Erfolgreiches Symposion zur Audiodeskription am Musiktheater im Revier

Erfolgreiches Symposion zur Audiodeskription am Musiktheater im Revier (© Sophia Dorra)

Rund einhundert Expert*innen für Audiodeskription und Zugänglichkeit im Theater- und Kulturbereich sind am Freitag, 21. April, aus ganz Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden nach Gelsenkirchen gekommen, um sich an zwei Tagen über den aktuellen Stand von Kulturangeboten für sehbeeinträchtigte und blinde Menschen auszutauschen.

Schwerpunktmäßig wurde über Audiodeskription im Theaterkontext, aber auch andere inklusive Maßnahmen in den performativen Künsten gesprochen. Das vom Musiktheater im Revier initiierte und organisierte Symposion „Hören, was andere sehen“ wurde durch die rege Teilnahme und nicht zuletzt die prominenten Referent*innen wie die geschäftsführende Direktorin des Deutschen Bühnenvereins Claudia Schmitz und den Komponisten und Produzenten Dietrich Petzold zu einem der wichtigsten Foren in diesem Jahr.

Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, ließ es sich nicht nehmen, durch seine Begrüßung – wegen des Bahnstreiks via Liveschaltung – der bundesweiten Bedeutung der Veranstaltung in Gelsenkirchen Ausdruck zu verleihen.

Es folgte am ersten Tag die Vorstellung von aktuellen Best-Practice-Beispielen der Audiodeskription. Die Programme der Oper Graz, des Theater Basel, Schauspiel Leipzig, Audio2, den Münchner Kammerspielen, dem Berliner Spielplan Audiodeskription sowie einem professionellen Team für die Hamburger Theaterlandschaft wurden präsentiert. Dabei wurden unterschiedliche Ansätze zur Einbettung in Gesamtkonzepte für mehr Zugänglichkeit an den Theatern sowie die unabdingbare Expertise blinder Besucher*innen und Mitarbeiter*innen deutlich, die gleichberechtigt an den Prozessen mitwirken.

Die zweite Hälfte des Tages war Workshops zu einzelnen Themenkomplexen vorbehalten. Kompetenzen für die Praxis in Textredaktion, Live-Einsprache und technischer Umsetzung wurden ebenso geschult wie Strategien für die Neu-Etablierung von Audiodeskription, Marketing, Förderprogramme und Teilhabemöglichkeiten für seheingeschränktes Publikum vermittelt.

Eine Podiumsdiskussion am frühen Abend formulierte Perspektiven und Forderungen für die Zukunft. Anke Nicolai, Autorin, Sprecherin, „Mutter der Audiodeskription in Deutschland“ und im Vorbereitungsteam des Symposions, trat für eine gesetzlich festgeschriebene Finanzierung von Audiodeskription im Theater ein und wurde von Jan-Christoph Tonigs, Dezernent für Kultur und Weiterbildung der Bezirksregierung Münster, darin unterstützt.

Auch die anderen Podiumsteilnehmer*innen waren sich einig, dass Audiodeskription und der generelle Abbau von Barrieren in performativen Künsten als Selbstverständlichkeit und nicht als karitatives Projekt gefördert werden muss: Claudia Schmitz, Geschäftsführende Direktorin des Deutschen Bühnenvereins, Wolfgang Liffers, Vorsitzender des Blinden- und Sehbehindertenvereins Gelsenkirchen, sowie Lisette Reuter, Geschäftsführerin und Künstlerische Leiterin der Initiative für Diversität und Zugänglichkeit von Kultur Un-Label.

Moderiert wurde das Podium von der Kulturmanagerin Beate Supianek. Im Anschluss
bestand die Möglichkeit, die Aufführung von Gaetano Donizettis Oper „Don Pasquale“ mit Tastführung und Audiodeskription zu besuchen.

Am Samstag wurde die Netzwerkarbeit vom Vortag fortgesetzt; parallel beschäftigte sich ein Expert*innengremium mit der Entwicklung allgemeingültiger Qualitätsstandards für Audiodeskription im Theaterbereich, wie sie für die Beschreibung von Filmen bereits existieren. Dass das Thema auch jenseits der Inklusion kreative Möglichkeiten für Künstler*innen bietet, zeigte nicht zuletzt die Teilnahme unterschiedlicher Performer*innen am Symposion, die Techniken der Audiodeskription in ihren künstlerischen Arbeiten integrieren.

Vor zwölf Jahren begann das Musiktheater im Revier, Audiodeskription für blinde und seheingeschränkte Besucher*innen in Oper und Musical anzubieten und war damit Pionier im deutschsprachigen Raum. Als eines von wenigen Opernhäusern im deutschsprachigen Raum bietet das MiR die Hör.Oper regelmäßig für vier bis fünf Produktionen im Jahr an. Bei Tastführungen vor der Vorstellung können die Besucher*innen Kostüme, Requisiten, Bühnenbildelemente taktil erfahren und einen Eindruck der räumlichen Gegebenheiten auf der Bühne gewinnen. In der Vorstellung erleben sie dann über eine live eingesprochene Beschreibung das optische Bühnengeschehen mit. Für die Erstellung und Realisierung der Beschreibungen zeichnet ein Team aus blinden und sehenden Menschen verantwortlich.

Zum Symposion wird eine detaillierte Dokumentation erscheinen, die per Mail an
hoeroper@musiktheater-im-revier.de bestellt werden kann.

Das Symposion wurde gefördert von der Brost-Stiftung.

musiktheater-im-revier.de