Die Saison 2022/23 am Schauspielhaus Zürich

Nicolas Stemann (Co-Intendanz, Regie), Benjamin von Blomberg (Co-Intendanz, Dramaturgie) (Foto: Flavio Karrer)

Das Publikum des Schauspielhaus Zürich darf sich in der kommenden Spielzeit auf 21 Premieren, darunter drei Uraufführungen, zwei Tanz-Performances sowie eine Filminstallation und ein Festival im Zürcher Zeughausareal, freuen. Neu werden fünf Hausregisseur*innen am Haus tätig sein. Und das letzte Stück der Saison wird vom ukrainischen Regisseur Stas Zhyrkov inszeniert.

Die Intendanten des Schauspielhaus Zürich, Benjamin von Blomberg und Nicolas Stemann, Hausregisseurinnen Suna Gürler und Wu Tsang sowie die Regisseurin Yana Ross und Chefdramaturgin Katinka Deecke stellten anlässlich der heutigen Medienorientierung das Programm der Spielzeit 2022/23 vor.

„Wir sind angetreten mit dem Anspruch, mit einer Öffnung der Theatersprachen und Ästhetiken die Vielfalt der Menschen, die in dieser Stadt leben, anzusprechen – und auch abzubilden“, sagte Benjamin von Blomberg. „Das hat bisher gut geklappt – trotz der in dieser Spielzeit wiederum riesigen pandemischen Herausforderungen.“
Und Nicolas Stemann ergänzte: „Unser spartenübergreifender, transdisziplinärer Ansatz zog ein auf vielen Ebenen – Generationen, Herkunft, Perspektiven, Erfahrungen -, sehr durchmischtes Publikum an, was uns bestärkt, diesen Weg in der kommenden Saison weiterzugehen. Neben Schauspiel und Tanz werden unsere Hausregisseur*innen, Related Artists und Kooperationspartner*innen wiederum ein künstlerisch hoch spannendes und nicht zuletzt politisch ambitioniertes Programm an Performances und Installationen präsentieren, auf das wir uns alle freuen dürfen.“

Klassiker, radikal neu interpretiert; und mehr

Mit Das Haus von Bernarda Alba, einer Inszenierung und Choreografie nach dem Theaterstück von Federico García Lorca, eröffnet Trajal Harrell gemeinsam mit dem Schauspielhaus Zürich Dance Ensemble und Gästen die Spielzeit am 9. September im Pfauen. Dabei öffnet der Choreograf Lorcas trauernden Frauen den Zugang zu weiteren, faszinierenden ‚Häusern‘ der Hoch- und Subkultur – nämlich aus der Welt der Mode und des Voguing.

Ebenfalls im Pfauen feiert am 11. September König Ödipus nach Sophokles in der Inszenierung von Nicolas Stemann Premiere – die Tragödie über Schuld, Verstrickung und Verdrängung als düstere Farce über eine Menschheit, die schmerzhaft begreift, dass sie ihren Untergang selbst verschuldet hat.

Am 16. September folgt die Uraufführung von Border in der Schiffbau-Halle. Christoph Rüpings Adaption von Ali Abbasis Film Gräns zeigt, wie ein hypersensibler Geruchssinn und eine messerscharfe Intuition unsere durchrationalisierte Welt über den Haufen werden können.

Für Yana Ross‘ Inszenierung Reigen haben zehn international renommierte Autor*innen, darunter Sofi Oksanen, Leïla Slimani und Lukas Bärfuss, Szenen geschrieben, die Arthur Schnitzlers Vorlage ins Heute katapultieren. Nach der Uraufführung an den Salzburger Festspielen findet die Zürich-Premiere im Pfauen am 17. September statt.

Bei der Inszenierung von Das neue Leben – Where do we go from here am 20. Oktober im Pfauen handelt es sich ebenfalls um eine Zürich-Premiere. In der frei nach Dante Alighieri, Meat Loaf und Britney Spears entwickelten Eröffnungspremiere des diesjährigen Theatertreffens in Berlin (Regie: Christopher Rüping) geht es um die grosse Liebe, verpasste Momente und den Tod.

