»Chronicles« zum 10-jährigen Bestehen des Hessischen Staatsballetts

Chronicles: Moonfall ~ Hessisches Staatsballett ~ © Andreas Etter

Mit der Premiere des großen gala-artigen Abends „Chronicles“ feiert das Hessische Staatsballett an diesem Sonntag, den 16. Februar 2025 um 18:00 Uhr im Hessischen Staatstheater Wiesbaden sein 10-jähriges Bestehen.

Sechs Stücke von sieben zeitgenössischen, internationalen Choreograf*innen – darunter vier Uraufführungen – malen ein Kaleidoskop überraschender, mitreißender, virtuoser und zutiefst individueller choreografischer Handschriften. Neben einem Wiedersehen mit den Kanadiern David Raymond und Tiffany Tregarthen, die einen neubearbeiteten Ausschnitt aus ihrem Stück „Force Majeure“ präsentieren, sind Arbeiten renommierter Choreografinnen wie der Niederländerin Anouk van Dijk, aufstrebender Choreografinnen wie der Portugiesin Liliana Barros und der Serbin Dunja Jocić und vielversprechende Nachwuchsstimmen wie die des spanischen Choreografen Fran Diaz zu erleben. Begleitet wird der Abend, der einen musikalischen Bogen von Debussy über Górecki bis zu Steve Reich spannt, vom Hessischen Staatsorchester Wiesbaden unter der Leitung von Albert Horne.

„Als ich über den Anlass nachgedacht habe, wurde mir schnell klar, dass dieser Abend eine Gala-Struktur haben würde,“ sagt Ballettdirektor Bruno Heynderickx, der das Staatsballett von Anfang an mitgestaltet hat. „Wichtiger als zurückzublicken, war mir nach vorn zu schauen. Als wir vor zehn Jahren das Hessische Staatsballett gegründet haben, war das eine spannende Zeit: Niemand wusste genau, was Neues entstehen würde. Diese Anfangsstimmung wollte ich in „Chronicles“ einfangen. Ich wollte der jungen Generation die Möglichkeit geben, für den Abend zu choreografieren. Außerdem wollte ich verstärkt Choreografinnen eine Stimme geben.“

Den Abend eröffnet das Stück „FAUNO“ der portugiesischen Choreografin Liliana Barros: Im Zentrum steht die Geschichte des Fauns, die schon Stéphane Mallarmé zu seinem Gedicht „L’Après-midi d’un faune“, Claude Debussy zu seinem Musikstück „Prélude à l’après-midi d’un faune“ und schließlich Vaslav Nijinsky zu seinem berühmten Ballett inspiriert hat. In „Force Majeure“ erforschen die kanadischen Choreograf*innen David Raymond und Tiffany Tregarthen die Idee eines Ausgeliefertseins an eine höhere Kraft. Das Duo zeigt sie als unendliche Harmonie von Formung und Auflösung – Schöpfung und Zerstörung – als treibende Kraft für Veränderung in uns, in unseren Beziehungen zueinander und zur Welt. Kraft und Stärke zeigen sich dabei in Form offengelegter Fragilität.

Das preisgekrönte Stück „Bouffées“ der französischen Choreografin Leïla Ka zeigt fünf Frauen gefangen im Griff einer Trauer. Gefühle von Überwältigung und Befreiung halten sich die Waage bei dem Versuch, den Kummer in die Kraft des Lebens zu verwandeln. Aufgereiht in geblümten Kleidern entwickelt sich eine körperlich-klangliche Kakophonie der Körper, die Atem, wiederkehrende Gesten und ein Rhythmus des Fallens und Wiederaufstehens vereint. In „Holding Space“ ergründet die niederländische Choreografin Anouk van Dijk die Kraft von drei Körpern im Raum. Als Grundlage wählt sie die Violinstücke „After Sorrow“ von David Lang und „Duet“ von Steve Reich. Fasziniert von der Struktur beider Kompositionen zwischen geistig-spirituellem Barockeinfluss und mathematischer Konstruktion, entfaltet van Dijk eine unaufhaltsame Dynamik, deren vermeintliche Einfachheit sich durch Komplexität auszeichnet.

In „Moonfall“ setzt sich die serbisch-niederländische Choreografin Dunja Jocić mit Extremsituationen auseinander: „Mich interessiert, wie Gesellschaften in schwierigen Situationen funktionieren. Die Art und Weise, wie Länder geführt werden – Macht, Manipulation, Chaos, Ordnung, Widerstand und Glaube – wurde zum zentralen Thema meiner Arbeit. Ein wichtiger Aspekt war der mentale Zustand in herausfordernden Zeiten und was es braucht, um zu überleben.“

In „The Mass Ornament“ greift der spanische Choreograf Fran Díaz eine Idee des Essays „Das Ornament der Masse“ des Soziologen und Philosophen im Umfeld der Frankfurter Schule Siegfried Kracauer auf: „Mich interessieren Kracauers Ausführungen zur populären Unterhaltung, wie die synchronisierten Tanzroutinen der Revuegruppe Tiller Girls der 1920er Jahre als Spiegel der kapitalistischen Rationalisierung. Ihre geometrisch präzisen Choreografien reflektieren die mechanisierte Logik der Massenproduktion. Ich wollte ein menschliches „Massenornament“ in einem zeitgenössischen Kontext erschaffen – in einer Welt, die Individualität als frei betrachtet, jedoch durch Wirtschaft und Technologie formt.“

„‚Chronicles‘ zeigt die ganze Vielfalt des zeitgenössischen Tanzes und die Qualität und Einzigartigkeit unserer Tänzer*innen, diese zu verkörpern. Die Musik dieses Abends ist unglaublich schön und es gibt viel Neues zu entdecken,“ resümiert Bruno Heynderickx.

Als Besonderheit gibt es bei der Premiere am 16. Februar das Angebot einer Live-Audiodeskription für blinde und sehbehinderte Besucher*innen (Details). Interessen werden gebeten, sich an die Theaterkasse zu wenden.

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