150 Jahre Rachmaninow – Uraufführungsorchester erstmals in Baden-Baden

Philadelphia Orchestra mit Yannick Nézet-Séguin (© Jeff Fusco)

Festwochenende mit Daniil Trifonov, Yannick Nézet-Séguin und dem Philadelphia Orchestra

Yannick Nézet-Séguin ist nicht nur Musikchef der New Yorker Met, sondern auch Chefdirigent des Philadelphia Orchestra. Am ersten Novemberwochenende gratuliert er mit dem „Big Five“-Orchester bei seinem dreitägigen Debüt in Baden-Baden Sergej Rachmaninow zum 150. Geburtstag.
Am Freitag, 3. November, 20 Uhr erklingen Rachmaninovs Sinfonie Nr.2 und das vierte Klavierkonzert. Den Solopart übernimmt der weltberühmte Pianist Daniil Trifonov. Am Samstag, 04.11.2023, 18 Uhr wird die „Rhapsodie über ein Thema von Paganini“ flankiert von Vocalise op. 34 Nr. 14 für Orchester und Rachmaninows erster Sinfonie.
Exklusiv in Baden-Baden zündet das Philadelphia Orchestra unter Yannick Nézet-Séguin am Sonntag, 05.11.2023, 17 Uhr, mit den „Sinfonischen Tänze“ und der dritten Sinfonie mit all ihren Überraschungen, inklusive eines feurigen Boleros, ein Feuerwerk für den russischen Komponisten, der in den USA zum Superstar wurde.

Schon immer hatte das Philadelphia Orchestra eine besondere Beziehung zur Musik Rachmaninows. Er selbst vertraute dem Orchester einige seiner Kompositionen – so auch die am 5.11. in Baden-Baden zu hörenden Werke – zur Uraufführung an. Denn Sergej Rachmaninow war schlichtweg begeistert vom Philadelphia Orchestra: „Eine unerhörte, einzig dastehende Organisation, die die besten Orchestermusiker aller Länder in sich schließt, das Beste vom Besten ohne nationalen Unterschied. Das Orchester von Philadelphia, ist, ich kann es ruhig sagen, das beste Orchester der Welt.“

Gegründet wurde das traditionsreiche Orchester 1900 von den deutschen Dirigenten Fritz Scheel, der u.a. mit Hans von Bülow zusammenarbeitete und 1882 nach Amerika auswanderte. Legendäre Chefdirigenten wie Leopold Stokowski, Eugene Ormandy und Wolfgang Sawallisch, Christoph Eschenbach und Riccardo Muti folgten. In der 120 jährigen Geschichte des Orchesters finden sich zahlreiche Tourneen, so etwa die erste Gastspielreise eines amerikanischen Orchesters nach China. Im Südwesten Deutschlands spricht man indes von einmaligen Gelegenheiten: So war das Orchester zuletzt 1975 in Stuttgart zu erleben. In Baden-Baden tritt es zum ersten Mal auf.

Yannick Nézet-Séguin ist nun in seiner 10. Saison als achter Musikdirektor des Philadelphia Orchestra tätig und knüpft mit dem Orchester erfolgreich an seine Geschichte bedeutender Aufnahmen an. Gemeinsam mit dem Pianisten Daniil Trifonov, also in der genau der in Baden-Baden zu erlebenden Besetzung, spielte das Philharmonic Orchestra unter Yannick Nézet-Seguin die „Rhapsodie über ein Thema von Paganini“ und alle vier Klavierkonzerte Rachmaninows ein. Seit Jahrzehnten macht sich das Orchester um die Ausweitung des Repertoires verdient – und auch Filmgeschichte hat es geschrieben: der Soundtrack zu Walt Disneys innovativem Zeichentrickfilm Fantasia ist vom Philadelphia Orchestra.

Sinfonischer Höhepunkt des Rachmaninow-Jahres

Der bedeutende russische Komponist Sergej Rachmaninow beendete sein Leben als musikalischer Brückenbauer. In dieser Funktion möchte ihn auch das Rachmaninow-Festival in Baden-Baden feiern. Die meisten Werke dieses Rachmaninow-Wochenendes wurden in Philadelphia uraufgeführt – bis auf die ersten beiden Sinfonien, die das erste Mal in St. Petersburg erklangen und in Baden-Baden am 3. und 4. November auf dem Programm stehen.