Das Stück Kleine Fische (Arbeitstitel) von Lucien Haug wird am 29. Oktober in der Regie von Suna Gürler in der Schiffbau-Box uraufgeführt und handelt von der Suche nach Männern der Zukunft jenseits von Papa-Verehrung und Patriarchat.

Als Familienstück für Menschen ab 8 Jahren bringen Wu Tsang und das Künstler*innenkollektiv Moved by the Motion Pinocchio auf die Bühne (Premiere: 12. November, Pfauen) und gehen dabei der Frage nach, was es eigentlich bedeutet, ein „echter Junge“ zu werden.

Mit Sonne, los jetzt! erlebt der Pfauen am 15. Dezember wieder einmal eine Uraufführung eines Textes von Elfriede Jelinek: Mit der Inszenierung eines fulminanten chorischen Monologs zum Klimawandel setzt Nicolas Stemann seine langjährige künstlerische Zusammenarbeit mit der Literatur-Nobelpreisträgerin fort.

Ein eindrückliches Stück über das Aussteigen aus schalen Lebensentwürfen ist Schwestern, wo in der Inszenierung von Leonie Böhm das Tschechowsche Ende weitergesponnen wird und das am 21. Januar 2023 im Pfauen Premiere feiert.

Mit Contre-enquêtes nach Kamel Daouds Roman Der Fall Meursault präsentiert Nicolas Stemann im Januar seine dritte Arbeit der Spielzeit, diesmal in einer Koproduktion mit dem Théâtre de Vidy, Lausanne.

Depois do silêncio (Nach der Stille) ist der letzte Teil einer „Trilogie des Horrors“, in der sich Related Artist Christiane Jatahy mit der faschistoiden Politik von Jair Bolsonaro in ihrer Heimat Brasilien auseinandersetzt; die Zürich-Premiere findet im Februar in der Schiffbau-Box statt.

Am 11. Februar ist im Pfauen die Premiere eines neuen Stücks in der Inszenierung von Suna Gürler geplant, bei dem, analog zu ihrem preisgekrönten Stück Frühlings Erwachen, erneut junge, nicht-professionelle Darsteller*innen die Bühne kapern werden.

In seiner dritten Arbeit der Saison inszeniert Christopher Rüping Gier, Sarah Kanes Ende der 1990er Jahre verfasstes Stück über unstillbare Sehnsucht, das am 4. März ebenfalls im Pfauen Premiere feiert.

Weiter geht es im April am Pfauen mit Trajal Harrells Inszenierung von The Romeo, einem Tanz, den Menschen aller Herkünfte, Generationen und Stimmungen tanzen, wenn sie ihre Tragödien hinter sich gelassen haben.

Ebenfalls im Frühling wird die Video-Installation A Wild Peace of Wood von Moved by the Motion im Zeughaus Zürich zu sehen sein; sie wird von einem vielfältigen Festivalprogramm begleitet und greift auf Recherchen zurück, die bei der Entwicklung von Pinocchio entstanden.

Am 22. April feiert Riesenhaft in Mittelerde, eine Koproduktion des Theater Hora, von Das Helmi Puppentheater und Nicolas Stemann, Premiere – frei nach Motiven von Tolkiens Herr der Ringe, wo unter anderem Zauberer, Hobbits, Elben, Menschen, Zwerge sowie das ultimativ Böse auftreten.

Nach König Ödipus von Sophokles zu Beginn der Spielzeit beschliesst seine Antigone die Saison mit der Premiere im Frühjahr im Pfauen. Inszeniert wird das Stück von Stas Zhyrkov, dem Intendanten und Regisseur des Left Bank Theatre, Kiew. Die Zusammenarbeit mit ihm und seinem Team ergab sich aus einer Initiative von rund 100 Kulturinstitutionen, die Arbeiten von ukrainischen Künstler*innen in ganz Europa bekannt zu machen.

