in Amsterdam die Schauspielhaus-Produktionen Der Ring des Nibelungen von Christopher Rüping, Wu Tsangs Moby Dick; or,The Whale sowie Trajal Harrells Deathbed gezeigt. Der Ring des Nibelungen war außerdem anlässlich der Wiener Festwochen dreimal in der Donaustadt zu sehen. Zu den an internationalen Festivals sehr gefragten Tanzstücken gehörte überdies The Köln Concert von Trajal Harrell; das Stück gastierte u. a. in Brüssel, Leipzig und Rom. Insgesamt wurden während der Berichtsspielzeit 60 Vorstellungen an 20 Theatern bzw. Festivals außerhalb von Zürich gespielt.
Künstlerische Vermittlung Theater und Schule; Jugendclubs
Wiederum konnte eine Reihe von neuen Projekten zur künstlerischen Vermittlung von Theater für Schüler*innen und junge Menschen realisiert werden. Im Rahmen des Projekts «Premierenklasse» begleiteten zwei Schulklassen den Entstehungsprozess der Inszenierung Bullestress von Suna Gürler und erarbeiteten die Audioeinführung. Gemeinsam mit der Organisation «Welcome to School» wurde ein Freifach-Theaterprojekt für Jugendliche mit Flucht- und Migrationshintergrund lanciert.
Anlässlich des BLICKFELDER FESTIVAL, das vom Verein «Festival für ein junges Publikum Zürich» im Juni 2022 durchgeführt wurde, stellte das Schauspielhaus Zürich als Partnerin die Schiffbau-Halle als Spielstätte für drei internationale Theater- und Tanzproduktionen zur Verfügung. Das Schauspielhaus-Format «Theaterjahr», bei dem fünf junge Menschen während einer Spielzeit Einblick in verschiedene Arbeitsbereiche des Theaters erhalten, feierte mit seiner Abschlussproduktion K am Festival Premiere. Von September 2021 bis Mai 2022 trafen sich zudem vier Jugendclubs, bestehend aus Menschen im Alter zwischen 14 und 24 Jahren, um je ein Theaterstück gemeinsam zu entwickeln und am Ende der Spielzeit vor Publikum zu spielen.
Auszeichnungen
Nachdem Christopher Rüpings Inszenierung Einfach das Ende der Welt nach Jean-Luc Lagarce von der Fachpublikation ‘Theater heute’ bereits zur Inszenierung des Jahres 2021 gewählt worden war, wurde sie zusätzlich mit dem NESTROY-Preis 2021 geehrt. Zudem erhielt Leonie Böhm für ihre Inszenierung Medea* den renommierten Kurt-Hübner-Regiepreis. Der Gold Art Prize, gestiftet von der kalifornischen Nonprofit-Organisation Gold House, ging 2021 an das Künstler*innenkollektiv rund um die Hausregisseurin Wu Tsang, Moved by the Motion. Und Christiane Jatahy, Related Artist am Schauspielhaus, erhielt den Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk im Rahmen des 50. Festival Internazionale del Teatro der Biennale di Venezia.
Jahresergebnis
Die Einnahmen der Berichtsspielzeit setzten sich zusammen aus dem regulären Betriebsbeitrag der Stadt Zürich (CHF 38.3 Mio.), einem Beitrag des Gemeinnützigen Fonds des Kantons Zürich (CHF 1.5 Mio. – womit eine neue Inspizient*innen-Anlage im Schiffbau mitfinanziert werden konnte), Touring-Einnahmen (CHF 1.1 Mio.), den grosszügigen Beiträgen der Partner*innen, Sponsor*innen, Stiftungen und privaten Gönner*innen des Schauspielhauses (CHF 1.9 Mio.) sowie aus Ticketverkäufen (CHF 2.75 Mio.). Letztere, resultierend aus den tiefen Zuschauer*innenzahlen, blieben klar unter den Erwartungen. Das operative Ergebnis beträgt CHF -2.05 Mio. Der Verlust konnte dank einer von der Stadt nach eingehender Prüfung bewilligten Entnahme aus der Covid-19-Rückstellung der vorhergehenden Jahre ausgeglichen werden. Damit schliesst die Jahresrechnung der Schauspielhaus Zürich AG zum dritten Mal in Folge mit einer Null.