Die Spielzeit-Eröffnungspremieren am Schauspiel Stuttgart: »Der Weg zurück« und »Was ihr wollt«

Der Weg zurück ~ Schauspiel Stuttgart ~ Zwillingsbruder (Valentin Richter), Zwillingsschwester (Teresa Annina Korfmacher ) ~ Foto: Björn Klein

Der Weg Zurück

„Die Menschheit huldigt dem gedankenlosen Fortschritt.“
Sieht so die Zukunft aus? Forschungslabore und Fernsehstudios werden in Brand gesetzt, Universitäten gestürmt. „Die Regression“ heißt die gewalttätige Bewegung, die sich die technische, kulturelle und politische Demontage unseres Zeitalters auf die Fahnen geschrieben hat, denn der uneingeschränkte Fortschrittsglaube habe die Menschheit an den Rand des Abgrunds geführt. Ein nationaler Regressionsrat verkündet: Wissen ist Qual, Nichtwissen ein Segen. Kenntnisse auf den Feldern der Wissenschaft und Medizin werden negiert, die Kommunikation wird vereinfacht, Religion abgelehnt, Kunst und Kultur zensiert. Innerhalb von 100 Jahren entwickeln sich die zivilisatorischen Errungenschaften schrittweise zurück, und die Gesellschaft wird wieder in einen archaischen Zustand versetzt.
Der britische Dramatiker Dennis Kelly entwirft ein radikales Gedankenexperiment und erzählt sein satirisch überspitztes Zukunftsszenario als Familiengeschichte über fünf Generationen. Im Mittelpunkt steht jeweils die Jugend: Dawn, Tochter des Gründers der Bewegung, opfert ihre Liebe für die Ideale, ihre Kinder propagieren den Überwachungsstaat, ihr Enkel leistet Widerstand in einer zunehmend barbarischen Umgebung. In einer Zeit, in der der Radius des Wissens auf ein Minimum beschränkt worden ist, wird Dawns Urenkelin die Zukunft jedoch neu befragen. Sind wir die letzte Generation, die imstande ist, die Weichen für das Überleben der Menschheit zu stellen? Wer weiß, welche Wege und Irrwege künftig beschritten werden? Der Weg zurück zielt mitten ins Herz unserer verunsicherten Gegenwart.
Selma Spahić realisiert mit einem Team aus Serbien, Kroatien und Deutschland eine bildstarke Reise in die Zukunft. Der Fokus liegt auf den schleichenden Veränderungen, die mit dem Fortschreiten der Regression einhergehen. Die Reduktion der sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten des Individuums und die zunehmende Brutalisierung der Mikrogesellschaft finden ihren Ausdruck in beklemmenden Bildern und soghaften Sound-Landschaften.

Der Weg Zurück

Von: Dennis Kelly

Premiere: Fr. 15. September 23 (Kammertheater)

Inszenierung: Selma Spahić
Bühne: Lili Anschütz
Kostüme: Selena Orb
Musik: Alen Sinkauz & Nenad Sinkauz
Bewegungscoach: Ena Kurtalić
Licht: Marc Döbelin
Dramaturgie: Carolin Losch

Mit: Camille Dombrowsky, Felix Jordan, Teresa Annina Korfmacher, David Müller, Valentin Richter, Celina Rongen

Weitere Vorstellungen:
20. / 23. / 24. Sep 23, 20:00
25. / 27. Okt 23, 20:00
sowie weitere ab Dezember 2023


Was ihr wollt

„Kaum fängt man an, mit den Worten zu spielen, werden sie zweideutig und schlüpfen weg.“

Zum Auftakt der Komödie fragt Viola: „Wie heißt dieses Land?“ Die von einem Schiffbruch Gerettete wurde an eine unbekannte Küste gespült. Fremd und allein ahnt sie noch nicht, auf welchen Boden sie ihren Fuß gesetzt hat. In diesem Land scheint alles möglich. Der Liebe sind keine Grenzen gesetzt. Jeder geht mit jedem eine Beziehung ein. Es herrscht wildes Begehren und Verführen, Liebesraserei und rauschhaftes Treiben. Zwar bekommt am Ende keiner den, den er am Anfang wollte, trotzdem gibt es ein großes Fest, als könnte dieser aberwitzige Trip, das Spielen mit Identitäten, Selbstbespiegelungen, Verkleidungen, Verwechslungen, Verirrungen und Verrücktheiten ein Happy End haben. Als würde nicht jeder nur sich selbst lieben – ohne sich je erkannt zu haben. Allein der Narr weiß mehr. Mit Skepsis sieht er dem Treiben der Verlorenen zu: Viola, die als Mann verkleidet ihren Zwillingsbruder sucht und in die Fänge Olivias gerät, Orsino, der unglücklich Verliebte, oder Malvolio, der von seinen Kumpanen verspottete Schwärmer.

Illyrien nennt William Shakespeare dieses Land leichtfertigen Treibens, den Schauplatz seiner „dark comedy“. Nicht zufällig lautet der Originaltitel Twelfth Night; or What You Will. Denn in den zwölf
Raunächten zwischen Weihnachten und Dreikönigstag feierten die Menschen ausschweifende, dem Karneval ähnliche Feste gegen das Grauen und die Ängste vor der winterlichen, der eigenen Dunkelheit.

Antrieb und Motor in Was ihr wollt ist das Begehren. Kaum etwas ist rätselhafter, unmittelbarer und unabdingbarer als das eigene Begehren. Kaum eine Figur bleibt davon verschont. Die Inszenierung erzählt davon und mehr noch, wie sehr es das Handeln bestimmt und in welche Höhen und Tiefen es die Menschen katapultiert. Und sie zeigt, was mit Viola passiert, wenn sie auf Orsino trifft. Sie begehrt ihn nicht nur, sondern sie entdeckt auch das Begehren – umso tragischer, dass sie dies unter keinen Umständen zeigen darf.

Was ihr wollt

Von: William Shakespeare

Premiere: Freitag, 22. September 23 (Schauspielhaus)

Inszenierung: Burkhard C. Kosminski
Bühne: Florian Etti
Kostüm: Ute Lindenberg
Musik: Hans Platzgumer
Licht: Rüdiger Benz
Choreographie: Louis Stiens
Dramaturgie: Gwendolyne Melchinger

Mit: Peer Oscar Musinowski (Orsino), Paula Skorupa (Viola/Sebastian), Katharina Hauter
(Olivia), Christiane Roßbach (Maria), Felix Strobel (Narr), Anke Schubert (Sir Toby
Belch), Klaus Rodewald (Sir Andrew Aguecheek), Matthias Leja (Malvolio), Boris
Burgstaller (Kapitän, Antonio)

Weitere Vorstellungen:
26. Sep 23, 18:00
07. / 10. / 16. / 29. Okt, 19:30 und 22. Okt, 15:00
01. / 18. Nov 23, 19:30
sowie weitere ab Dezember


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