Neu fünf Hausregisseur*Innen

Das Team der Hausregisseur*innen besteht neu aus Suna Gürler, Trajal Harrell, Christopher Rüping, Nicolas Stemann und Wu Tsang. Yana Ross und Alexander Giesche werden ab der kommenden Spielzeit nicht mehr als Hausregisseur*innen am Schauspielhaus Zürich tätig sein. Und doch bleiben sie dem Haus verbunden, Yana Ross und Leonie Böhm – Hausregisseurin bis 2021-, auch durch neue Inszenierungen; Arbeiten von Alexander Giesche verbleiben im Spielplan, neue Projekte sind im Gespräch.

Benjamin von Blomberg und Nicolas Stemann: „Das Projekt Hausregie war zunächst auf drei Jahre angesetzt. Für uns hat sich bestätigt, wie wichtig das Konzept für die künstlerische Strahlkraft, aber auch für die Transformation der Institution nach innen ist. Darum wollen wir unbedingt daran festhalten – wenn auch leicht angepasst, was die Anzahl der Hausregisseur*innen betrifft: neu sind sie zu fünft.“

Theatervermittlung für junge Menschen

Bei jungen Menschen das Interesse an der Welt des Theaters zu wecken und zu nähren, bleibt ein zentrales Anliegen der Intendanz. In der kommenden Spielzeit treffen sich im Schauspielhaus wiederum wöchentlich rund 40 Menschen zwischen 14 und 24 Jahren in vier verschiedenen Jugendclubs, um die Welt des Theaters kennenzulernen, zu diskutieren, zu experimentieren – und um im Frühling 2023 ihre gemeinsam erarbeiteten Stücke Premiere feiern zu lassen.

Auch das Angebot Theaterjahr, bei dem fünf junge Interessierte ein Jahr lang Gelegenheit haben, Arbeitserfahrung in allen Bereichen des Theaters – von der Dramaturgie bis zum Technik –, zu sammeln sowie ein eigenes Projekt zu entwickeln, wird fortgeführt. Komplettiert wird das Engagement durch das theaterpädagogische Angebot Theater & Schule, das Kindern und Jugendlichen früh den Zugang zu prägenden Theatererlebnissen ermöglichen will.

Wiederaufnahmen

Folgende Stücke der laufenden Spielzeit werden ab September 2022 wiederaufgenommen: Before the Sky Falls; Bullestress; Der Besuch der alten Dame; Der Mensch erscheint im Holozän; Der Ring des Nibelungen; Der Vater; Einfach das Ende der Welt; Faust I ⅈ Medea*; Moby Dick; or, The Whale; Momo; Monkey off My Back or the Cat’s Meow; Orpheus; The Köln Concert; Wilhelm Tell.

Der Vorverkauf für die die Spielzeit 2022/23 startet am 20. Juni an der Theaterkasse und im Webshop.

Dank

Das Schauspielhaus Zürich dankt seinen Subventionsgeberinnen, der Stadt Zürich sowie dem Kanton Zürich und den Mitglieder-Kantonen der Interkantonalen Kulturlastenvereinbarung (ILV) Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau für ihre grosszügige Unterstützung. Auch den Kantonen Nidwalden und Obwalden sowie dem Kulturfonds des Kantons Zürich sei gedankt. Ohne die finanzielle Unterstützung der Partner Zürcher Kantonalbank und Migros-Kulturprozent liesse sich das ambitionierte Programm nicht durchführen. Ein besonderes Dankeschön gilt den engagierten Stiftungen, Sponsoren und privaten Gönnern. Sie ermöglichen u.a. spartenüber-greifende Produktionen, Übertitel sowie Programme und Projekte für und mit junge(n) Menschen.

Das Heft zur Saison-Vorschau 2022/23 kann unter folgenden Link bestellt oder heruntergeladen werden: schauspielhaus.ch