In dem Konzert am Freitag, 3.11. kann das Publikum ein ‚rein russisches‘ Werk mit dem in Amerika komponierten vierten Klavierkonzert vergleichen. Während in Rachmaninows zweiter Sinfonie die Streicher die sprichwörtliche „erste Geige“ spielen, entdeckte der Komponist in Amerika den Jazz für sich – dessen Harmonik und die rhythmisch geschärften Blechbläser prägen Rachmaninows Klavierkonzert Nr.4, im Festspielhaus interpretiert von Starpianist Daniil Trifonov. Rachmaninows zweite Symphonie ist zu einem musikalischen Aushängeschild russischer Schwermut stilisiert worden und ganz dem spätromantischen Duktus verpflichtet. Das Werk besticht durch opulenten Orchesterklang, der auf Pathos und elegische Momente setzt. Schwärmerisch blühen die Melodien im ersten und dritten Satz auf, sparen auch große Dramatik nicht aus. In den anderen beiden Sätzen überwiegen tänzerische Momente: Im zweiten werden sie mit Schlagwerk und Glockenspiel garniert, während das Finale an eine bunte Jahrmarktszene erinnert.

Hommage an Paganini

Die „Rhapsodie über ein Thema von Paganini“ spielt Daniill Trifonov am Samstag, den 4. November. Sie ist reich an tollkühnen Einfällen, neben dem Paganini-Thema taucht darin auch die „Dies irae“-Tonfolge aus der gregorianischen Totenmesse auf. Die Uraufführung des Werks fand am 7. November 1934 in Baltimore statt, mit Rachmaninow am Klavier und dem Philadelphia Orchestra unter Leopold Stokowski.1941 nahm er das Werk in dieser Konstellation auch im Studio auf und inspirierte damit nicht zuletzt Béla Bartók zu dessen Paganini-Komposition. Davor erklingt „Die Toteninsel“. Sergei Rachmaninows 1909 entstandene symphonische Dichtung ist hörbar von dem romantischen gleichnamigem Gemälde Arnold Böcklins beeinflusst. Auf dem Bild ist eine schroffe, felsige Insel mit Trauerzypressen und Grabkammern zu sehen. Auf die Insel steuert ein Boot mit Ruderer, umhüllter Todesfigur und Sarg zu. Ein düsterer Wolkenhimmel nimmt den Hintergrund ein. Die Musik spiegelt das wieder: In der langsamen Einleitung sind quasi Ruderschläge zu vernehmen. Und zwar in einem ungewöhnlichen 5/8-Takt: Eins-zwei, eins-zwei-drei. Nur vereinzelt klart der Himmel auf. Und auch in dieser Komposition erklingt das kurze Dies-irae-Motiv, hier erinnert es die lebenden und toten Personen im Boot immer wieder daran, was ihnen bevorsteht. Das Orchester interpretiert zudem Rachmaninows erste Sinfonie.

Jazz und Totenmessen

Die meisten Werke dieser Rachmaninow-Tage sind miteinander durch eine kleine Melodie verbunden: das „Dies irae“ der gregorianischen Totenmesse, das Rachmaninow immer wieder in seiner Musik einstreute. In den beiden am Sonntag, dem 5. November in Baden-Baden aufgeführten Werken prägt das „Dies irae“ den jeweils letzten Satz. Die Faszination des orthodoxen Russen für die urkatholische Weise sagt generell etwas über Rachmaninow aus, der sich nie scheute, scheinbar Unvereinbares miteinander zu verbinden. In den „Sinfonischen Tänzen“ etwa wird eine Melodie, wie sie russischer gar nicht sein könnte, einem Instrument aus Frankreich anvertraut, das der amerikanische Jazz sofort für sich vereinnahmte: dem Saxophon.

Rachmaninow schrieb sie im Sommer 1940 auf Long Island. Ursprünglich für den russischen Tänzer und Choreographen Michail Fokine gedacht, widmete es Rachmaninow dem Philadelphia Orchestra, welches es am 3. Januar 1941 uraufführte. Am Pult stand der von 1938 bis 1980 amtierende Chefdirigent Eugene Ormandy.

Die ebenfalls in Amerika komponierte dritte Sinfonie lebt von einer breiten Stilistik, die in den USA immer beliebter wurde. Die Musik kreuzt auf gelungene Weise Spätromantik mit Neoklassizismus. Nicht zuletzt kultiviert das Finale einen unverkennbar ‚amerikanischen‘ Stil, den Rachmaninow jedoch aus seiner slawischen Perspektive beleuchtet. Auch dieses Werk hob das Philadelphia Orchestra aus der Taufe und zwar am 6. November 1936 unter Leopold Stokowski. Zwei Jahre später revidierte Rachmaninow die von ihm selbst hoch eingeschätzte Sinfonie und verewigte sie 1939 am Pult des Philadelphia Orchestra erstmals auf Tonträger.

In Anwesenheit der Urenkelin Sergej Rachmaninows ehrt das Philadephia Orchestra unter seinem Chefdirigenten Yannick Nézet-Séguins am 3. 4. und 5. November Werke von Sergej Rachmaninow.

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